Kapitel 1

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Der Regen prasselte sanft gegen mein Fenster und ließ die Welt draußen in ein gedämpftes Grau tauchen. Das Geräusch der Regentropfen war beruhigend und schuf eine Atmosphäre der Ruhe. Ich blickte zur Decke und erinnerte mich daran, wie ich vor einem Jahr von New York nach London gezogen war. Es war kaum zu fassen, dass meine Eltern, obwohl sie von meinem Entschluss nicht begeistert waren, schließlich respektiert hatten, dass ich meinen eigenen Weg gehen wollte.

Mein Vater, Anwalt, und meine Mutter, Ärztin, waren nicht gerade begeistert davon, dass ich soziale Arbeit studierte, aber ich liebte es, Menschen zu helfen und für sie da zu sein. Die Entscheidung, mich selbst auf die Beine zu stellen, bedeutete mir viel, auch wenn der Druck, den Erwartungen meiner Eltern gerecht zu werden, manchmal erdrückend war.

Ich schlüpfte aus den Decken und ließ meinen Blick durch mein kleines, gemütliches Londoner Apartment schweifen. Der Gedanke, mich nach einem langen Tag an der Universität in ein gutes Buch zu vertiefen, war für mich der Inbegriff eines perfekten Abends. Am Wochenende arbeitete ich in einer Bar, und dreimal in der Woche engagierte ich mich in einem Obdachlosenheim, um mir etwas dazuzuverdienen. Diese Routine war anstrengend, aber ich fühlte mich dabei erfüllt.

Der Weg zur Uni war bei diesem Oktoberwetter besonders melancholisch, aber auch schön. Der frische Regen ließ die Straßen glänzen und verlieh der Stadt eine fast magische Atmosphäre. Während ich durch die Stadt schlenderte, dachte ich über die Herausforderungen nach, die mein Studium mit sich brachte. Es war eine Phase des Lebens voller neuer Eindrücke, und ich war entschlossen, mein Bestes zu geben.

Während des Vormittags saß ich in der Uni-Kantine, als Cassy und Amy hereinkamen. Ihre Stimmen waren laut und voller Energie. „Nora, du hast schon gehört, was heute Abend abgeht?" fragte Cassy enthusiastisch.

„Nicht wirklich", antwortete ich, während ich an meinem Kaffee nippte. „Ich wollte mich eigentlich nur in Ruhe mit einem Buch entspannen."

Amy setzte sich neben mich und grinste breit. „Wir haben eine Einladung zu einer riesigen Hausparty bekommen. Es wird der Abend des Jahres!"

Ich schüttelte den Kopf. „Oh, das klingt sicher nach Spaß, aber ich habe wirklich keine Lust auf eine laute Party. Ich wollte einfach nur meine Ruhe haben, das ist der erste Abend, an dem ich mich mal entspannen kann. Sonst habe ich immer etwas zu tun."

Cassy ließ sich nicht entmutigen. „Komm schon, Nora, du solltest unbedingt mitkommen. Du verbringst zu viel Zeit mit Lernen und vergisst, wie man lebt. Und übrigens, wir holen dich um 23 Uhr ab."

Ich sah sie verblüfft an. „Um 23 Uhr?"

Amy lächelte und erklärte: „Ja, die Party fängt erst richtig um Mitternacht an. Wir fahren um 23 Uhr los, um rechtzeitig dort zu sein und vielleicht ein paar Blicke von heißen Männern auf uns zu ziehen."

Bevor ich antworten konnte, läutete die Glocke, und es war Zeit für den nächsten Unterricht. Cassy und Amy standen auf und lächelten mir aufmunternd zu. „Wir sehen uns später", sagte Cassy und zog Amy hinter sich her.

Allein am Tisch sitzend, ließ ich die Gedanken schweifen. Die Vorstellung einer lauten Party stand im Gegensatz zu dem ruhigen Abend, den ich mir erhofft hatte. Vielleicht hatten sie recht – vielleicht sollte ich auch mal aus meiner Komfortzone herauskommen. Die Möglichkeit, den Abend anders zu verbringen als geplant, ließ mich zögerlich darüber nachdenken.

Der Rest des Vormittags zog sich endlos hin, und ich versuchte, mich auf den Unterricht zu konzentrieren. Die Vorstellung eines Abendabenteuers war ein ungewohntes Gefühl, das ich nur schwer einordnen konnte.

Als ich in meiner Wohnung ankam, begrüßte mich wie gewohnt die ruhige Atmosphäre. Der Gedanke an die bevorstehende Party ließ mich jedoch unruhig werden. Ich stellte meinen Rucksack auf dem Stuhl ab und machte mich auf den Weg ins Schlafzimmer. Der Plan, ein kurzes Nickerchen zu machen, um mich von dem Tag zu erholen, schien mir zunächst verlockend.

