Lilith

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Der Bass hilft meinem Herzen dabei den Alkohol tiefer in meinen Kreislauf zu pumpen. Ausgelassen Wippe ich mit Tess Arm in Arm über die Fläche. Wir stellen unsere nicht vorhandenen Tanzkünste zur Schau, genau wie Chelsea, die allerdings immer wieder von kleinen Gruppen weggezogen wird.
"Und wie läufts?" Fragt meine beste Freundin, als wir am Rand der fläche ankommen. Ich zucke mit den Schultern und Versuche die aufkommenden Überlegungen wegzulachen.
"Soll ich dir was sagen?" Fragt sie mit einem Knuff in meine Schulter über die Musik hinweg. Ihre Lippen kräuseln sich zu einem verschmitzten Grinsen und sie zieht die Augenbrauen verschwörerisch hoch.
Ich weiß, dass sie auf Chelsea anspielen will und nicke halb gegen meinen eigenen Willen.
Ich bin nicht mehr nüchtern genug um rational für meine emotionale Gesundheit gegen ihre hoffnungslosen Spinnereien zu entscheiden, aber auch noch nicht betrunken genug ihr einen Vogel zu zeigen.
Sie kichert ein wenig in sich hinein und sieht sich verschwörerisch um, bevor sie mich näher an sich zieht.
"Denkst du immernoch, dass du nie eine Chance bei ihr hättest?"
Ich verdrehe die Augen und sie schüttelt voller überzeugung den Kopf.
"Ich hab da was gehört." Sie macht eine bedeutungsvolle Pause, als müsste ich wissen worum es geht.
"Angeeeblich hatte sie vor ein paar Jahren mal was...mit einem" sie sieht sich um, als bestände die Möglichkeit, dass uns jemand zuhören würde. Bei dieser Musik ganz bestimmt nicht.
"Mädchen." Mir wird heiß und kalt- und schlecht. Das wäre in der Tat eine interessante Neuheit. Ich schenke meiner Freundin einen verständnislosen Blick und sie versteht bevor ich mit Worten fragen muss.
"Ich kenne eine die eine kennt die sie aus der Mittelstufe kannte."
Das braucht einen Moment um durchzusickern, dann aber schüttele ich den Kopf.
"Jaja und ich kenne wen der mal wen kannte der jetzt wen kennt der schon mal Fallschirmspringen war."
Jetzt schaut sie mich mit großen Augen an und raunt "Wer?"
"Ey Tess. Ich hab dich ja lieb, aber du laberst Stuss."
Nun begreift sie wohl was ich ihr damit sagen will, wirft die Dreads zurück und schnaubt. "Dir ist es vielleicht nicht aufgefallen, aber ich sehe wie sie zu dir rüber schaut." Erklärt sie. Darauf fällt mir nichts zu erwidern ein, mir ist bisher wirklich nicht aufgefallen, dass sie mich anschaut- falls sie das wirklich tut.
Wenn ihr zusammen seid, wie schaut sie mich dann an? Frage ich mich selbst und es ist eine wirklich gute Frage, denn auch darauf fällt mir keine Antwort ein.
"Miss perfekt beobachtet dich schon den ganzen Abend über und nicht nur heute!"
Unauffällig suche ich die Grüppchen in unserer Nähe ab. Tut sie das wirklich?
Auf einmal wird mir schwindelig, ob nun vom Alkohol oder dem Gedanken Chelsea könne mich tatsächlich beobachten.
"Unsinn." Brumme ich, mehr um mich zu beruhigen.
Wir sind Freunde.
Sie steht nicht auf mich.
Sie ist straight.
Ist sie das? Sie hat nie etwas gegenteiliges gesagt.
Außerdem stehe ich ja auf sie, sind wir dann wirklich Freunde? Meine Gedanken beginnen sich zu überschlagen, während Tess versucht mir weis zu machen, Chelsea würde mich ansehen als wolle sie mich mit ihren Blicken ausziehen. Das hätte ich wohl gemerkt. Glaube ich. 
Und dann treffen sich tatsächlich unsere Blicke. Meerblau auf haselnussbraun. 
Ein angenehmes Kribbeln fährt mir über den Rücken und ich schlucke kräftig die Bedenken beiseite. 
Eigentlich ist das alles total egal, es läuft gut. Viel besser als ich es mir je hätte erträumen können. Chelsea, das tollste Mädchen das ich jemals kannte will mit mir Zeit verbringen. Das ist das was zählt, meine Gefühle sind da doch total egal. Oder nicht? Ganz egal was Tess meint zu sehen, das was wir jetzt grade haben reicht mir. 
Ich schüttele den Kopf über meine beste Freundin. Mir ist klar, dass sie mich unterstützen will, aber was nicht ist, das ist nicht. Sie will mein Bestes und überinterpretiert dabei irgendwelche Gerüchte die sie wo aufgeschnappt hat. Das ist alles. 
Mein Blick huscht rüber, an die Stelle, an der Chelsea eben noch stand- wo sie immer noch steht und zu uns rüber schaut. Sie nickt mir mit einem knappen Lächeln zu und wendet sich dann wieder ihrer Gruppe zu. Zwei Jungs, einer aus der Stufe über uns, der andere war bei mir in der Mittelstufe und einige Mädchen.
Mich überkommt der Drang ihr zu beweisen, dass ich ihre Zeit auch wert bin, das wir Spaß haben können. Mit zwei großen Schlucken leere ich meinen Becher, schiebe mich an Tess vorbei und beginne mir meinen Weg zu Chelsea zu bahnen. 
"Hey! Wo willst du hin?" Tess hopst mir hinterher und entdeckt schnell in wessen Richtung ich gehe. 
"Was hast du vor? Hey! Was hast du vor?" 
"Tanzen." Erwidere ich und hoffe einfach, dass ich grade keine Fehlentscheidung treffe. 
"Wie? Was?!" Ich schnappe mir im vorbeigehen einen Drink vom Getränketisch und lasse die überrumpelte Tess links liegen, diese ruft noch "Schnapp sie dir Tiger!", was hoffentlich keiner außer mir versteht. 

ChelseaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt