1. Schlaf gut
„Würden sich Wände durch Blicke abnutzen, dann hätte ich die Wände hier in meinem Zimmer bis zum Dach freigelegt und hoch oben ein zweites Loch ins Ozon geschaut."-Betterov
Abschiede sind etwas Sonderbares: während man gestern noch Zeit miteinander verbrachte, gemeinsam hohe Berge erklommen und durch tiefe Gewässer geschwommen ist, könnte man meinen, dass wir diese Dinge niemals zusammen erlebt haben. Unsere Wege werden sich niemals wieder kreuzen, da bin ich mir sicher, eines Tages sicherlich gewiss, aber nicht heute, nicht morgen und auch nicht übermorgen. Bis dahin muss ich allein schauen, wie ich auf den Berg komme, mich hochkämpfe bis zur Verzweiflung, ächzend und außer Atem, ich weiß aber nicht wie. Ich kann mich daran erinnern, wie es ist, wenn man ganz oben angekommen ist, dieses Gefühl der Erleichterung, die Ketten der Last, die man sich hoch oben über den Wolken vom Leib reißt und an den Wind, der diese mit sich davonträgt. Das Gewässer ist für mich allein nie ein Problem gewesen und das weißt du, denn dort war ich schon oft, auch vor dir. Einsam, verlassen und schwarz wie die Nacht ist es dort und wenn es ganz schlimm ist, dann stattet man dem Seeungeheuer auch noch einen Besuch ab. Gierig lauert es dort unten mit seinen schleimigen Tentakeln, erpicht darauf, einem diese um den Hals zu legen und zuzudrücken, bis das kleine Herz aufhört zu schlagen. In einer Phase meines Lebens, bei der es beinahe soweit war und das Ungeheuer seine rasiermesserscharfe bereits fletschte, da bist du in mein Leben getreten und hast mich dort rausgeholt. Tommi. Du hast mich gekannt, als ich am Boden war und mir eine Krone aufgesetzt. Und jetzt bist du einfach fort.
Eine gähnende Leere hast du mir gelassen und Chaos in meinem Kopf, Chaos ist eine gute Beschreibung dafür wie ich finde, ich hatte es eigentlich ganz gut im Griff, als du in mein Leben getreten bist und jetzt stapelt sich das Geschirr an der Spüle bis unter die Decke, meterhoch, nein, viel mehr kilometerhoch wartet es nur darauf, noch mehr zu wachsen, weil es ganz genau weiß, dass ich es nicht schaffe. Ein weiteres Ungeheuer in meinem Leben, im wahrsten Sinne des Wortes, ich bin mir sicher, dass in den verschiedenen Töpfen bereits ein ganz eigenes Ökosystem herrscht, aber es ist mir egal, mir ist einfach alles egal, denn du bist nicht mehr da. Ich sollte mir noch einen Gin Tonic einschenken, um mit dir im Gedanken anzustoßen, ich habe genug aus dem Fenster gestarrt, ich bin doch kein Spanner, Ich war nur gedankenverloren und verloren sowieso schon lange. Ich komme nicht umhin, mich zu fragen, ob du mir morgen wieder schreiben wirst, aber das glaube ich nicht, völlig unmöglich, auf keinen Fall, ach komm, ich schenke mir noch einen ein, starre weiter aus dem Fenster, dreckig wie es ist gleicht es einem Kaleidoskop, das Licht der Straßenlaterne nahezu unerkennbar, nur schemenhaft scheint das Licht in mein Schlafzimmer in seinen warmen Farben, Formen und Facetten, fast schon wie ein Kunstwerk. Klick, Klack, Zigarette an und Prost. Schmeckt wieder gut wie immer, nur fehlt die entscheidende Zutat des gemeinschaftlichen , nämlich die Gemeinschaft. Ich lasse einen Blick durch das Zimmer schweifen und das Chaos, was sich mir darbietet, wird eins mit dem Licht der Straßenlaterne, gepaart mit dem Zigarettenrauch und dem Schleier vor meinen Augen kann das nur Kunst sein. Ich sollte mir einen Namen für das Kunstwerk ausdenken, bin jedoch überfragt beim Anblick von den nahezu tausend Schallplatten, Büchern, Wäschebergen und Müll, ganz zu schweigen vom Geschirrberg auf der Spüle (Wäre Mount Everest eine Idee?).
Ich mache das morgen, nein morgen geht es nicht, da habe ich einen Termin um 12 und bei Terminen nehme ich mir nichts anderes vor, weil sonst schaffe ich das doch nicht, nächste Woche ist sicherlich ein guter Plan. Ich proste dir in Gedanken zu und schütte auf Ex alles weg, das ist denke ich auch der letzte für heute, für morgen freilich nicht.
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FOREVER YOUNG
General Fiction„Wir haben nur dieses eine Leben. Das einzige, was wir tun können, ist die Luft einzuatmen, den Wahnsinn spüren, tief fallen, wieder aufstehen und weitergehen, hoch hinaus auf die Dächer dieser Stadt, die nun uns zu gehören scheint, denn wir sind di...