Doch kaum hatte ich die Augen geschlossen, wurde ich von einem Albtraum ergriffen. Die Wände in meinem Traum schienen sich endlos zu dehnen, und eine bedrückende Schwere lag in der Luft. Geisterhafte Gestalten schwebten um mich herum und versuchten, mich in die Tiefe zu ziehen. Der Stress und der Druck, die mich erdrückten, fühlten sich so real an, dass ich fast den Atem anhielt. Ich kämpfte verzweifelt, um mich zu befreien, doch die ganze Szenerie war so intensiv und erdrückend, dass ich keinen Ausweg finden konnte.

Als ich schließlich aufwachte, war ich schweißgebadet. Die Ruhe meines Zimmers wirkte im Vergleich zu dem, was ich gerade durchlebt hatte, fast trügerisch. Ich versuchte, die beängstigenden Eindrücke abzuschütteln und atmete tief durch, um mich zu beruhigen. Mit dem Gedanken, dass es bereits 20:30 Uhr war, beschloss ich, schnell unter die Dusche zu springen, um mich auf den Abend vorzubereiten.

Das warme Wasser prasselte beruhigend auf mich herab und half mir, die unangenehmen Eindrücke des Traums abzuwaschen. Ich genoss die sanfte Berührung der Wassertropfen auf meiner Haut, die mir halfen, mich zu entspannen und die Anspannung des Tages abzulegen.

Nachdem ich mich frisch gemacht hatte, begann ich, mich für den Abend vorzubereiten. Ich betonte meine grünen Augen mit Wimperntusche und etwas Glitzer, ließ meine braunen Haare in sanften Wellen fallen und zog eine Mom-Jeans zusammen mit einem weißen, engen Oberteil an. Schmuck und ein Hauch Parfüm vervollständigten mein Outfit. Beim Blick in den Spiegel versuchte ich, mich auf die bevorstehende Nacht einzustellen. Während ich mich betrachtete, zweifelte ich an mir selbst und fragte mich, ob ich wirklich gut genug aussah. Die Gedanken wirbelten durch meinen Kopf, und ich konnte mich nur schwer auf das kommende Abenteuer vorbereiten.

Die Klingel riss mich aus meinen Grübeleien. Als ich die Tür öffnete, standen Cassy und Amy da, ihre Energie und Vorfreude waren sofort spürbar.

„Na, fertig für den Abend?" fragte Cassy begeistert.

„Eigentlich nicht", antwortete ich und verdrehte die Augen. „Ich habe mich gerade erst fertig gemacht."

„Es ist schon 23 Uhr, und wir haben gesagt, wir holen dich jetzt ab", fügte Amy hinzu.

„Ja, lass uns auf Männerjagd gehen", sagte ich sarkastisch. „Ich hoffe, da sind heiße Typen", fügte Cassy schmollend hinzu.

„Zu 100%, Cassy", sagte Amy lachend. „Und wenn nicht, wird's auch Spaß machen!"

Die beiden waren so aufgedreht und fröhlich, dass ich nicht anders konnte, als mitzulachen. Während wir in ihrem Auto saßen und durch die beleuchteten Straßen fuhren, sahen wir die Lichter Londons durch die Fenster flimmern. Cassy und Amy plauderten angeregt über die Jungs, die sie hoffentlich auf der Party treffen würden. Ihre Gespräche waren ein deutlicher Kontrast zu dem, was ich mir für den Abend vorgestellt hatte.

„Ich verstehe nicht, wie ihr euch so auf Jungs fixieren könnt", sagte ich. „Ich hätte keine Zeit, mich mit jemandem zu treffen."

„Ach, Nora, entspann dich mal! Du musst auch mal aus deiner Komfortzone rauskommen. Vielleicht findest du ja jemanden, der dich auf andere Gedanken bringt", lachte Cassy.

Als wir vor dem Haus ankamen, in dem die Party stattfand, hörten wir bereits die laute Musik und sahen die bunten Lichter durch die Fenster strahlen. Das Gebäude war beeindruckend groß und hell erleuchtet. Der Gedanke an die Party machte mich ein wenig nervös, aber auch neugierig.

„Wow, das sieht wirklich nach einer riesigen Party aus", murmelte Cassy, während sie die Lichter bewunderte.

„Lass uns rein gehen", sagte Amy entschlossen, und wir machten uns auf den Weg zur Tür.

Kaum waren wir drinnen, wurden wir von einer Mischung aus Schweiß, Rauch und Alkohol empfangen. Die Musik war ohrenbetäubend, und überall waren Menschen, die tanzten und tranken. Überall lagen leere Becher herum, und einige Paare knutschten auf der Couch oder taten intimere Dinge. Der Anblick war überwältigend und ließ mich kurz zögern. In meinem Unterbewusstsein fragte ich mich, was ich hier eigentlich machte, und ein innerlicher Streit begann.

„Amy, du trinkst? Du fährst doch", sagte ich besorgt, als ich sah, dass Amy ein Glas Alkohol in der Hand hielt.

„Keine Sorge, du fährst", erwiderte Amy mit einem frechen Grinsen. „Nicht dein Ernst, Amy!"

Ich nahm einen Schluck Sprite und versuchte, meine Überfürsorglichkeit abzulegen. Der Anblick der Party war überwältigend, aber vielleicht würde ich mich doch noch daran gewöhnen.

Zwischen Licht & Dunkelheit Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt