56 - Liebe?

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-Erens Sicht-

Meine Lippe war aufgeplatzt. Levi hatte mich geschlagen. Dann hatte er mich im Schlafzimmer eingesperrt, um das Wohnzimmer sauber zu machen, weil ich mich übergeben hatte. Er wollte mich nicht sehen, er hatte mich verletzt.

Ich lag auf dem Bett, mein Körper schmerzte. Ich konnte nicht richtig sitzen, Levi hatte mich dieses Mal gar nicht vorbereitet. Ich hatte geblutet. Es hatte verdammt weh getan. Ich hatte so laut geschrien, dass Levi seine Handfläche auf meine Lippen gepresst hatte, damit er mich nicht hören musste. Er hatte mich dabei gezwungen, auf den Bildschirm des Fernsehers zu schauen, auf dem er die Videos abgespielt hatte, in denen Jean mich fickte. Währenddessen hatte er mich von hinten genommen und meinen Oberkörper hart auf den Boden gepresst.

Ich zog die Bettdecke über meinen Körper und schloss meine Augen. Sie brannten so sehr. Die salzigen Tränen hatten meine Augen gereizt. Mein Körper zitterte und ich fühlte mich alleine. Mir war kalt, ich hatte Angst und Schmerzen. Nicht nur mein Körper schmerzte mir. Ich hatte so sehr geweint, dass ich nicht in der Lage gewesen war, zu atmen. Und weil Levi seine Hand auf meinen Mund gepresst hatte, war mir das noch viel schwieriger gefallen.

Nach einer Weile hörte ich Schritte. Levi schloss die Zimmertür auf und betrat den großen Raum. Ich wagte es nicht, mich umzudrehen. Ich starrte auf die Matratze und spürte, wie diese etwas sank. Levi legte sich zu mir in das Bett. Er berührte mich nicht und er sprach auch nicht mit mir. Er hatte seinen Rücken zu mir gewandt.

,,Was hast du mit mir vor, Levi?", fragte ich ihn. Ich wusste nicht, ob er mich gehört hatte. Meine Stimme war schwach. ,,Es kommt darauf an, was du vorhast, Eren. Wirst du zur Polizei gehen?" Es war keine Drohung, die seine Lippen verließ. ,,Armin und Jean sind sowieso tot", erwiderte ich. Mein Körper war zu schwach als dass ich wieder weinen könnte.

Sie waren wegen mir gestorben und ich hatte Levi in Schutz genommen. Mich in Schutz genommen. Ich hatte Jean verraten - viel schlimmer noch: meinen besten Freund.

,,Was machst du, wenn ich doch zur Polizei gehe?", fragte ich. Würde er mich töten? ,,Ich werde dich hier einsperren, wenn du versuchst, wegzulaufen und mich alleine zu lassen", antwortete Levi. ,,Und wenn ich dich nicht mehr Liebe?", hakte ich nach. Schlagartig verstummte er. Ich hatte ihn verletzt - wieder.

Es war mittlerweile dunkel, als ich mich aus dem Bett erhob. Ich ging in das anliegende Badezimmer und setzte mich auf den Boden vor die Badewanne. Ein stechender Schmerz durchzog meinen Körper.

Ich blickte zu Levi, der im Bett lag und schlief. Es war dunkel und kalt im Badezimmer, ich saß nackt auf dem hellen Holz und mein Rücken berührte die Badewanne.

Am nächsten Morgen stand Levi vor mir und blickte mir in die Augen. ,,Was machst du hier?", fragte er mich, als ich nackt vor ihm auf dem Boden saß. Ich erhob mich ganz langsam und vorsichtig, spürte seine Blicke auf meiner Haut. ,,Zieh dir etwas an", war alles, was er sagte. Er fragte mich nicht, ob ich Schmerzen hatte. Stattdessen blickte er mir angewidert in die Augen.

Ich senkte meinen Blick, verließ das Badezimmer und zog mir etwas über. Dann ging ich runter in die Küche und suchte etwas zum Essen. Ich fand eine Packung Toastbrot. Mit zittrigen Fingern öffnete ich die Packung und legte mir eine Scheibe auf einen Teller. Dann öffnete ich den Kühlschrank und als ich eine Packung Fleischwurst sah, spürte ich meinen Mageninhalt aufsteigen. Ich übergab mich schon wieder, kniete mich auf den Boden und weinte.

Ich stieß die Kühlschranktür zu und machte einen Lappen nass, um den Boden zu wischen. Es war nicht viel, das ich weg machen musste, denn ich hatte gestern kaum etwas gegessen. Ich entsorgte den Lappen danach und warf das Toastbrot in den Mülleimer, den Teller legte ich in die Spüle.

,,Hast du dich wieder übergeben?", hörte ich Levi fragen. Er verzog sein Gesicht und kam gerade die Treppe runter. Als er die Kücheninsel umrundete, sah er mir in die Augen. ,,Du bist fast Mitte zwanzig und kannst noch nicht einmal deine eigene Kotze richtig aufwischen; warum benutzt du nur Wasser? Geh und putz dir deine Zähne."

Ich nickte und ging hoch ins Badezimmer, putze mir meine Zähne und wusch mir mein Gesicht. Ich blieb eine Weile oben, bevor ich wieder runter zu Levi ging.

Er saß in Wohnzimmer, hatte ein Bein über das andere geschlagen, einen Arm auf die niedrige Rückenlehne platziert und mit der anderen Hand hielt er eine Tasse Tee. Ich setzte mich auf die andere Couch und schaute immer mal wieder zu Levi. Er setzte die Tasse an seine Lippen und trank von dem heißen Tee.

,,Hat dir der Sex gestern gefallen?" Ich zuckte heftig zusammen, als Levi mir diese Frage stellte. Dann starrte ich ihn schweigend an. ,,Ich habe geweint... Levi. Ich habe gebettelt, damit du endlich aufhörst", brachte ich mit schwacher Stimme hervor. Levi blickte mir desinteressiert in die Augen und erst jetzt verstand ich, dass seine Frage nicht ernst gemeint war. Er kannte die Antwort bereits, er wusste ganz genau, was er mir gestern angetan hatte.

,,Weißt du jetzt, wie ich mich gefühlt habe oder muss ich erst Herrn Smith darum bitten, dich zu vergewaltigen, damit das auch wirklich in deinem Schädel ankommt?"

,,I-Ich habe es verstanden."

Levi beugte sich etwas vor, verdeckte den grellen Schnee, der auf dem Balkon lag, für einen Moment, und stellte die Tasse auf den kleinen Holztisch. Dann erhob er sich von der Couch und kam auf mich zu. Ich hatte Angst. Ich hatte panische Angst vor meinem eigenen Freund.

Mikasa hatte die ganze Zeit über Recht gehabt.

Levi streckte seine Hand aus und als ich glaubte, dass er mich schlagen wollte, strich er mit seinen Fingern über meine Wange. ,,Du hast das gestern gar nicht ernst gemeint, oder? Dass du mich nicht liebst. Du liebst mich, Eren? Stimmt's?" Ich nickte schwach und senkte meinen Blick. Dann spürte ich seinen warmen Atem auf meinem Hals. ,,Das heißt aber nicht, dass ich dich verschonen werde. Ich habe jahrelang in dieser Beziehung gelitten und es noch nicht einmal bemerkt."

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Only Mine [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt