Das Flugzeug landete holprig auf dem Boden, weswegen sich mein Bruder, Min Won, erschreckte und aus Reflex nach meiner Hand griff. Ich streifte ihn mit einem Blick.
Dann sah ich aus dem Fenster und konnte es kaum fassen, wieder zu Hause zu sein. Dennoch war mir noch nicht klar, ob ich glücklich darüber sein sollte, denn wir hatten mehr Zeit im Ausland verbracht als in unserem Geburtsland.
Das Flugzeug kam langsam zum Stehen und man durfte aufstehen. Obwohl ich nicht gut darin war, Emotionen vom Gesicht abzulesen, wusste ich, dass Min Won froh war, aus dem Flugzeug raus zu kommen.
Erschöpft stand ich auf und wir gingen in kleinen Schritten in Richtung Ausgang. Ich wusste jetzt schon, dass der Jetlag schlimm werden wird. So erging es mir auch, als wir vor zwölf Jahren in die Schweiz fliegen mussten. Damals hatte ich einen ganzen Tag geschlafen. Min Won hatte gar keine Probleme gehabt, aber jetzt wirkte er auch etwas kaputt.
Dieser hakte sich bei mir unter, während wir zur Gepäckausgabe gingen. Aus dem Augenwinkel konnte ich erkennen, dass ein Typ uns argwöhnisch musterte, weswegen ich eine Maske aus meiner Jackentasche heraus frimelte und sie anzog. Min Won tat es mir gleich.
Endlich erreichten wir die Gepäckausgabe und warteten auf unsere Koffer. Jedes Mal bekam ich anxiety, dass mein Gepäck verloren gegangen ist, obwohl die Wahrscheinlichkeit relativ gering war.
Min Won bemerkte anscheinend, dass ich unruhig war, da er mir sanft über den Rücken strich.
Bei jedem Koffer, welcher aufs Laufband kam, kniff ich die Augen zu, um zu checken, ob er zu uns gehörte. Und ja, tatsächlich, der nächste Koffer war meiner. Und es dauerte auch nicht lange, bis Min Wons Koffer folgte.
Anschließend durchquerten wir die mehreren Hallen, bis wir beim Ausgang waren. Draußen standen schon Taxis bereit. Es wunderte mich ein wenig, dass Mom nicht zum Flughafen gekommen war. Aber wahrscheinlich war sie schon viel zu müde. Um diese Uhrzeit ging sie meistens ins Bett.
Doch plötzlich fuhr ein schwarzes Auto vor und blieb direkt vor uns stehen.
Der Fahrer stieg aus und kam auf uns zu.
>> Mr Han hat mich geschickt, um euch abzuholen. Ich bitte um Verzeihung, dass ich nicht ganz pünktlich bin. <<
>> Ja, alles gut <<, erwiderte Min Won und ich zum gleichen Zeitpunkt, was Dads Chauffeur, Mr Bae, schmunzeln ließ. Daraufhin nahm er uns das Gepäck ab und verstaute es im Kofferraum, öffnete uns dann jeweils die Autotür, worauf er jedes Mal bestand.
Während der Fahrt fielen mir immer wieder die Augen zu.Das Auto hielt an und ich wurde ruckartig wach.
>> Alles okay? <<, fragte Min Won besorgt. Ich nickte nur und brachte ein mattes Lächeln zustande.
Mr Bae stieg zuerst aus und öffnete uns abermals die Tür. Anschließend hievte er die Koffer aus dem Kofferraum und reichte sie uns.
>> Danke <<, sagten Min Won und ich gleichzeitig.
Mr Bae grinste. >> Ich bin froh, dass Sie wieder in Korea seid. <<
Dann verbeugte er sich und stieg wieder ins Auto, fuhr davon.
Mein Bruder bemerkte, wie müde und schläfrig ich war und hakte sich deswegen bei mir unter. Gemeinsam gingen wir ins Foyer, wo wir mit einer Verbeugung vom Sicherheitsdienst begrüßt wurden.
Der Boden des Eingangsbereichs war mit Marmor verkleidet. Auf der linken Seite gab es mehrere Aufzüge. Eigentlich mochte ich es nicht mit dem Lift zu fahren. Dieser war zwar nicht wirklich klein, aber ich fühlte mich darin extrem eingesperrt, weswegen ich regelmäßig die Stufen nahm, auch wenn ich in den zwölften Stock gehen musste. Doch heute ließ ich mich von Min Won in den Aufzug zerren; mit meiner Müdigkeit konnte ich unmöglich Treppen laufen.
Der Aufzug war mit einem großem Spiegel verkleidet.
Es dauerte keine zehn Minuten, bis wir endlich in unserem Apartment ankamen. Sofort steuerte ich mein Zimmer an, zog meine Jacke aus, das Gepäck ließ ich im Mitten des Raumes stehen und ging ins Bad; gefühlt platzte meine Blase gleich.
>> Willst du noch was essen? <<, drang mir die gedämpfte Stimme von meinem Bruder an die Ohren. Aus Reflex nickte ich.
>> Joonie? Bist du auf der Toilette eingeschlafen? <<
Gerade, als die Türklinke runter ging, kam ich ihm zuvor, und öffnete die Tür.
Erschrocken sah mich Min Won an.
>> Sorry, ich hab mit dem Kopf genickt <<, entschuldigte ich mich.
Er lachte.
>> Worauf hast du Lust? <<, fragte er und sah mich erwartungsvoll an.
Ich zuckte mit den Schultern und wunderte mich, wie er noch so fit sein konnte.
>> Pizza? <<, fragte Min Won, woraufhin ich nickte. Er lächelte und suchte die Telefonnummer raus. Ich musste nicht gefragt werden, welche Pizza ich möchte; Min Won wusste, ich nahm immer das Gleiche.
Ich ging in mein Zimmer und wechselte in gemütliche Kleidung.
Langsam watschelte ich ins Wohnzimmer, welches offen an der Küche angrenzte. Das Sofa, welches mit dunkelblauen Samt überzogen war, war zur riesigen Fensterfront ausgerichtet. Die Aussicht faszinierte mich und schaute für paar Minuten auf das Lichtermeer.
Den Fernseher benutzten wir nur für Streamingdienste.
Die Küche besaß eine Theke, die aus dunklem Material bestand. Generell war das Apartment modern und in dunklen Farben eingerichtet.
Erschöpft setzte ich mich aufs Sofa und schrieb Mom und Dad, dass wir unversehrt angekommen sind.
Für einen Moment schloss ich meine Augen und dämmerte weg. Erst als mein Bruder laut meinen Namen sagte, wurde ich wieder wach und sofort kam mir der Duft von Pizzen in die Nase.
Ich öffnete meine Augen und erschrak mich dabei, denn Min Won sah mich direkt an. Er grinste amüsiert.
Ich setzte mich auf und warf einen Blick auf mein Smartphone. Dad hat zurück geschrieben, Mom noch nicht. Vermutlich schlief sie schon. Wir werden sie so oder so die nächsten Tagen besuchen.
Während wir aßen, schauten wir irgendeine Doku auf Netflix an.Nachdem wir aufgegessen hatten, gingen wir in unsere Zimmer. Min Wons Zimmer war auf der rechten Seite, meins auf der gegenüberliegenden Seite. Zudem hatten wir unsere eigenen Badezimmer, ein Glück. Denn mein Bruder brauchte gefühlt Jahre im Bad.
Da wir bis jetzt nur zwei oder drei Mal hier waren, sah mein Zimmer relativ steril aus. Mit zehn Jahren waren wir mit Mom und Dad in die Schweiz gezogen und wurden dort auch auf eine International High School geschickt. In den Ferien waren wir des Öfteren in Korea gewesen, aber meistens nur an Weihnachten, um mit unseren Großeltern zu feiern, väterlicherseits. Nie hatten wir Kontakt zu der Familie von Mom. Sie vermied es auch über ihre Eltern, und auch über ihre Großeltern, zu sprechen. Ich hatte es nie hinterfragt. Min Won auch nicht. Wieso auch?
Irgendwie schaffte ich es noch Skin Care zu machen. Doch danach ließ ich mich nur noch ins Bett fallen. Ich schaffte es nicht mehr mal mein Smartphone ans Netzkabel anzustecken. Na ja, ich hatte morgen eh nichts Großartiges vor. Zum Glück startete das Semester erst in ein paar Tagen.
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The Missing Bloodline
Mystery / ThrillerEin Mord in einem reichen Wohnviertel verunsichert die Bevölkerung. War es ein Einzelmord oder der Beginn einer Mordserie? Und wieso glaubt Detective Choi, dass der König eine Verbindung zum Täter haben könnte, aber warum? - modern monarchy - Story...