Malik
Ziellos irre ich durch die Straßen der Altstadt, völlig verwirrt über meinen verrückt spielenden inneren Kompass. So eine Aktion ist sowas von untypisch für mich. Normalerweise ist die Sache doch klar.
Wir erhalten unsere Aufträge und wissen ganz genau, was wir zu tun haben. Wir müssen nicht recherchieren, niemandem vorher auflauern und schon gar nicht mit ihnen reden oder irgendwie anders Kontakt aufnehmen. Eigentlich beginnt unsere Arbeit ja erst, wenn das Gröbste schon getan ist.
Ich verstehe beim besten Willen nicht, was mich dazu bewegt hat, in diesen komischen Buchladen zu laufen. Diese Frau, die anscheinend dort arbeitet, kann nie und nimmer etwas mit meinem inneren Kompass zu tun haben. Ich meine, immerhin sah sie aus wie das blühende Leben.
Gedankenverloren versuche ich, mir ihr Aussehen zurück vor mein inneres Auge zu holen. Mir Gesichter zu merken, ist eine meiner besonderen Fähigkeit. Quasi eine Jobvoraussetzung.
Sofort sehe ich das wilde braune Haar, ihre grünlich schimmernden Augen und die kleine Stupsnase bildlich vor mir. Kleine Stupnase? Ich muss übergeschnappt sein.
Da fehlt ja nur noch, dass ich sie irgendwie süß finde! Wobei, wenn ich so recht darüber nachdenke, ist diese Frau auf ihre eigene Weise im Gesamtbild wirklich sehr hübsch. So ganz natürlich schön.
»Malik, du verlierst den Verstand!«, mahne ich mich selbst und seufze. »Dein Kompass ist ganz eindeutig defekt. Das ist nicht normal.«
Vielleicht sollte ich mit der Abteilung für Störungen darüber sprechen. Ich kann mir zwar schwer vorstellen, dass es für solche Arten von Ausfällen einen Reset gibt. Aber allwissend bin ich nicht und so ewig mache ich den Job ja auch noch nicht.
Um mich herum wird es zunehmend dunkler. Nichts, was mich stört. Meine Augen mögen die Dunkelheit ohnehin viel lieber als grelles Tageslicht. Und mit dem Abend schwinden auch die Umgebungsgeräusche mehr und mehr. Absolut wohltuend!
Doch plötzlich werden meine Ohren von einem so markerschütternden Knall erfasst, dass ich auf der Stelle zusammenzucke.
»Was zur Höl...«, setze ich an und blicke mich hektisch um.
Doch weit und breit ist nichts erkennbar, was auf das eben vernommene Geräusch hindeutet.
Auf der anderen Straßenseite erblicke ich einen Mann mittleren Alters, der gänzlich unbekümmert den Gehweg entlang schlendert. Hat er den Knall denn nicht gehört?
Erneut versuche ich, in meiner unmittelbaren Umgebung die Quelle des eben Gehörten ausfindig zu machen. Wieder vergebens.
Ich möchte gerade zu einem weiteren Fluch ansetzen, da fällt es mir wie Schuppen von den Augen. Das Geräusch kam nicht von hier! Mit völliger Überzeugung bin ich mir augenblicklich vollends sicher, den Ursprung zu kennen.
Meine Füße scheinen das Ganze schon eher ergründet zu haben, denn noch bevor ich aktiv daran denke, mich in Bewegung zu setzen, tue ich dies bereits. Ähnlich wie vorher, als ich aus dem Hauptquartier aufgebrochen bin.
***
Mit jedem einzelnen Schritt wird der Druck in meiner Brust stärker. Hin und wieder laufe ich an Menschen vorbei, deren dunkle Auren mich beinahe ablenken. Doch ich weiß, dass diese mich gerade überhaupt nichts angehen.
Das hier ist keine Dienstverweigerung, das hier ist ein Dienst. Diese Tatsache ist mir nun völlig bewusst. Auch wenn die Umstände, wie es dazu kommt, außerordentlich merkwürdig sind.
Doch jetzt ist keine Zeit, darüber zu sinnieren. Unter anderen Umständen hätte ich mich vielleicht ausnahmsweise dazu herabgelassen, mir Vaters Rat in dieser Angelegenheit einzuholen. Allerdings ist es dafür nun ein wenig zu spät. Viel zu spät, wenn ich dem innerlichen Gefühl Achtung schenke, das mich immer mehr einnimmt.
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Malik
FantasyAls Ilvy an der Schwelle des Todes steht, bewahrt sie ein mysteriöser Retter vor dem Untergang. Malik, ein Mann ohne Herz und mit einer düsteren Wahrheit, rettet sie aus einer tragischen Situation. Doch seine Taten werfen Fragen auf: Wer ist Malik w...