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Der Tag an dem ich dich kennenlernte, begann wie jeder andere auch.

Neunzehn. Neunzehn Jahre auf den Tag genau. Eine seltsame Zahl. Irgendwie hässlich. Nicht gerade wie achtzehn oder zwanzig.

Ich fuhr mit dem Zeigefinger über meine glatte Stirn und fragte mich wie lange es wohl brauchen würde, bis die ersten Falten ihre Spuren hinterlassen würden und ich selbst in dieser Hinsicht, aussehen würde wie sie.

Testweise zog ich die Augenbrauen zuerst nach oben und dann zusammen. Das Gesicht in dem befleckten Spiegel vor mir an der Wand funkelte mir böse entgegen.
Ich war nicht eitel oder legte besonders viel Wert auf mein Aussehen. Bloß schienen es alle um mich herum zu tun.
Alle betonten sie ständig, wie weit mich meine Schönheit eines Tages bringen würde. Ich müsste bloß noch in sie hinein wachsen.

Ich starrte mich an und fragte mich wie lange es wohl noch brauchen würde bis ich endgültig hineingewachsen war. Denn eigentlich konnte ich mit ihr nicht viel anfangen, meiner Schönheit.

Und erkennen konnte ich sie auch kaum.
Sie erinnerte mich stehts an das was ich verloren hatte und daran, dass mich mein eigener Vater kaum noch ansah, seit ihrem Tod.

Seit Moms Tod, ihr war ich nämlich wie aus dem Gesicht geschnitten, mit dem kleinen Unterschied, dass sie wahrhaftig schön gewesen war, nicht nur ein Abklatsch von irgendwem sonder wirklich umwerfend.

Ich wand meinem Spiegelbild den Rücken zu und betrachtete meinen Po. Tante Gabriella meinte ich hätte ihn von Mom geerbt. Genau wie meine runden Brüste, die schmale Taille und die Stupsnase. Von wem auch sonst. Bloß die Augen, die hatte ich von Dad. Haselnussbraune, große Rehaugen.

„Diese Augen... „ hatte meine Mutter immer wieder traurig geflüstert, waren mein Verderben." Und dann acht Jahre nach meiner Geburt, schluckte sie eine halbe Dose Schlaftabletten und sprang bei minus acht Grad in den Hudson River.

Nach ihrem Tod vergrub sich Dad in Alkohol und hunderten von Überstunden auf seiner Arbeit.
Mich überließ er in Tante Gabriellas Obhut.

Sie und meine Großmutter, umsorgten mich wie das Gefolge ihre Queen. Jeder Wunsch wurde mir aus den Augen abgelesen. Die Tage schwappten über vor herzlicher Umarmungen und unzähliger Tassen heißer Schokolade. Ich glaube das war der Moment in meinem Leben, den ich für immer konservieren wollte, in einer kleinen Konservendose, mit der Aufschrift, Glück zum nachtanken, denn auch wenn all die Liebe aus Verlust und Trauer entstanden war, so war es eine Zeit in der ich mich wirklich Zuhause gefühlt hatte.

Granny und Tante Gabriella waren immer noch da, doch beide waren zurück nach Queens gezogen, wo Gabriela ihre eigenen Kinder großzog (richtige Biester mit mangelndem Gefühl für Bescheidenheit) und Granny gegen ihre Gicht zu kämpfen hatte. Ich besuchte sie so oft ich konnte, aber neben der Uni blieb immer weniger Zeit dafür.

Mein Medizinstudium hatte einen großen Platz in meinem Leben eingenommen, besonders weil ich nicht länger als nötig mit einem Haufen hirnamputierter Ärzte, deren Ambitionen im Leben darin bestanden irgendwann eine Krankenschwester Vögeln und während der Op gelangweilte Blicke auf ihre Rolex werfe zu können, in einem Jahrgang verbringen wollte.

Aber heute war definitiv nicht der Abend um sich auch nur eine Sekunde mit meinen Studienkollegen zu befassen.

Heute war mein Geburtstag. Und ich musste mir wie ein Mantra immer wieder sagen, dass ich mich heute nicht wie ein graues Mäuschen auf den hintersten Tisch in der Unibibliothek verkrümeln, sonder im Mittelpunkt stehen würde, bei was auch immer meine beiden Freundinnen Hope und Kylie für mich geplant hatten.

Hopes Weisheit war: „wenn du an deinem Geburtstag nicht mindestens ein Auto klaust, zählt er nicht!". In diesem Sinne: ich atmete tief ein und aus.

Das Monotone Piepen meines klobigen Steinzeithandys holte mich in die Realität zurück.
Ich klappte es auf und blickte auf den winzigen Bildschirm.

Game of innocence - Versuchung Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt