Kapitel 2

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Die Sonne stand hoch am Himmel, als sich Alin und Nel auf der Straße von Heriban nach Jortuin unter einen Baum in den Schatten setzten.
"Mir knurrt der Magen." maulte Nel.
"Dann zeig mal, was du noch hast." entgegnete Alin und leerte ihre Taschen.
Die Ausbeute war gering: Ein Stück trockenes Brot, etwas Käse und ein kleiner Apfel. Nel brach das Brot in der Mitte durch, Alin zog ihr Messer aus dem Stiefel und teilte auch Käse und Apfel.
"Kau langsam und sorgfältig, das muss eine Weile reichen!"

Alin lebte schon seit mehreren Jahren auf der Straße und wusste aus eigener Erfahrung, dass es schon mal ein paar Tage dauern konnte, bis sie wieder etwas essbares bekamen.

"Warum können wir nicht zu einem Bauern gehen? Die haben doch genug Arbeit. Wir haben ein Dach über dem Kopf und etwas warmes zu Essen." fragte Nel.
"Die meisten Bauern sind der Meinung ein Mädchen taugt nichts für die Feldarbeit. Wenn er nicht gerade einen Haufen Wolle zum spinnen hat, hat er sicher anderes mit dir vor. Vor allem, wenn seine Frau alt und häßlich ist." antwortete Alin.
"Was denn?" fragte Nel. Sie verstand nicht, worauf Alin hinaus wollte.
"Mmh." machte Alin. "Du weißt, ein Mann hat gewisse Bedürfnisse."
"Ja?"
"Oh, Nel! Wie erkläre ich es dir am besten? - Du hast doch bestimmt mal mitbekommen, wie dein Vater mit deiner Mutter..." erklärte Alin und zog eine Augenbraue hoch.
"Hör auf!" Nel hielt sich die Ohren zu. "Davon will ich nichts mehr hören. Das war immer furchtbar! - Ok, ich habe verstanden, was du meinst." sagte Nel schließlich. "Männer sind böse und gemein und wollen immer nur das eine."
"Genau." bestätigte Alin. "Es gibt bestimmt auch nette, aber die sind verdammt schwer zu finden!"
"Gut, wo bekommen wir dann Essen her?" fragte Nel mit großen Augen.
"Iss erstmal auf. Ich habe da hinten ein paar Sträucher gesehen. Lass uns nachsehen, ob noch Beeren dran sind. Und dann machen wir uns auf den Weg. Bis ins nächste Dorf sind es wohl noch ein paar Stunden Fußweg."

Alin war immer wieder erstaunt, wie unbedarft Nel war. Sie lebte erst seit kurzem auf der Straße, da ihre Eltern gestorben waren und keiner sie aufnehmen wollte. Nel hatte bei einem Händler versucht, eine Schale zu stehlen und war dabei erwischt worden. Eine Schale! Alin hatte ihr geholfen in den verwinkelten Gassen zu entkommen. Nun waren sie gemeinsam unterwegs.

Nel strich sich die rotbraunen Locken aus dem dreckigen Gesicht, leckte die letzten Krümel von ihren Fingern und stand auf.
"Wo hattest du die Beeren gesehen?"
Alin lachte. Sie säuberte ihr Messer und verstaute es sorgfältig in ihrem Stiefel. Dann wies sie Nel den Weg.

Als sie sich nach einer Stunde wieder auf den Weg machten, meinte Alin: "Das nächtes Dorf heißt Hansek. Wir sollten uns einen Unterschlupf bauen und versuchen, uns ein paar Vorräte zuzulegen. Bald wird es Winter."
"Das hört sich nach einem guten Plan an." Nel hüpfte fröhlich neben Alin her, doch nach und nach wurde Nel immer langsamer.
"Wie weit ist es denn noch? Ich habe immer noch Hunger!"
"Ich weiß nicht genau. Ich war auch noch nicht hier. Aber da vorne werden die Bäume lichter. Ich denke, da hört der Wald auf, dann sehen wir weiter." muntere Alin ihre Weggefährtin auf.
Und wirklich, bald wurden die Bäume weniger, die Sonne brach immer häufiger durch die Blätter. Am Waldrand blieben sie stehen.
Das Dorf lag in einiger Entfernung vor ihnen zwischen den Feldern. Doch reichten die Bäume an der nördlichen Seite bis auf 5 Schritt an die Palisade heran.
"Oh, das ist ein recht großes Dorf." freute sich Alin.
"Am besten bauen wir uns erst einmal einen Unterschlupf, damit wir heute Nacht einen Platz zum Schlafen haben. Die Sonne steht schon recht tief."
"Wie gut, dass du an alles denkst." sagte Nel. "Ich hätte heute Abend da gestanden und nicht gewußt, wo ich schlafen soll."
"Nun, wenn du länger auf der Straße lebst, dann lernst du schnell, was wichtig ist. Essen ist wichtig, klar, aber ein guter Platz zum Schlafen ist ebenso wichtig. Oder ein Platz, wo du dich verstecken kannst. Also: schau dir die Umgebung an, damit du weißt, wo du am schnellsten weglaufen kannst. Nichts ist schlimmer, als in eine Sackgasse zu laufen, wenn du verfolgt wirst." gab Alin ihre Erfahrung an ihre jüngere Freundin weiter, während sie abseits der Straße durch den Wald liefen.
"Das wäre ja echt doof." antwortete Nel.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Nov 04 ⏰

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