Der Fall: verschollener Pilot

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Nachdenklich legte Justus den Zettel beiseite. »Was sollen wir nicht bekommen?«, fragte ich. »Es muss etwas mit dem Flugzeugabsturz zu tun haben«, überlegte Justus. »Es ranken sich ja auch einige Rätsel um ihn. In dem Artikel steht, dass die Maschine entführt wurde. Und der Pilot ist verschwunden.« »Das ist Jahre her, Justus«, sagte Peter. »Inzwischen sind die Fragen bestimmt alle gelöst!«  »Wir können Mr Hunterman fragen«, schlug ich vor. »Tolle Idee!« Peter schüttelte den Kopf. »So wie der drauf ist, kann es doch echt gut sein, dass er uns den Stein selbst hier reingeworfen hat! Hast du den Typen eigentlich noch gesehen, Justus?« »Ich glaube nicht, dass es Hunterman war«, sagte Justus. »Ich hatte eher den Eindruck, dass es der Fahrer war. Die wirren Haare, die schwarze Jacke ...« »Du meinst den aus dem Pick-up?«, fragte Peter. »Ja, diesen Typ, der uns hierhergeführt hat!« »Das überraschte Bob und Peter. »Ganz sicher bin ich natürlich nicht. Es ging alles so schnell. Aber Hunterman anzusprechen ist bestimmt einen Versuch wert. Außerdem brauchen wir ein neues Zimmer.« Justus zeigte auf das Loch in der Fensterscheibe. »Hier können wir nicht bleiben. Das ist mir entschieden zu viel frische Luft!« »Schade. Jetzt, wo wir es uns gerade so gemütlich gemacht hat-ten!« ich stand auf. »Dann lasst uns mal keine Zeit verlieren.« Wir verließen ihr Zimmer und gingen zurück in den Speiseraum. Doch Hunterman war nicht da. »Mr Hunterman?« Justus ging an die Stelle, an der die Fotografie mit dem Flugzeugwrack hing, und nahm das Bild herunter. Gedankenversunken betrachtete er die Fotografie. Ich sah ihn einen Moment lang an. »Musst du an deine Eltern denken?«, fragte ich leise. Als Justus noch klein gewesen war, waren seine Eltern bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Justus konnte sich kaum noch an sie erinnern. Seitdem wohnte er bei seinem Onkel Titus Jonas und seiner Tante Mathilda in Rocky Beach auf dem Schrottplatz, den sie dort betrieben. Justus zuckte zusammen und schüttelte den Kopf. »Auf der Rückseite steht ein Datum«, sagte er schnell. »Der Absturz ist etwa zehn Jahre her. Das muss eine Bergwiese sein, jenseits der Baum-grenze. Im Hintergrund sieht man ein paar Felsen.« Neugierig traten ich und Peter neben ihn. »Das Flugzeug ist noch relativ gut erhalten«, stellte Peter fest. »Wahrscheinlich hat der Pilot eine Notlandung versucht. Dabei sind die Räder abgebrochen, er hat sich an ein paar Felsbrocken den Rumpf aufgeschlitzt und schließlich ist der Flieger irgendwo liegen geblieben. Kann gut sein, dass der Pilot überlebt hat.«  »Aber wieso ist er dann spurlos verschwunden, wie es in dem Artikel gestanden hat?«, fragte ich. »Er muss unter Schock gestanden haben«, überlegte Peter. »Da tun die Leute die merkwürdigsten Sachen und erinnern sich nicht mehr dran. Vielleicht hat er sogar ganz die Erinnerung an sein früheres Leben verloren und lebt ein ganz neues Leben. Wie in diesen Hollywood-Filmen. Dann trifft er plötzlich seine Ehefrau und erkennt sie nicht mehr wieder ...« »Nun geht aber die Fantasie mit dir durch«, grinste Justus und hängte das Bild zurück an die Wand. »Ich dachte, alle Geheimnisse um diesen Flugzeugabsturz hätten sich längst gelöst? Doch ein neuer Fall, Peter?« »Lasst uns nach Hunterman suchen«, schlug ich vor. »Der muss schließlich irgendwo stecken.« »Versuchen wir es mal in der Küche.« Justus trat hinter die Theke, wo sich neben dem Kühlschrank auch ein Herd mit mehreren Kochplatten befand. An der Rückwand gingen zwei Türen ab. Eine war aus Stahl. Sie war verschlossen. »Vielleicht der Heizungsraum«, sagte ich stirnrunzelnd. Die andere Tür ließ sich öffnen. Das Zimmer dahinter war dunkel. Justus tastete nach dem Lichtschalter. Jemand schnaufte. »Warum haben wir bloß die Taschenlampe vergessen?«, zischte ich. Das Schnaufen wurde lauter. Jemand ächzte. Ein säuerlicher Geruch drang in unsere Nasen. Peter griff nach meiner Hand  Im fertigen Bericht weglassen Endlich fand Justus den Schalter, schnell ließ Peter meine Hand wieder los. Im fertigen Bericht weglassen Eine schwache Glühbirne flammte auf und beleuchtete ein chaotisch wirkendes Zimmer. Kleidungsstücke lagen auf dem fleckigen Boden, dazwischen stapelten sich Zeitungen. Auf einem Holztisch in der Ecke verrotteten Essensreste auf mehreren Tellern, neben denen sich leere Bierdosen stapelten. Gegenüber stand ein Bett, von dem sich ein Mann im Unterhemd erhob: Fynch Hunterman. Er schwitzte, seine Glatze glänzte. »Habt ihr mich erschreckt!«, raunzte er. »Hab geträumt! Viel geträumt!« »Entschuldigung«, stammelte ich. »Wir möchten gerne das Zimmer wechseln! Jemand hat das Fenster beschädigt.« Mit einem Schlag war Hunterman hellwach. »Ihr habt ein Fenster kaputt gemacht?«, brauste er auf. Justus übernahm das Wort. »Beruhigen Sie sich doch. Eine uns unbekannte Person hat einen Stein durch die Scheibe geworfen«, sagte er. »Wir waren die Opfer, nicht die Täter!« »Ein Anschlag?«, stöhnte Hunterman. »Geht das schon wieder los? Wartet draußen. Muss mir noch was anziehen!« Wir drei zogen uns in den Speiseraum zurück und setzten uns an einen der Tische. Ein paar Minuten später kam Hunterman, bekleidet mit einer alten, fleckigen Jeans. Das T-Shirt hatte er nicht gewechselt. Offenbar hatte er sich wieder ein wenig beruhigt. Er sah auf uns drei und sein Blick blieb an Peter hängen. »Wir schauen uns das nachher an. Hunger, die Herren?« »Wir haben schon was gegessen«, sagte Peter schnell. Auf ein Gericht aus Huntermans schmieriger Küche konnte er gut verzichten. Aber Justus war das erwartungsgemäß egal: »In mich passt noch eine Menge rein!« Fynch Hunterman lächelte. »Soll ich euch was kochen? Keine Angst. Geht aufs Haus!« »Nein, bitte setzen Sie sich!« ich sprang auf. Das Beste war wohl, alles selbst in die Hand zu nehmen. »Ich übernehme gerne das Kochen, wenn Sie mir zeigen, wo alles ist!« Hunterman zögerte einen Moment, dann willigte er ein. »Habe Eier, Schinken, Kartoffeln, eine Dose Tomaten. Mehr ist leider nicht da. Ich konnte ja nicht mit euch rechnen.« »Ich mache uns ein Rührei«, erklärte ich. Ich warf einen prüfenden Blick auf die Zutaten, sie schienen noch in Ordnung zu sein. Hunterman holte sich eine Dose Bier und setzte sich zu Justus und Peter an den Tisch. »Na, dann erzählt mal. Wie war das mit dem Stein?« Justus berichtete, was geschehen war. Als er fertig war, schloss er mit der Bemerkung: »Mr Hunterman, vorhin sagten Sie so etwas wie: ›Geht das schon wieder los!‹ Was hatte das für einen Hintergrund?« Hunterman stöhnte. »Ich hatte immer mal wieder Ärger hier.« »War das ... Jack, Ihr Nachbar?«, fragte Justus ins Blaue hinein. »Hm.« »Sind deswegen auch mit der Zeit die Gäste weggeblieben?«, fragte Peter. »Vielleicht.« »Früher war Ihr Hotel doch eine Eins-a-Adresse«, schob Justus nach. »Ich habe die Bilder gesehen, die dort an der Wand hängen. Auf dem einen Foto sind doch Sie mit Ihrer Frau?« Mit einem Mal leuchteten Huntermans Augen auf, doch nur einen Moment lang, dann wurde sein Blick wieder stumpf. »Das war Elena, ja, meine Frau. Leider hat sie mich vor ein paar Jahren verlassen und ist weggezogen.« »Das tut uns leid.« Justus machte eine kurze Pause, bevor er auf das Thema zusteuerte, das ihn am meisten interessierte. »Ich habe auch das verunglückte Flugzeug gesehen.« Hunterman zeigte kaum eine Regung. »Ach ja, das Flugzeug. Ist Jahre her.« »In unserem Zimmer haben wir einen Fotorahmen mit einem Artikel über das Unglück gefunden«, fuhr Justus fort. »Der lag wohl schon eine Weile da.« Hunterman schüttelte den Kopf. »Ach, den. Habe ihn vor Kurzem wiedergefunden, lag unter dem Bett, hab ihn aufs Bord gelegt, vergessen. Sorry, die Herren, hätte ihn natürlich noch wegräumen sollen!« »Nein, kein Problem! Im Gegenteil, ich fand die Geschichte sehr interessant. Wie ist der Absturz überhaupt passiert? Ist das Flugzeug im Nebel gegen den Berg geprallt?« Fynch Huntermann lachte kurz auf. »Denk nicht so schlecht von den Aunella Mountains, Junge! Ab und zu gibt es hier auch mal gutes Wetter. Nein, ich erinnere mich gut.« Peter stand auf und kam zu mir in die Küche »Brauchst du Hilfe?« »Nein geht schon« antworte ich. Eine unangenehme Stille legte sich über die Küche, »Wir sollten es Justus sagen« überrascht sah ich Peter an. »Okay« Peter drückte leicht meine Hand und ging dann wieder zurück zu Justus und Hunterman. Im fertigen Bericht weglassen  »War ein wolkenloser Nachmittag, als der Mann notgelandet ist. Das Gewitter kam erst in der Nacht. Hat Tage gedauert, bis wir wieder Strom hatten!« »Und hat man den Verbrecher gefasst?« »Stand dort, es war ein Verbrecher?«, fragte Hunterman erstaunt und trank einen Schluck aus der Dose. »Der Kerl hatte den Besitzer des Flugzeugs niedergeschlagen«, erinnerte ihn Justus. Hunterman sah Justus an, dann Peter. »Nein, ein Gangster war es nicht. Aber stimmt: Das kam erst später heraus!« »Also hat er das Flugzeug gar nicht entführt?« »Doch, das hat er wohl. Aber er war auf der Flucht vor Mördern. Das Flugzeug war seine einzige Chance. In dem Moment hatte er keine Zeit für Erklärungen. War ein Agent, der was Bestimmtes gefunden hatte. Erschlagen hat er den Flugzeugbesitzer nicht, nur unsanft zur Seite gedrängt. Hat bei der Polizeiaussage etwas übertrieben, dieser Besitzer.« »Sie wissen offenbar Näheres?« Hunterman nickte. »Ich erinnere mich noch gut. Polizei kam, Geheimdienst kam, alle haben ihn gesucht. Tagelang. Mein Hotel war voll.« »Und? Haben sie den Piloten gefunden?« Fynch Hunterman nickte. »Spät. Nach einer Woche. Jenseits vom Berg hinter meinem Hotel. Dort steht eine Hütte. Ihn haben sie gefunden, aber nicht die kleine schwarze Box, hinter der sie alle her waren.« »Eine kleine schwarze Box?« Hunterman nickte. »Er war ein Agent, von der CIA.« »Was war in der Box drin?« Ein kurzes Lächeln erschien in Huntermans Gesicht. »Wer weiß das schon? Geheimnis. Haben sie mir nicht gesagt. Vielleicht eine Liste mit verdächtigen Namen? Eine Botschaft? Eine Waffe? Eine Datei? Oder pures Gold?« »Dann hat der Pilot das Kästchen beim Absturz verloren?« »Oder Max Dexter hat es danach versteckt«, sagte Hunterman bedächtig.

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