06/ OP 81 and the Media

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Den Blick hielt er stur geradeaus gerichtet, obwohl er spürte, dass sie ihm nachsah. Er konnte keine Ablenkungen brauchen, er wollte sich voll und ganz auf die Saison fokussieren. Sein Handy vibrierte zum wiederholten Mal. Kurz überflog er die Nachricht, die auf dem Display erschien. Sein Herz wurde noch ein wenig schwerer, als er das Handy zurück in die Hosentasche steckte. Nein, das konnte er nicht verzeihen. Mit einem tiefen Seufzer hielt er seine Karte gegen das Gerät am Türrahmen und die Tür sprang auf. Sein Herz fühlte sich an, als wäre es zerbrochen. Zu viel war zu schnell passiert, und doch ging das Leben einfach so weiter. Sein Kopf war zu voll mit Emotionen. Oscar sehnte sich danach, frei von diesem Emotionschaos zu sein. Die verschiedenen Gefühle sollten fortgespült werden, wie Wellen, die an einen Strand brandeten und sich dann wieder zurückzogen, doch stattdessen drohten sie ihn zu ertränken. Er spürte wie sich der Zorn in seiner Brust regte. Oscar seufzte und begann das Gefühl, das ihn umtrieb zu unterdrücken. Es war an der Zeit ein wenig Ruhe und Schlaf zu finden.

Der Tag begann früh für Oscar. Als er die Augen aufschlug und gähnte, verteufelte er den Wecker, der schrill neben seinem Bett piepte. Seine Hand fand nach einigen Sekunden des schlaftrunkenen tastens den Ausknopf. Der Schlaf, den er gefunden hatte, war keineswegs erholsam gewesen. Wie betäubt schleppte sich Oscar ins Badezimmer, um seiner täglichen Morgenroutine nachzugehen. Er fuhr sich durchs zerzauste Haar, das er dann mit einem Kamm bändigte. Danach griff er nach der Zahnbürste, die in einem Gefäß auf dem Waschbecken stand. Es passierte alles automatisch. Noch ein wenig Wasser ins Gesicht, bevor er sich ans Anziehen machte. Zuletzt steckte er sein Handy in die Hosentasche und griff nach seinem Rucksack. Dann begab er sich auf den Gang des Flurs, um ausgerechnet Lando zu begegnen.

,,Na, bereit für deine erste Saison."

Oscar nickte knapp, da er eigentlich keine große Lust verspürte zu reden. Lando lief neben ihm her.

,,Warum hast du Elin gestern ignoriert? Sie gehört schließlich zu deinem Team."

Lando sah Oscar interessiert an, während dieser stur geradeaus sah.

,,Hat sie irgendetwas darüber zu dir gesagt?", fragte Oscar anstatt zu antworten.

,,Nein, sie hat das Thema Oscar Piastri so gut es ging vermieden."

Das war in seinem Sinne. Mittlerweile standen sie vor dem Hotel, um auf das Auto zu warten, das sie an die Strecke brachte.

,,Darf ich dir einen Rat geben. Sei nett zu ihr."

Die Fahrt über schwiegen sie. Der Medientag war anstrengender als Oscar gedacht hatte. Es drehte sich viel um den Transfer und die damit einhergehende Erwartungshaltung.

Selten hat ein Fahrer schon vor seinem Formel-1-Debüt so sehr für Schlagzeilen gesorgt wie Oscar Piastri. Das australische Supertalent ließ seine Förderer von Alpine links liegen, nachdem diese ihm nicht rechtzeitig einen Platz in der Königklasse reservierten. McLaren schlug zu und sorgte so für eine der größten Transfergeschichten der Formel 1. Doch damit einher ging auch eine große Erwartungshaltung. Wer sich so verhält, der hat doch vielleicht ein bisschen zu viel Selbstvertrauen?

Als Oscar Piastri durch das Formel-1-Fahrerlager schritt, wirkte die Miene wie versteinert, ging sein Blick frei geradeaus. Nach links oder rechts sah er nur, um fremden Augenpaaren auszuweichen. Er wollte verschont bleiben von Journalisten, Autogrammjägern und anderen potentiellen Störenfrieden. Unnahbar kam er daher.
Selbst die australische Heimat fremdelte mit ihm, obgleich er mit seinen 22 Jahren als verheißungsvollstes Talent der Branche galt. Jene, die Piastri kannten, als er noch nicht zu den Elitepiloten zählte, erkannten ihn nicht wieder. Der „Osc", der einst mit ferngesteuerten Autos um die Wette fuhr, war doch immer so witzig, sympathisch, zugewandt. Leicht zu erraten, dass sein Berater, der neunmalige Grand-Prix-Sieger Mark Webber, dem Schützling nahegelegt hatte, als Neuling in der Formel 1 erst einmal nicht aufzufallen. Webber wusste, die Szene würde Piastri argwöhnisch empfangen. Seiner Unterschrift bei McLaren ging ein Rechtsstreit mit Alpine voraus. Der war eindeutig den Franzosen anzulasten, doch exponierte sich Piastri mit einem unglücklichen Tweet „Ich werde nicht für Alpine fahren." Es fiel leicht, in diesen Worten einen überheblichen Jungspund zu erkennen. Es waren jene Vorurteile die Oscar vorsichtig haben werden lassen. Er wollte die Antwort auf der Strecke geben.

A Racer from the Heart OP 81Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt