Kapitel 1

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Frustriert schlug ich den Laptop zu. Das durfte doch nicht wahr sein! Seit Monaten versuchte ich mit stetig persönlicher werdenden phishing Mails Zugang zu dem mysteriösen Milliardär zu erlangen. Ohne Erfolg.

Gabriel Dupont blieb ein Geheimnis mit sieben Siegel. Entgegen seinem biblischen Vornamen sah er alles andere als wie ein Engel aus. Im Gegenteil... Die dunkeln Haare unterstrichen den intensiven Blick aus seinen eisblauen Augen. Ich stand ihm noch nie gegenüber, doch er hatte etwas Einschüchterndes an sich.

„Alison!" Ich zuckte zusammen, ehe ich mich zu Mark umdrehte. Mit verschränkten Armen stand er da. Ich nahm an, das war nicht das erst Mal, dass er versuchte meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.

„Hast du immer noch nichts zu Dupont?! Verdammt, unser Auftraggeber reißt uns in Stücke und wirft uns den Wölfen zum Fraß vor, wenn wir nicht bald liefern!" Ich zog erschrocken den Kopf ein. Mark drehte ab, um in der Küche lautstark mit Töpfen zu hantieren und seinem Ärger Luft zu machen.

Wir wohnten nun bereits seit einiger Zeit zusammen in dieser viel zu kleinen Wohnung und gingen unseren Cyberaktivitäten nach. Wir starteten mit flächigen phishing Mails und dem Verkauf von Daten, erarbeiteten uns einen gewissen Ruf und bekamen seither auch gezielte Aufträge. Egal ob erfolgreicher CEO, hochdekorierter Politiker oder einfach nur Streit um die gemeinsame Villa in einem Scheidungsprozess, wir lieferten die gewünschten Druckmittel. Und wir lieferten schnell.

Trotz der bescheidenen Lebensumstände hatten wir gut gefüllte Konten. Natürlich nicht bei der hiesigen Bank, das wäre zu auffällig. Wir planten nach dem nächsten größeren Coup endlich getrennte und unserem Einkommen entsprechende Unterkünfte auf weit entfernten Inseln mit Dauersonne, ansprechenden Steuerregelungen und guten Internetverbindungen zu beziehen.

Dieser eine große Coup sollte Gabriel Dupont sein. Milliardenschwer, gutaussehend, Frauenheld und auch politisch engagiert. Mit einem Haken: Niemand wusste, wie er sein Geld verdiente. Und ich wollte es um alles in der Welt herausfinden. Na gut, nicht nur ich. Auch unser Auftraggeber, der langsam aber sicher ungeduldig wurde. Außerdem war er von der Kategorie, die man lieber nicht verärgern sollte.

Er hatte von Anfang an um persönliche Treffen gebeten. Normalerweise ließen wir uns auf solche Geschäftspraktiken nicht ein sondern agierten nur über verschlüsselte Chats mit unseren Auftraggebern. Doch die Menge an Geld, die er geboten hatte, war einfach zu verlockend gewesen. Nun bereute ich es, mich darauf eingelassen zu haben.

Mit Grauen dachte ich an das letzte Treffen zurück. Der übergewichtige Mann strapazierte den Stuhl in dem kleinen unscheinbaren Café so über, dass es mich nicht gewundert hätte, wenn er jeden Moment zusammenbrach. Mit steigendem Ekel beobachtete ich schweigend, wie er sich Löffel um Löffel Sahne, Torte und noch mehr Sahne in den Mund schaufelte. Es war widerlich. Dazu schnaufte er, als wären seine Atemwege kurz vorm Verstopfen, ähnlich wie seine Blutgefäße. Es war ein Wunder, dass er überhaupt noch laufen konnte. Wahrscheinlich trennte ihn nur noch ein Stück Torte vom Rollstuhl.

„Eine Million", ließ er sich zwischen zwei Löffeln vernehmen. Ich versuchte keine Miene zu verziehen. Eine Million für Informationen darüber, wie Gabriel Dupont zu seinem Geld kam? Keine Geliebte, keine Unternehmendgeheimnisse, kein Missgeschick aus seiner weiten Vergangenheit, sondern einfach nur die Information darüber, wo das Geld herkam?! Es klang zu schön, um wahr zu sein. War es auch, wie ich später feststellen musste.

Das Geld ließ sich einfach nicht zurückverfolgen. Es schien, als wäre es aus dem Nichts einfach da. Mit Bareinzahlungen, die Dupont persönlich vornahm. So ein Mist!

Mark schlug die Pfanne so schwungvoll auf den Herd, dass es mich wunderte, nicht von umherfliegenden Splittern des Ceranfeldes getroffen zu werden. Ich war seine Wutanfälle so leid. Am Anfang hatte er wie der freundliche Nachbarssohn von nebenan gewirkt. Mittlerweile sehnte ich den Tag herbei, an dem sich unsere Wege trennten.

Plötzlich hielt er inne und drehte sich zu mir. Der Ausdruck auf seinem Gesicht verhieß nichts Gutes.

„Du wirst ihn treffen müssen." Ich blinzelte.

„Ich soll was?" Mark nickte wie zu sich selbst, als würde er sich zu diesem Einfall gratulieren.

„Du wirst dich mit ihm treffen. Warum bin ich da nicht eher draufgekommen? Wir stecken dich in ein hübsches Kleid. Wenn er abgelenkt ist, wirst du die Daten von seinem Handy spiegeln. Das ist genial." Mit weit aufgerissenen Augen schüttelte ich den Kopf.

„Das ist überhaupt nicht genial! Ich kann doch nicht..."

„Und wie du kannst. Ich hol dir ein Kleid. Versuch du daraus etwas verlockendes zu machen." Mit einer kreisenden Handbewegung beschrieb er meinen Kopf. Dann griff er nach einer meiner dunkelbraunen Locken.

„Hier hilft wahrscheinlich nur eine Perücke", murmelte er mehr zu sich selbst als zu mir, während der die lange Strähne durch seine Finger gleiten ließ. Wortlos drehte er sich auf dem Absatz um und verließ die Küche. Wenig später krachte die Tür ins Schloss.

Wie betäubt stand ich auf und schaltete den Herd aus, bevor das Öl in der Pfanne in einer Stichflamme endete. 

Deceptive SchemeWo Geschichten leben. Entdecke jetzt