17.Kapitel ~Antworten~ ✔

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Lied: SIA - Bird set free

Mias' P.O.V

Da sitze ich nun. Mir gegenüber meine Eltern, die schon seit meiner Ankunft vor zehn Minuten kein einziges Wort gesagt haben. Das Entsetzen ist ihnen nur so ins Gesicht geschrieben. Angestrengt kralle ich meine Fingernägel in das dunkle Holz des Stuhls auf dem ich sitze.

Mom schnappt nach Luft, legt ihre Handfläche auf den Tisch und setzt an, mir eine ordentliche Standpauke zu halten, doch es kommt nichts. Sie wissen Bescheid. Dem bin ich mir bewusst, seitdem mich Dad vor circa einer halben Stunde angerufen hat. ,,Mia", setzt er an, die versteckte Enttäuschung in seiner Stimme kann ich deutlich heraushören.

Seine Augen mustern mich genau. Eine stille Botschaft darin, dass ich hätte mit ihm sprechen sollen. ,,Mia, warum hast du uns denn nichts gesagt?", raunt er und schluckt schwer. ,,So etwas kannst du doch nicht alleine entscheiden!", presst meine Mutter durch ihre Lippen hervor, steht ruckartig von ihrem Stuhl auf und läuft in der Küche hin und her. Ich zucke bei ihren Worten zusammen. Ihre plötzliche Wut überrascht mich zwar nicht, dennoch hätte ich in diesem Fall mit mehr Verständnis gerechnet.

,,Schatz, bitte", beschwichtigt sie mein Dad und senkt den Kopf. Das wollte ich nicht. Sie sollten es nicht auf diesem Weg erfahren. Von meinem Arzt, auf den ich im Moment mehr als sauer bin. ,,Bist du dir wirklich sicher, dass du diesen Schritt wagen willst?", fragt mich Dad konzentriert. Es kostet ihm sichtlich alles an Überwindung, diese Frage laut auszusprechen. Meine Zunge fühlt sich gerade jetzt bleischwer an. Ja, schreit mein Verstand, aber mein Herz bringt diese Worte nicht über die Lippen. Nicht , wenn er mich so ansieht.

,,Natürlich ist sie sich nicht sicher! Du wirst auf gar keinen Fall Sterbehilfe beanspruchen. Es gibt Wunderheilungen und ich bin der festen Überzeugung, dass du wieder gesund werden wirst!", tobt Mom und rauft sich ihre aschblonden Harre, die wild in alle Himmelsrichtungen abstehen. Ich lache spöttisch auf. Das kann nicht ihr Ernst sein.

,,Was weißt du denn schon", murmele ich. ,,Wie bitte?", stößt sie hervor. Ich hole tief Luft, denn meine nächsten Worte sind weder für meine Eltern, noch für mich einfach zu verkraften: ,,Ich habe ein Glioblastom im Endstadium. Mir bleiben wenige Wochen, vielleicht Monate, bis ich sabbernd, nicht mehr sprechend und dem geistigen Verstand einer Kartoffel an ein Krankenhausbett gefesselt sein werde. Das willst du wirklich? Du willst mich so sehen? Du willst mitbekommen, wie ich vor deinen Augen zu einer Person werde, die am Ende nichts mehr mit deiner Tochter wie du sie kennst zu tun hat?!". Mein Herz pocht mir bis zum Hals. Ich stoße den Stuhl von mir, der mit einem lauten Knall auf dem alten Parkett landet.

,,Tja, da muss ich dich leider enttäuschen;
Ich werde diese Sterbehilfe beanspruchen, mit oder ohne eure Unterstützung!"

Aufgeregt fahre ich herum, stapfe in den Flur, schnappe mir eine Jacke und die Autoschlüssel. ,,MIA CHARLOTTE GREEN! WO WILLST DU HIN, WIR SIND HIER NOCH NICHT FERTIG!!", höre ich Mom schreien, die wütend hinter mir auftaucht und nach meinem Handgelenk greift, während ich die Haustür öffne, um heraus zu stürmen. ,,Lass mich los!!", zische ich und entreiße mich ihrem festen Griff.

Ihr klappt die Kinnlade herunter. Mit meiner schroffen Art habe selbst ich nicht gerechnet, denn normalerweise gebe ich meistens nach. Wir streiten uns öfters, doch dieses Mal ist es anders. So schnell würden wir uns wohl nicht wieder vertragen. Ich rechne schon stark damit, dass sie nun völlig durchdreht, doch es passiert nichts. Nichts, als ich sie wie angewurzelt im Flur stehen lasse. Nichts, als ich zum Auto stapfe und die Tür öffne. Ja, sogar nichts, als ich aufgebracht den Motor starte und davon brause.

Dieser Dr. Hanson kann sich was anhören. Was fällt ihm ein? Ich umfasse das Lenkrad fester. Ein Schleier aus Tränen legt sich über meine Augen. Warum macht sie es mir auch nur so schwer. Denkt sie ernsthaft ich will sterben? Ich hänge nicht an meinem Leben? Wenn es nur die geringste Chance auf Heilung gebe, würde ich sie ergreifen. Es muss mir nur jemand einen Strohhalm hinhalten, ich würde ohne zu zögern meine Hand danach ausstrecken.

Soulpath - forever yours [LAUFEND]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt