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Noahs Herz schlug laut in seiner Brust. Das vorfreudige Lächeln war nicht von seinen Lippen gewichen, seit er aus dem Bus gestiegen war. Er hatte das Angebot seines Vaters, zum Internat gefahren zu werden, vehement abgelehnt - angeblich, um ihm und seiner neuen Freundin keine Umstände zu machen, doch in Wahrheit hatte Noah es nicht abwarten können, endlich von ihnen loszukommen.

So musste sich Harry Potter gefühlt haben, wenn er nach einem schrecklichen Sommer zurück nach Hogwarts kam, dachte sich Noah selbstironisch.

Seine Füße trugen ihn unbewusst immer schneller beim Gedanken an das Internat und was - wer - ihn dort erwartete. Er nahm am Rande wahr, dass ihn ein paar Leute begrüßten, als er angekommen war und durch die Flure lief, doch er schenkte ihnen kaum Beachtung. Erst als er vor seinem Zimmer stand, hielt Noah kurz inne, atmete einmal tief durch und machte dann die halb geschlossene Tür auf.

Sofort fiel sein Blick auf Colin, der auf seinem Bett saß und in sein Handy vertieft war. Er schien Noahs Kommen nicht gehört zu haben, denn er schrieb weiter eine Nachricht, die Stirn leicht in Falten gelegt und nervös auf seiner Unterlippe kauend.

Noah nahm sich einen Moment, um Colin in Ruhe zu betrachten. Wie konnte es sein, dass er noch schöner geworden war? Seine Haare waren ein Stück länger und noch lockiger, er war eindeutig ein bisschen gewachsen und wirkte insgesamt älter. Seine Grübchen und wunderschönen Augen waren aber die gleichen geblieben.

„Hey.", sagte Noah schließlich sanft und beglückwünschte sich still dazu, dass man keine Unsicherheit in seiner Stimme hörte. Er war aufgeregter als er sein sollte, aber sein Herz konnte sich einfach nicht beruhigen.

Colin sah auf und Noah war erleichtert, dass automatisch ein Lächeln auf Colins Gesicht erschien, als er Noah sah.

„Hey.", gab er zurück, legte sein Handy weg und stand auf. Irgendeine Sicherung brannte in Noah durch, als er Colins Stimme hörte. Er ließ seine Tasche fallen und lief die letzten Schritte zum Brünetten, um ihn fest zu umarmen. Einen Moment lang versteifte sich Colin überrascht, doch dann war die Anspannung wie weggeblasen und er erwiderte Noahs Umarmung.

Nur eine Sekunde lang erlaubte sich Noah, seine Augen zu schließen und einfach diesen Moment zu genießen. Sich in Colins Armen sicher und geborgen zu fühlen, von seinem Geruch umgeben, und Locken, die ihn leicht kitzelten.

Er ignorierte, dass er sich erst jetzt wirklich zuhause fühlte und dass das wenig mit dem Gebäude zu tun hatte, in dem er sich befand.

Dann drängte ihn sein Kopf dazu, sich wieder von Colin zu lösen und einige Schritte zurückzugehen. Nervös lächelte er Colin an.

„Sorry. Ich freu mich nur, wieder hier zu sein.", erklärte er und spielte mit dem Saum seines Pullis.

„Waren deine Ferien nicht so gut?", fragte Colin vorsichtig, ohne weiter auf die Umarmung einzugehen. Seine intelligenten grünen Augen musterten Noah genau und er musste wegschauen.

„Das ist eine Untertreibung. Drei Wochen bei meiner Mum, drei Wochen bei meinem Dad und seiner neuen Freundin. War die reinste Hölle, aber das hatte ich ja schon erwartet.", erzählte Noah so gelassen wie möglich. Wie schlecht es ihm wirklich gegangen war, wollte er nicht erzählen. Er sah an Colins Blick, dass er es sich sowieso denken konnte.

„Egal. Jedenfalls bin ich froh, dass du da bist.", sagte Noah ehrlich. Colin sah ihn erstaunt an. Seine Wangen wurden leicht rot und er wandte schnell wieder den Blick ab, um dann Sachen aus seinem Koffer auszupacken.

„Wo sollte ich sonst sein?", fragte Colin scherzend, während er seinen Schrank öffnete, doch Noah kaufte ihm seine Unbeschwertheit nicht ab. Er nahm seine eigene Tasche und begann ebenfalls auszupacken.

„Nachdem Julia geschrieben hat, dass sie jetzt in Köln auf die Schauspielschule geht, wusste ich nicht, ob du nicht bei ihr bleiben willst."

Colin hielt inne und sah zu seinem Handy.

„Ich hab drüber nachgedacht.", gab er zu, „Aber..." Er suchte Noahs Blick und Noahs Herz setzte beim Ausdruck in Colins Augen einen Takt lang aus.

„Das Einstein ist mein Zuhause.", beendete Colin nach einer viel zu langen Pause seinen Satz. Noah schluckte. Er wusste nicht, ob Colin den Satz ursprünglich wirklich so hatte beenden wollen.

Er zwang sich ein Lächeln auf und nickte.

„Geht mir genauso.", sagte er nur und schweigend räumten die beiden Jungen weiter ihre Kleidung ein. Viele unausgesprochene Dinge hingen zwischen ihnen in der Luft, doch Noah konnte nicht den Mut aufbringen, etwas davon zu sagen.

Irgendwann kam Joel ins Zimmer und begann, nachdem er sie begrüßt hatte, ein ausführliches Update über sein neues Projekt zu geben. Noah verschwand schließlich, als er wirklich nicht mehr zuhören konnte, und machte sich auf den Weg zu Freddy. Obwohl er sich wahnsinnig auf seinen Hund freute, blieben seine Gedanken bei Colin - aber das war er ja schon seit Monaten gewohnt.

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