Später Oder Nie

123 4 17
                                    

Eine neue gesetzeswidrige Story ist da. Viel Spaß.

2017

'Denk dran, auf dem Rückweg noch Kaffee einzukaufen, okay?'

Gyde schnaubte, als sie die Nachricht auf ihrem Handy-Display aufploppen sah. Warum musste sie sich immer um alles kümmern? Warum konnte Linda das nicht selbst machen? Sie trank doch den meisten Kaffee. 

"Vorsicht!"

Gyde blickte erschrocken von ihrem Handy auf. Für einen kurzen Moment hatte sie vergessen, wo sie war. Im Reichstagsgebäude. Auf dem Weg zum Plenum. Shit, sie war gewählt! Sie war MdB und auch, wenn es schon einige Wochen her war, dass sie ihre neue Aufgabe begonnen hatte, ging es doch jetzt erst so richtig los .

"Oh. Gyde, hi."

Gyde blinzelte ein paarmal, bis ihr klar wurde, wer da vor ihr stand. "Hi, Annalena." Schnell steckte sie das Handy in die Tasche ihres Blazers. "Sorry, ich hab nicht geschaut, wo ich hingehe."

"Schlechte Nachrichten?" Annalena deutete auf das Gerät in ihrer Tasche. 

Gyde schüttelte den Kopf. "Nein. Meine Frau will nur wieder, dass ich was erledige. Kennst du bestimmt."

Annalena lachte. "Ja. Heidi macht mich manchmal echt wahnsinnig."

Die beiden sahen sich wortlos an. Es war der Punkt in einem Gespräch, in dem man es entweder beendete oder das sagte, was man eigentlich sagen wollte. Der Punkt, in dem Smalltalk keinen Platz mehr hatte. 

"Ganz schön lange her, was?" Annalena blickte zu Boden. War sie verlegen?

"Ja, stimmt." Gyde dachte zurück an die gemeinsamen Seminare bei Prof. Dr. Hufschmidt, die Hausarbeiten, die sie Seite an Seite in den letzten Stunden vor Abgabefrist in irgendeinem schäbigen Café in die Tasten gehämmert hatten und an die Gespräche über Gott, die Welt und einfach alles - immer nachts und immer bei einem Wein oder einem Cocktail. Und sie dachte an diesen einen Kuss. Diesen einen Kuss, den sie in in einer dunklen Ecke auf einer Juraparty im letzten Semester miteinander gehabt hatten. Über den sie danach nie wieder gesprochen hatten. 

"Vielleicht sehen wir uns jetzt ja öfter", sagte Annalena. 

"Bestimmt." Gyde spürte das Vibrieren ihres Handys in ihrer Tasche. Vermutlich verlängerte Linda gerade die Einkaufsliste. 

"Na dann." Annalena schenkte ihr ein Lächeln. "Bis demnächst."

"Bis demnächst."

Gyde sah ihr hinterher, bis sie aus ihrem Sichtfeld verschwunden war.

-X-

"Beschissenste Party ever, oder?" Annalena schwenkte eine Mischung aus Eiswürfel- und Rum-Cola-Resten in ihrem Glas. 

"Die SPD war noch nie für gute Partys bekannt." Gyde beobachtete, wie Annalena das Glas zum Mund führte, wie es ihre Lippen berührte und die Mischung aus Eis und brauner Flüssigkeit verschwand. 

"Sowas weißt du als Neue also schon?" Annalena grinste. "Du lernst also schnell. Genau wie früher."

Gyde wich ihrem Blick aus und betrachtete stattdessen die letzten Reste der Parlamentarier, die sich noch in der von der SPD-Fraktion gebuchten Bar befanden. Einige saßen halb bewusstlos an Tischen, ein paar andere tanzten zu einer Musik, deren Genre nicht erkennbar war und eine Traube um Claudia Roth und Bärbel Bas schien in Gespräche verwickelt zu sein, die den Anwesenden lediglich auf Grund des Alkoholkonsums als tiefgründig erschienen. Annalena und sie standen am Rand, an einem Stehtisch und wurden von niemandem so richtig wahrgenommen. 

Gegen das Gesetz - Bundestags OneshotsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt