Prolog

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P R O L O G
Zwei Jahre zuvor

Im breiten Horizont strecken sich die Sonnenstrahlen der aufgehenden Sonne. Auf dem Hang eines steinigen Bergs steht ein junger Mann neben seinem Vater. Hinter ihnen sind ein dutzend militärische Zelte aufgeschlagen. Gemeinsam beobachten sie wie das erste blasse Licht langsam die Dunkelheit fortschiebt.

»Wo ist er?«, fragt der junge Mann. Sein Vater blickt ihn nicht an. »Er ist dein Leutnant. Vergiss die Formalitäten nicht Hauptmann Ali Mahmoud Issa Serrano.« Der ältere Mann richtet seine barsche Antwort an den noch immer trüben Sonnenstrahl. »Er hat seit dem er den Befehl erteilt hat sein Zelt nicht mehr verlassen.«

»Die Menschen werden sich auf den Straßen zusammenrotten, wenn das zu der Öffentlichkeit durchsickert. Nicht nur diese Vergewaltigung auch das Massaker. Es wird für interne Unruhen sorgen. Es werden Soldaten meutern wenn das publik wird.« Endlich wendet sich der Vater seinem Sohn zu. Tiefe Augenringe umringen die müden reservierten Augen des alten Mannes. »Meutern werden sie. Empören sollten sie. Sie werden kämpfen wollen. Und du wirst sicherstellen, dass ihr Kampf zu nichts führt. Das ist deine Pflicht gegenüber deinem Land, deiner Familie und deinem Leutnant, und du wirst sie ausführen. Hast du verstanden?« Der junge Mann fährt sich durch das helle Haar und atmet bedrückt aus. Er schweigt kurz. »Ich habe verstanden.«

»General Issa Serrano?« Sein Vater wendet sich dem Soldaten zu, der hinter ihnen steht. »Sie wurden festgenommen und hingerichtet. Leutnant Jamal Diàz hat mir das hier für Sie gegeben.« Der Vater nickt und der Soldat geht fort, nach dem er ein Notizblatt hinterlässt. Wieder blicken beide Männer in den Himmel. Dann senken sich die dunklen Augen des Vater auf die Notiz.

»Du musst groß und stark werden kleiner Bruder. Wenn du dich rächen willst, musst du stärker werden. Deine Treue und Loyalität steht dir im Weg. Dein zu großes Herz. Heute hast du meinetwegen deine eigenen Männer hinrichten lassen und morgen wirst du dir eigenständig den Strick um den Hals legen. Ein tausend leben für das eine, das du nahmst. Ich nimm dir alles.«, liest der Vater laut. Ein einzelner Regentropfen trifft den ausgedörrten Abhang auf den sie stehen und versickert in dem lehmbraunen Stein. Ein anderer prallt auf den Ansatz eines Laubblattes und rinnt sich dem Stab herab.Der Himmel beschattet den Platz mit einem trüben Grau. »Da hast du deinen Beweis. Es war Er, wie vermutet. Es war dieser Phantom.« In der Stimme des Generals liegt stiller Kummer. Der junge Mann antwortet nicht sofort. »Das kann er nicht durchhalten, Vater.«

»Doch das kann er. Er ist stark. Jamal kommt ganz nach seinen Vater.«
»Du hast Jamal nie verstanden. Es geht hier nicht um Stärke sondern um Substanz. Was er tun muss, dieser Vergeltungstrip, wird alles vernichten, was ihn ausmacht, und nur eine leere Hülle zurücklassen - einen Schatten dessen was er einmal war.« Der General verzieht das Gesicht. »Glaubst du ich habe mir dieses leben für den Sohn meines Bruders gewünscht? Ich würde mich in mein eigenes Blut ertränken, wenn das seinen Durst nach Rache stillt. Und selbst wenn Jamal davon ablässt wird es sein abtrünniger Bruder nicht. Wir können dieses Trauerspiel nicht verhindern. Uns bleibt keine andere Wahl als diesem missratenen Mann, der das Leben deines Leutnants zur Asche glühen will, mit aller Gewalt entgegenzuhalten, damit sich das gestrige Ereignis nicht wiederholt.«

Der Junge Mann schüttelt fassungslos den Kopf. »Ich weigere mich das zu glauben. Es muss einen Weg geben all das Leiden zu beenden!«
»Ali ...«
»Es muss einen Weg geben Jamal vor sich selbst, vor diesem Monster, zu dem er wird, zu retten. Es gibt einen Weg! Und den werde ich finden.« Mit diesen Worten wendet sich der junge Mann vom Abhang ab und steigt den steinigen Weg zu den Zelten ab.


Tief verborgen, inmitten all dieser Zelte und Soldaten, sitzt in dem größten Zelt ein Jüngling mit dreiundzwanzig Jahren allein vor einem Tisch aus polierten Ebenholz. Jamal lauscht dem Regen, der gedämpft auf der Zeltdecke klopft. In seinen bernsteingelben Augen spiegelt sich das einzige Licht im Raum.

„Ich mach dir das Leben zur Hölle kleiner Bruder. Ein tausend Leben für das eine. Ich will dich Leiden sehen, also werd schnell groß und stark damit ich dir den Gnadenstoß verpassen kann. „

Er stützt die Ellbogen auf den Tisch und massiert sich überlastet das schmale Nasenbein. Dann schließt er die Augen und lässt die Worte in seinen Ohren ausklingen.
»Leutnant Jamal, der Generalleutnant ist so eben eingetroffen, er erwartet Sie in seinem Zelt. Der Generalleutnant ruft zu einer Krisensitzung aller Kommandeure der DSKB (Division Schneller Kräfte der Bodentruppen), Einheit A12.« Jamals Augen sehen zu dem Soldaten an seinem Zelt emotionslos auf. Er nickt.

Seine schmalen Finger schieben die Zelttür auf. Sein emotionsloser Blick geht durch die Runde. Um einen langen Tisch stehen sein Onkel, sein Cousin, Truppenführer der ersten Einheit Tarig und Truppenführer der zweiten Einheit Liam. An der Spitze des Tisches steht der Generalleutnant, der Einzige in diesem Raum der ihm im Dienstgrad übersteht.

Die Augen seines Vorgesetzten spucken Feuer. Der Generalleutnant sieht unentwegt zu dem jungen Leutnant. »Du hast fünf Soldaten hinrichten lassen? Fünf deiner eigenen Männer?« Die tiefe Stimme des obersten Generals unterliegt immenser schärfe und subtiler Angriffslust. Er setzt schulterbreit seine Handflächen an den Tisch und sieht Jamal bedrohlich an. »Es wird ein Disziplinarverfahren gegen dich geführt. Eine Vergewaltigung und fünf massakrierte Söldner in einer fünftausend Mann Truppeneinheit.
In deiner Einheit

Sein Blick schweift über alle Anwesenden im Raum.
»Ihr seid der KSK, ein Truppenteil auf Brigadeebene und nicht in selbstständige Truppenteile gegliedert.« Sein Blickfeld grenzt sich wieder auf den jungen Kommandanten ein. »Du bist der Kommandant und Leutnant dieser spezial Einheit mit fünf tausend Mann, richte deinen Fokus das nächste mal bevor du solche himmelfahrtkommandischen Vergeltungsmaßnahmen planst, darauf. Jeder dieser Männer hier hat Familie. Was soll ich diesen Familien nun sagen? Was soll ich sagen ohne das Militär dabei zu belasten?« Der Generalleutnant fährt sich unruhig durchs Gesicht. »Das darf niemals auch nur die Oberfläche der Öffentlichkeit tangieren. Das ist eine Katastrophe -«
»Generalleutnant, so eben hat uns die nationale Polizei darüber verständigt, dass sich die vergewaltigte Soldatin das Leben genommen hat«, unterbricht ihn ein Soldat der die Sitzung stürmt.

Jamals Blick wird kühler als sein Kopf die Nachricht registriert. Die Luft im Raum wird dicker. General Issa Serrano senkt gekränkt den Blick. Tarig und Liams Gesichtsfarbe ändert sich und Ali stürmt aus dem Zelt.
Der Generalleutnant wird schlagartig blass und knöpft sich zitternd mit einer Hand die Uniform auf. »J-Jamal ...«, wispert er.
»Wir müssen den Schaden eingrenzen. Hol' mir diesen Hund. Ich will den Mann der meine Truppen durcheinander gerüttelt hat, Jamal. Ich will den Mann der veranlasst hat, dass eine Soldatin aus dieser Einheit von fünf Mann vergewaltigt wird! Ich will diesen Mann, der das Mädchen zum Suizid getrieben hat!«

»Ist das ein Befehl?«, fragt Jamal gelassen und beobachtet abgeklärt aus seinen hellen Augen seinen Vorgesetzten. »Es ist kein Befehl. Diesen Mann zu fassen wird deine Lebensaufgabe. Du wirst deine stärksten Männer mitnehmen und mir gefälligst diesen streuenden Hund vor die Füße werfen.« Der Generalleutnant schlägt seine gesamte Wut in den langen Tisch ein, die Gläser klimpern bei dem Einschlag laut. »Wie Sie befehlen, Generalleutnant.« Jamal salutiert traditionell, während die Leere aus seinen Augen sprüht. Der Hass, der ihn zerfressen will, findet Platz in der Euphorie Jagt auf den Phantom zu machen, der Jamals Unschuld und Kindheit auf dem Gewissen hat.


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Verliebt in ihn. Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt