Innere Leere

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Wenn man versuchen würde, die größte Angst eines Menschen in Worte zu fassen, käme man vermutlich auf die Furcht vor dunklen, unbekannten Dingen. Doch für mich trifft das nicht zu. Schon immer hatte ich das Gefühl, anders zu sein als die Menschen in meinem Alter. Die Dinge, die andere glücklich machen, ließen mich kalt. In mir brannte ein anderes Verlangen, eine tiefere Sehnsucht. Es gab so viel mehr, was ich vom Leben wollte: Freiheit an erster Stelle, gefolgt von dem Wunsch nach Glück und einer Familie, einer glücklichen.

Vielleicht denken jetzt viele, sie hätten es hier mit einem weiteren jungen Mädchen zu tun, das mit ihrem Leben nicht zufrieden ist – vermutlich noch eine Folge der Pubertät. 

Es ist einfach, solche schnellen Erklärungen zu finden, besonders für Situationen oder Gefühle, die wir selbst nicht ganz verstehen. Doch tief in uns allen klafft oft eine Lücke, ein unerklärliches „Warum?". Diese Frage treibt uns an, sie weckt unsere Neugier. Und genau diese Neugier ist es, die uns dazu bringt, weiterzulesen, weiterzudenken. Ich hoffe, dass sich da draußen jemand die Zeit nimmt, mir in meinen Gedanken zu folgen. Denn diese innere Leere, die sich als Einsamkeit maskiert, ist ein Gefühl, das viele Menschen kennen, aber nur wenige aussprechen.

Nun, wo fange ich an? Vielleicht bei meiner Kindheit, die ich rückblickend als glücklich beschreiben würde. Ich hatte eine Familie, und unser Verhältnis war gut. 

Es wäre so schön, wenn ich sagen könnte, dass dies die ganze Geschichte ist. Doch leider beginnt meine Geschichte nicht so einfach. Meine Familie hatte viele schöne Tage, aber auch solche, die keine guten Erinnerungen hinterlassen haben. Natürlich ist es naiv zu erwarten, dass das Leben immer perfekt ist; diese Vorstellung von einer Bilderbuchfamilie gehört wohl eher in Märchen. Aber ist es wirklich zu viel verlangt, davon zu träumen? Ist es falsch, sich eine heile Welt vorzustellen, in der alles einfach funktioniert? Vielleicht ist es Naivität, vielleicht auch nur ein Ausdruck unserer tiefsten Wünsche und Sehnsüchte, oder einfache Dummheit. Doch wo ziehe ich die Grenze zwischen Hoffnung und Illusion?

Jeder träumt von einem erfüllten Leben, vom Erreichen seiner Ziele und einem ehrenvollen Abschied aus dieser Welt. Meine Träume jedoch waren einfach, beinahe naiv, und doch so schwer greifbar. Ich wollte gehört und gesehen werden, wahrgenommen als die Person, die ich wirklich bin. Ich sehnte mich nach Akzeptanz. Aber ich weiß, es ist nicht leicht, jemanden zu akzeptieren, der nicht den Erwartungen entspricht, den man anders gekannt hat und der sich plötzlich verändert. 

Ich war gehorsam, habe stets getan, was von mir verlangt wurde, was man von mir wollte oder erwartete. Und wenn es nicht überheblich klingen würde, würde ich sagen, dass ich die perfekte Tochter, Schwester und Freundin war... bis zu meinem 18. Geburtstag. 

Dieser Tag war anders. Ich kann es kaum in Worte fassen, aber in einem Moment fühlte ich mich, als wäre ich aus meinem eigenen Leben gerissen worden, als wäre ich in einen tiefen, dunklen Tunnel gestürzt. Ich sah hinab auf mich selbst, auf die Person, die ich im Hier und Jetzt war, und bemerkte, wie ich mich von den Menschen um mich herum entfernt hatte. Da stand ich, lächelnd, scheinbar glücklich, mit einer Familie und Freunden, von denen ich so lange geträumt hatte. Ich hatte viel erreicht, viele meiner Wünsche waren in Erfüllung gegangen. Doch während ich durch diesen Tunnel schritt, bemerkte ich überall tiefe Risse, die sich durch die Wände zogen, einige Teile waren bereits am Bröckeln. Es fühlte sich an, als würde dieser Tunnel bald in sich zusammenfallen. Dieser Tag, diese Vision, öffnete mir die Augen – schmerzhaft, aber klar und eindringlich. Ich wusste, dass sich etwas ändern musste. Das Leben, das ich bis zu diesem Moment geführt hatte, musste sich ändern. Ich musste beginnen, für mich selbst zu leben, meine Prioritäten neu zu ordnen.

Heute bin ich 21, und wer hätte es gedacht, ich lebe immer noch für andere. Doch nicht mehr in allem. Ich habe angefangen, für mich zu kämpfen, für mich zu leben – nur für mich.

Aber bin ich jetzt glücklicher? Diese Frage stelle ich mir jeden Tag. War dieser Tag, diese Vision, ein Zeichen dafür, dass ich mich ändern sollte? Oder vielleicht eine Warnung, dass diese Veränderung mich langsam, aber sicher zerstören würde? Denn jetzt, da ich begonnen habe, die Augen zu öffnen, sehe ich Dinge, die ich vielleicht lieber nicht gesehen hätte. Sie zeigen mir die innere Einsamkeit, die Leere in meinem Herzen, und konfrontieren mich jeden Tag mit Schmerz.

Also, hat es sich gelohnt? Ich hoffe es hat es, den ich tat es nur für mich.

Nur für michWo Geschichten leben. Entdecke jetzt