Agatha, die langarmige Rächerin - Teil 1

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Agatha mit den langen Armen - Im Mittelpunkt

Es war einmal ein kleines neunjähriges Mädchen namens Agatha. Sie war allseits beliebt in ihrer Schule und dafür gab es einen besonderen Grund: Ihre ungewöhnlich langen Arme.

Vor nicht all zu langer Zeit hatten viele sie wegen ihrer Arme gehänselt, doch seit Agatha Maria vor dem Absturz in einen Abgrund gerettet hatte, hatten sie alle lieb gewonnen.

Als Agatha am ersten Schultag des vierten Schuljahrs auf den Schulhof kam, winkten ihr ihre Klassenkameraden fröhlich zu.

"Hallo Agatha!", riefen sie, "Wie waren die Ferien?"

Agatha lächelte und antwortete mit einem "Gut!"

Maria kam auf Agatha zu und umarmte sie. Die beiden waren inzwischen gute Freundinnen geworden. "Sag mal Agatha," meinte Maria dann, "Dahinten ist ein Ball auf das Dach des Gebäudes geschossen worden und wir wollen keinen Ärger von Herrn Immerrein kriegen. Meinst du, du kannst ihn für uns holen?"

Agatha ging sofort zum Gebäude und im Nu hatte sie den Ball vom flachen Dach heruntergeholt. "Bitteschön," sagte sie lächelnd und reichte den Ball Anton, der zwar erleichtert schien, sie aber auch komisch anschaute.

"Danke," sagte er forsch und ging mit dem Ball davon.

"Du bist so toll Agatha!", rief Maria und umarmte ihre Freundin noch einmal, "Wer hätte gedacht, wofür lange Arme alles nützlich sein können!"

Im Sportunterricht machten sie an diesem Tag Turnen. Agatha schaffte mit ihren langen und kräftigen Armen fast alles auf Anhieb. Die Lehrerin lobte sie sehr, doch nicht alle konnten sich über ihren Erfolg freuen.

Denn Anton, der alte Freund von Maria war neidisch auf Agatha. Seitdem sie Maria gerettet hatte, drehte sich alles nur um sie. Maria war Agathas beste Freundin und nicht Antons, ständig war sie die Heldin, die den Tag rettete und auch im Sportunterricht hatte sie einen ungerechten Vorteil. Was könnte Anton denn dafür, dass er nicht mit solchen Armen geboren wurde?

Doch egal, wie oft er seinen Freunden sagte, dass Agatha gar nicht so toll war, sie wollten ihm nicht zuhören. Sie waren alle geblendet von den guten Sachen, die ihnen Agatha's Arme täglich bescherten.

Anton erinnerte sich immer noch daran, dass Agatha mal unbeliebt war und ihre Arme auch ein Problem sein konnten. Er hoffte verzweifelt, dass sich nach einer Weile auch diese Seite von Agatha wieder offenbaren würde.

Am nächsten Tag war die Einschulungsfeier der neuen Erstklässler. Die Viertklässler durften eine kleine Sing- und Tanzeinlage zeigen und sich danach hinter die Erstklässler stellen, die auf den Stühlen in der Aula saßen. Agatha genoss die Einweihungsfeier und sie war froh, dass auch sie mit vorführen durfte. In den anderen Jahren hatte man ihr immer verboten, vor Publikum etwas zu machen, da die Leute nicht verschreckt werden sollten.

Gerade führten die Zweitklässler einen Tanz vor, als Agatha eine Wespe neben dem Stuhl eines Erstklässlers entdeckte. Was tat die denn hier drinnen? Könnte Agatha mit ihren langen Armen...?
Sie streckte ihren Arm nach vorne und versuchte, die Wespe wegzuwedeln. Doch sie unterschätzte die Kraft ihrer Arme und sie wedelte nicht nur die Wespe weg, sondern die ganz letzte Stuhlreihe.

Kinder kreischten und fielen auf den Boden, Stühle krachten mit ihnen runter und ein Junge weinte plötzlich ganz entsetzlich auf. Agatha stand noch da, schockiert und vor Angst eingefroren, als er schrie: "Ich würde von einer Wespe gestochen!"

Die Mutter eilte herbei und rief, man müsse einen Krankenwagen rufen. Die Augen des Jungen schwollten an und er könnte nur noch schwer atmen. Wie sich später herausstellte, hatte er wohl eine Wespenallergie.

Nachdem der Krankenwagen gekommen war und die Schulleiterin Frau Schiffbruch noch versuchte, alle zu beruhigen, drehte sich Anton zu Agatha um.

"Das war deine Schuld! Wenn du nicht mit deinen Armen herumgewedelt hättest, hätte der Krankenwagen nicht kommen müssen!"

"Aber ich wollte doch nur-"

"Seht ihr, wie egoistisch sie ist?", fragte Anton in die Runde, "Sie muss immer im Mittelpunkt stehen und dann passieren solche schlimmen Sachen."

Agatha sah, wie ein paar Leute nickten. Sie spürte einen dicken Kloß in ihrem Hals.

Hilfesuchend sah sie Maria an, doch die schüttelte nur mit Tränen in den Augen den Kopf. "Meine Schwester hat eine Wespenallergie, wusstest du das? Der Junge hätte sterben können!"

Agatha merkte, wie sich nun alle gegen sie wandten und sie weinte fast verzweifelt los. Bevor jedoch irgendetwas anderes noch passieren konnte, kam Frau Pokelpilz mit hektischen Schritten angerannt.

"Agatha, deine Mutter ist hier, um dich abzuholen," presste sie wutunterdrückt hervor, "Geh!"

Agatha blinzelte die Tränen weg und drehte sich von ihren Klassenkameraden weg, hin zu ihrer Mutter, die mit verschränkten Armen im Türrahmen stand. Und dann rannte sie aus dem Raum hinaus.

Agatha mit den langen ArmenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt