8 | Ein echter Alleskönner

49 9 21
                                    

"Können wir noch Tanngnióstr und Tanngrisnir besuchen? Bitte." Ich versuchte es mit dem besten Dackelblick aller Zeiten, was Modi mit einem Augenrollen quittierte.

"Aber danach reist du ab."

"Willst du mich so dringend loswerden?"

"Komm mit", erwiderte er darauf lediglich, beantwortete meine Frage somit nicht.

Ich lief ihm mit großen Schritten hinterher, da er es anscheinend besonders eilig hatte. Wenn ich genauer darüber nachdachte, dann war es sogar richtig, nach Hause zu reisen. Schließlich hatte ich keiner Menschenseele gesagt, in welches Abenteuer ich mich gestürzt hatte. Hoffentlich machte sich meine Mama nicht zu große Sorgen, doch wenn ich ehrlich zu mir war, dann machte sie sich nicht nur große Sorgen, sondern überdimensional große Sorgen. Hach, hätte ich ihr bloß Bescheid gesagt ...

Wir kamen bei der großen Weide an, wo Gullfaxi und Sleipnir grasten. Auf Fotos im Internet hatte ich das achtbeinige Ross schon etliche Male in den verschiedensten Variationen abgebildet gesehen, aber Sleipnir nun live zu sehen, war etwas komplett anderes. Ich lehnte mich an den Zaun und betrachtete das zauberhafte Pferd aus der Ferne. Nicht nur Sleipnir sah wie das mystische Wesen aus, das er war, Gullfaxi ebenso.

Die Fellfarbe des achtbeinigen Pferdes erinnerte mich an einen stürmischen Himmel, der uns Regenwetter brachte. Ein wunderschöner Apfelschimmel eben. Im Gegensatz zu Gullfaxis Haarpracht war Sleipnirs Mähne etwas dunkler als sein Fell, genauso wie sein Schweif. Die beiden Kaltblüter sahen, ohne Zweifel, wie wahrhaftige Kriegsrösser aus, auch wenn Gullfaxi aufgrund seiner Farbe freundlicher wirkte.

"Möchtest du nun die beiden Ziegenböcke meines Vaters sehen, oder lieber den Pferden beim Fressen zuschauen?" Modi versuchte gelangweilt zu klingen, doch ich bemerkte aus dem Augenwinkel, wie er mich von oben bis unten musterte. Das ließ mein Herz aus dem dem gewohnten Rhythmus schlagen, obwohl ich meinem Gehirn tunlichst zu erklären versuchte, dass mir die Blicke dieses Asen egal sein sollten.

"Ich möchte Tanngnióstr und Tanngrisnir kennenlernen", bestätigte ich entschlossen. Auf den beiden Pferden würden wir später sowieso reiten und darauf freute ich mich auch schon riesig. Ich wandte mich also von den zwei grasenden Pferden ab und schaute Modi herausfordernd an. "Können wir?"

Das ließ er sich natürlich nicht zweimal sagen, und keine drei Minuten später standen wir vor einer weiteren Wiese, auf welcher ich zwei weiße Ziegenböcke entdecken konnte. Wie sollte es auch anders sein, waren die beiden ebenfalls mit Fressen beschäftigt.

"Hast du genug gesehen?"

Ich rollte mit den Augen. "Du kannst es echt nicht erwarten, mich endlich los zu sein, was? Darf ich die beiden vielleicht streicheln?"

"Streicheln?", fragte Modi verdutzt nach, als hätte er noch nie von diesem Wort gehört.

"Ja?"

"Du kannst es versuchen."

Diese, für mich wirkende, Herausforderung nahm ich gerne an, weshalb ich kurzerhand einfach über den Holzzaun kletterte, nicht mehr hinter mich blickte und mich den beiden Ziegenböcken näherte. Als uns nur mehr wenige Meter trennten, schaute einer der beiden auf, der andere tat es ihm keinen Wimpernschlag später gleich. Sie blieben an Ort und Stelle stehen, musterten mich durch ihre alten, treuen Augen, als müssten sie abwägen, ob von mir eine Gefahr ausging, oder nicht.

"Ich bin Dahlia", stellte ich mich leise sprechend bei ihnen vor. "Und wisst ihr was? Ich liebe Ziegen." Jetzt war ich bei ihnen angekommen, hob vorsichtig eine Hand und kraulte den ersten Bock zwischen seinen Hörnern. Er schien es sichtlich zu genießen, außerdem kam der andere gleich darauf ebenfalls auf mich zugelaufen, als wollte er mir mitteilen, dass auch er gerne gestreichelt werden wollte.

Geliebt von einem GottWo Geschichten leben. Entdecke jetzt