Der Fall: verschollener Pilot

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Peter drehte sich hektisch im Kreis. »Das Auto ist weg!«, wiederholte er immer wieder, als hoffte er, dass es doch nicht wahr wäre. »Ruhig, Peter, beruhige dich bitte!« mir gelang es, meinen Arm um Peters Schulter zu legen. Im fertigen Bericht weglassen »Wir sind ein wenig angespannt. Es ist dunkel und nebelig! Wir haben doch gar keine Ahnung, ob wir überhaupt dort stehen, wo wir das Auto zurückgelassen haben!« Ich schaltete die Taschenlampe ein, die ich glücklicherweise noch am Gürtel stecken hatte. »Entspann dich, Peter. Wir suchen das Auto. Aber welche Richtung sollen wir einschlagen?« ich hatte jede Orientierung verloren. »Probieren wir es mal da«, sagte Justus, der auch keine Ahnung hatte. Wir liefen ein Stück, plötzlich ging der Kies in Gras über. »Umdrehen«, befahl Justus. »Hier sind wir falsch!« Wir tasteten sich in die andere Richtung, bis ein dunkler, großer Schatten auftauchte. Etwas reflektierte das Licht der Taschenlampe: das Nummernschild ihres Wagens. »Na also«, sagte Justus erleichtert. »Fahren wir?«, fragte Peter. Beim Anblick des Autos hatte er sich ein wenig beruhigt. »Ich will nicht mehr ins Hotel!« »Mein Rucksack ist noch auf dem Tisch«, sagte ich. »Tut mir leid. Ich muss noch mal rein. Kommt ihr mit?« »Ach, Bob!« Wir gingen in die Richtung, in der wir das Haus vermuteten. Doch nach wenigen Metern stießen wir auf eine Hecke. »Die war doch eben noch nicht da«, wunderte ich mich. »Ich bin mir sicher, dass wir in dieselbe Richtung gegangen sind wie vorhin!« »Seltsam«, bestätigte Justus. Ich leuchtete ein Stück weiter und entdeckte das Haus. »Da ist ja das Hotel! Aber der Eingang, wo ist der Eingang?« »Wir sind offenbar an eine andere Stelle gelangt«, überlegte Justus. »Das kann nur eins bedeuten: Das Auto hat seinen Standort verändert! Hier haben wir es nicht geparkt!« »Seinen Standort verändert?«, wiederholte Peter ungläubig. »Einfach so? Das Auto fährt einfach ohne uns?« »Das Gelände ist leicht abschüssig, Peter. Vielleicht hat Bob die Handbremse vergessen und den Wagen auf Leerlauf gestellt.« »Und dann hat der Chrysler ein paar Meter später einfach so angehalten, Justus? Direkt vor dem Hotel?« Murmelte ich mit einem beleidigten Unterton: »Ich habe auf Parkposition gestellt, Justus. Das tue ich immer! Vielleicht ist ja auch das Haus herumgewandert!« »Ich dachte immer, du glaubst nicht an Gespenster?«, rief Peter empört aus. »Wir sind alle ein wenig nervös«, erklärte Justus. »Um die Ecke ist der Eingang. Lasst uns reingehen.« Peter schnaubte hörbar, doch es blieb ihm nichts anderes übrig, als seinen Freunden zu folgen. Er griff meine Hand,Im fertigen Bericht weglassen Justus lief ein Stück vor uns. Vorsichtig betraten wir den Empfang. Nach wie vor war niemand da. Wir gingen gleich weiter in die Lounge. Mit dem ersten Blick erfasste ich, was sich verändert hatte: Mein Rucksack war weg! Erschrocken lief ich zu dem Tisch, an dem wir gesessen hatten. Vielleicht hatte ich mich ja getäuscht und ihn seitlich auf dem Boden abgestellt. Doch da war nichts. Justus und Peter krochen unter die anderen Tische und schoben die Stühle beiseite. Nichts. Plötzlich hörten wir eine Stimme. »Ich habe schon lange keine Gäste mehr gehabt!« Wir drei zuckten zusammen. Vor Schreck knallte Justus, der noch auf dem Boden kniete, mit dem Kopf an die Tischkante. Hinter der Küchentheke stand ein Mann. Er war schon älter, vielleicht um die sechzig Jahre. Sein Cowboyhut saß schief, sodass wie drei sehen konnten, dass er kahlköpfig war. Er trug ein schmutziges weißes T-Shirt, darüber eine abgewetzte braune Lederweste. Das Lächeln auf seinen Lippen war schwer zu deuten. »Das Gepäck habe ich den Herren bereits auf das Zimmer gebracht«, sagte er. »Wir ... wir ... Ist denn das Hotel noch geöffnet?«, stotterte Peter. Der Mann sah ihn einen Moment lang an. »Aber natürlich«, sagte er dann mit einer rostig klingenden Stimme. »Willkommen im King of the Mountain. Ich bin Fynch Hunterman. Der Besitzer.« »Aber ... Sie ... warum hatten Sie denn keine Gäste mehr?« »Wahrscheinlich das Wetter. Regnet zu oft.« »Eigentlich wollten wir sowieso gerade weiterfahren«, sagte Peter schnell. Fynch Hunterman schüttelte den Kopf. »Keine Chance bei dem Nebel«, sagte er. Er sprach gedehnt, als müsse er nach den Worten suchen. »Wie habt ihr überhaupt hergefunden, bei der Suppe da draußen, ohne in die Schlucht zu stürzen?« »Ein Mann in einem Pick-up hat uns den Weg gezeigt.« Hunterman entglitten die Gesichtszüge. »Catman«, knurrte er. »Wie bitte?«, fragte Justus. Doch der Hotelbesitzer hatte sich schnell wieder im Griff. »Das war Jack. Wohnt in der Gegend«, sagte er wieder in seinem alten Tonfall und fügte hinzu: »Meine Zimmer sind in Ordnung. Macht euch keine Gedanken.« »Was kostet eigentlich eine Übernachtung?«, fragte Justus. Peter sah ihn wütend an. »Habe die Preise seit zehn Jahren nicht verändert. Ihr werdet es bezahlen können.« Der Hotelbesitzer grinste. »Wenn ihr mir helft, müsst ihr gar nichts bezahlen!« Er warf einen seltsamen Blick auf Peter. »Was meinen Sie mit ›helfen‹?«, fragte Justus. »Musste euer Auto umparken«, sagte Hunterman, ohne die Frage zu beantworten. »Es stand mitten in der Einfahrt. Die Autotür war nicht zu. Habe es neben das Hotel gerollt. An meine Regeln müsst ihr euch halten!« Wir drei warfen uns einen überraschten Blick zu. Zumindest das Rätsel des verschwundenen Rucksacks und des selbsttätig fahrenden Wagens war gelöst. Doch dafür zeichneten sich neue Fragen ab. Irgendetwas stimmte hier nicht. Und ich ahnte, dass Justus nicht eher gehen würde, bis er das herausgefunden hatte. Wie auf Bestellung sagte Justus dann auch: »Okay. Wir bleiben eine Nacht!« Fynch Hunterman schleppte sich um die Theke herum. »Dann erledigen wir jetzt die Formalitäten«, sagte er in einem Ton, der keinen Widerspruch duldete. Er ging voran zum Empfang, setzte sich umständlich und nahm einen Bleistift. »Brauche einen Namen und eine Adresse«, sagte er und deutete auf Peter. »Von dir. Das reicht.« »Warum nicht von Justus?«, fragte Peter. Justus stieß ihn in die Seite. »Egal. Mach schon!« Widerwillig machte Peter seine Angaben. Der Hotelbesitzer notierte sich alles in krakeligen Buchstaben und hielt Peter erwartungsvoll das Papier zur Unterschrift hin. Schnell kritzelte Peter sein Kürzel darauf. Es war kein Formular, sondern nur ein vergilbter Schmierzettel. Ächzend stand Hunterman auf. »Dann zeige ich euch euer Zimmer. Ich hoffe, ihr raucht nicht! Kann das Zeug nicht ab.« Er betätigte einen Schalter und außen ging eine Lampe an. So konnte man wenigstens etwas besser sehen. Um zu den Zimmern zu gelangen, musste man das Empfangsgebäude verlassen und einige Meter draußen an ihm entlanggehen. An der Ecke schloss sich eine Holzveranda an. Hunterman ging vor, zog einen Schlüssel aus der Hosentasche und reichte ihn Peter. »Hier ist es. Appartement Nummer eins. Ihr werdet zufrieden sein!« Peter zog die Fliegentür zur Seite, öffnete das Schloss und betrat den Raum. Justus und ich folgten ihm. Es roch feucht und muffig. Hunterman machte Licht. Zwei Betten, ein weiteres an der Wand. Auf dem Kopfkissen lag mein Rucksack. Ein alter Holzschrank, ein Kühlschrank, ein Durchgang zum Bad, aus dem es stank, als sollte man es besser nicht betreten. »Habe euch nicht zu viel versprochen, oder?«, sagte Hunterman. »Für euch nur das Beste!« »Danke«, sagte ich. »Geht so. Wir werden das Gepäck holen und es uns hier ... gemütlich machen. Wir sehen uns.« Hunterman stand unschlüssig in der Tür. »Wir sehen uns dann«, wiederholte ich nachdrücklich. Der Hotelbesitzer nickte. »Wenn ihr Hunger habt, kommt vorbei. Ich kann euch was kochen. Hab was da. Es gibt auch einen Aufenthaltsraum mit Bibliothek. Nur einen Fernseher haben wir hier nicht. Kein Empfang.« Er tippte mit zwei Fingern an den Cowboyhut und ließ uns drei allein. »Auf das Essen möchte ich gerne verzichten«, sagte Peter, als Hunterman außer Hörweite war. »Justus! Wie konntest du nur einwilligen hierzubleiben!« »Dieses Hotel ist doch irgendwie witzig«, sagte Justus, »und ich möchte wissen, was hier los ist. Ein seltsamer Hotelbesitzer ohne Gäste in einem maroden Gebäude ...« »Hast du gemerkt, wie irritiert er reagiert hat, als wir den Mann in dem Pick-up erwähnt haben?«, fragte ich dazwischen. »Was hat Hunterman da noch mal gesagt?« Peter überging die Frage, denn er war immer noch sauer. »Vor allem habe ich gespürt, wie der Kerl mich angestarrt hat! Kannst du mir vielleicht dazu mal etwas Kluges sagen, Just?« »Nein, Peter. Immerhin hat sich die Sache mit dem umgeparkten Auto geklärt«, sagte Justus beruhigend, »und die mit dem verschwundenen Rucksack auch. Ein Spukhotel scheint es schon mal nicht zu sein. Ich finde es hier gar nicht so schlecht. Stell dir mal vor, wir würden jetzt noch Auto fahren: völlig übermüdet und mitten im Nebel. Das wäre auch der Horror geworden!« »Die Betonung liegt auf auch«, sagte Peter bissig.

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