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Noah wusste nicht, ob Joel wirklich Recht hatte, dass Colin immer noch in ihn verliebt war, aber er konnte es unmöglich riskieren, Colin zu verlieren. Deswegen machte er sich auf die Suche nach seinem Mitbewohner und fand ihn schließlich draußen an der Mauer. Er saß dort angelehnt, allein und mit halb abgewischtem Makeup, was ihn irgendwie noch verletzlicher wirken ließ.

Leise setzte sich Noah zu ihm.

„Wir waren noch nicht fertig.", versuchte er zu scherzen und merkte im selben Moment, wie unpassend er sich schon wieder verhielt.

„Sorry, mir ging's nicht so gut.", murmelte Colin, den Kopf weggedreht. Noahs Herz zog sich zusammen.

„Colin, ich -"

„Lass das!", rief Colin, schüttelte Noahs Hand ab, die er auf Colins Arm gelegt hatte, und stand auf.

„Ich kann das alles nicht mehr! Du tust so als wär nie was gewesen, aber ich kann das nicht einfach vergessen! Ich werde noch wahnsinnig, weil ich mir immer einbilde, dass da mehr ist, nur um dann von dir zu hören, wie scheiße Liebe ist und dass ich alles kaputt mache. Ich kann einfach nicht mehr." Colin war nach seiner anfänglichen Rage immer leiser geworden und stand jetzt mit hängenden Schultern da.
Noah stand langsam auf. Sein Herz schmerzte unfassbar, weil er wusste, dass er an allem schuld war. Er wusste nicht, was er sagen sollte, doch es war klar, dass Colin kurz vorm Aufgeben war. Das konnte Noah nicht zulassen. Noch während er Luft holte, um Colin zu antworten, hob dieser jedoch die Hand.

„Bitte lass es einfach. Ich kann wirklich nicht noch eine Abfuhr ertragen. Ich glaub, es ist das Beste, wenn ich einfach gehe."

„Nein!", entfuhr es Noah sofort und Colin, der sich schon zum Gehen gewandt hatte, drehte sich wieder zurück und sah Noah traurig an.

„Ich weiß, du denkst, ich bin dein einziger Freund hier, aber das stimmt nicht. Du kommst schon klar, wenn du dich den anderen auch mal ein bisschen öffnest."

„Das weiß ich.", sagte Noah ungeduldig. „Ich könnte ohne dich klarkommen, irgendwie, aber ich will nicht! Ich will nicht ohne dich sein!"

An Colins Blick sah Noah, dass er nicht komplett begriff, was er zu sagen versuchte. Frustriert rieb sich Noah die Stirn.

„Ich meine, ja, du bist mein bester Freund und ich wollte alles dafür tun, dass ich diese Freundschaft nicht verliere, weil ich so etwas noch nie hatte. Du bist das Beste, was mir je passiert ist. Und ich weiß, dass ich dich verletzt habe. Das wollte ich nie, wirklich nicht! Ich hab nur so große Angst, alles kaputt zu machen! Du hast so viel mehr verdient als mich! Ich hab so viele Probleme und bin so schwierig. Ich wäre niemals gut genug für dich, deswegen..."

„Noah, du bist mehr als nur genug! Du bist alles, was ich will. Ich kenne dich, ich weiß, wie du bist und wer du bist. Und ja, du hast manchmal schwierige Momente und ich liebe dich. Ich liebe dich nicht trotz deiner Probleme oder Schwächen, ich liebe dich so wie du bist. Aber ich kann dir deine Angst nicht nehmen. Es gibt im Leben einfach keine Garantie, auch wenn ich glaube, dass meine Gefühle für dich nie verschwinden werden. Wenn es dir nicht wert ist, ein Risiko einzugehen, dann musst du mich jetzt nach Köln gehen lassen.", unterbrach ihn Colin aufgebracht. Noah starrte ihn an und er konnte nicht verhindern, dass Tränen in seine Augen schossen.

„Du liebst mich wirklich? Immer noch?", musste er fragen. Colin verdrehte die Augen, aber ein kleines Lächeln umspielte seine Lippen.

„Ja, du Idiot."

Auch Noah musste jetzt lächeln.

„Bitte geh nicht. Gib mich nicht auf. Gib uns nicht auf!", bat Noah und trat einen Schritt näher an Colin.

„Warum?", fragte Colin schlicht. Sein Blick huschte zwischen Noahs Augen hin und her und blieb kurz an seinen Lippen hängen. Noah hob eine leicht zitternde Hand und legte sie vorsichtig auf Colins Wange. Wahrscheinlich konnte jeder im Umkreis von zehn Kilometern seinen Herzschlag hören, so laut schlug es in seiner Brust. Er hatte immer noch Angst und Zweifel an sich selbst, aber Colin war es definitiv wert, jedes Risiko einzugehen. Solange Colin sich sicher war, dass er Noah wollte, egal welche Konsequenzen das hatte, konnte Noah kein Gegenargument mehr bringen. Es musste endlich das auszusprechen, was er schon vor langer Zeit hätte sagen sollen.

„Weil ich dich auch liebe. Du hast dir nie etwas eingebildet. Ich habe schon so lange Gefühle für dich und habe versucht, es zu verdrängen. Es tut mir so leid, dass ich dich dadurch verletzt habe."

Colin schloss die Augen und eine Träne kullerte seine Wange hinab. Behutsam wischte Noah sie mit seinem Daumen weg. Colin atmete zittrig ein, bevor er seine Augen wieder öffnete und Noah ansah, als ob er in seine Seele blicken könnte.

„Das meinst du ernst? Und du rennst nicht wieder weg?", fragte er leise.

Beschämt sah Noah kurz zu Boden, bevor er Colins Blick wieder fest erwiderte.

„Ich werde dich nie wieder loslassen, wenn du mich immer noch willst."

„Natürlich will ich dich!"

Das war alles, was Noah hören musste, bevor er sich leicht streckte und seine Lippen auf Colins legte. Sofort durchströmte ihn ein Glücksgefühl, das seinen ganzen Körper zum Kribbeln brachte. Noah hatte die Augen geschlossen und erlaubte sich, alles zu fühlen, was er sonst immer unterdrückte. Er war aufgeregt, aber gleichzeitig vollkommen sicher und geborgen. Er spürte Colins Lippen, die sich mit seinen bewegten, Colins Hand, die er auf Noahs Taille gelegt hatte, um ihn näher zu ziehen, Colins Geruch, der ihn wie eine Decke umhüllte. Noch nie hatte sich etwas so richtig und so gut angefühlt.

Allein dieser Augenblick war es wert gewesen, Noahs Ängste zu überwinden.

Say something | NolinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt