Manchmal überkam mich das Gefühl etwas zu erleben. Ein Abenteuer zu bestreiten. Nichts zu verpassen. Einfach mal etwas zu wagen. Ohne Rücksicht auf Verluste, ohne auf meine eigentliche Angst zu achten, die tief in mir schlummerte und mich jedes Mal daran erinnerte, wenn ich mich etwas Neues trauen wollte, dass es übel ausgehen könnte und ich mich damit in Gefahr begab.
Pah! Pustekuchen! Nicht so! Nicht heute..."Du packst das schon, Y/N", sagte meine zuckersüße Freundin gerade, als sie mich am Flughafen abgesetzt hatte und drückte mich zum Abschied noch einmal fest. Zu fest. Und zu lange, sodass sich mein Kopf doch einen Rückzieher überlegte. Doch mein innerer Schweinehund, dem ich liebevoll dem Namen Hans Maul gegeben hatte, was an Halts Maul anknüpfte, weil er absolut nichts mehr zu sagen hatte, meldete sich still und leise zu Wort. Nicht heute, Hans! Nicht heute. Heute werde ich das hier durchziehen. Ich habe es schon so weit gebracht!
"Ich habe schon ein wenig Angst", sagte ich verunsichert, doch meine Freundin schenkte mir daraufhin nur einen drohenden Blick.
"Nichts da. Du wirst das jetzt durchziehen, kapiert? Du hast es bis hierhin geschafft und du wirst es auch dorthin schaffen. Auch wenn ich denke, dass Japan echt ein krasses Ziel ist, um die erste alleinige Reise anzutreten...", sie verharrte kurz, "...Zweifel off. Das wird schon."
Noch ein letztes Mal nahmen wir uns in den Arm, denn es wurde Zeit, dass ich meine Koffer ins Flugzeug bekam. Ich seufzte gestresst aus und mein Darm signalisierte mir, dass ich schleunigst eine Toilette auffinden musste.
"Hab dich sehr lieb", sagte ich zu meiner Freundin, die dies nur erwiderte.
"Ich habe dich auch sehr lieb. Und bitte, melde dich sofort, wenn du angekommen bist."Nachdem ich es mit Bravur von der Toilette bis zum Check-In geschafft hatte, vielen mir schon mal dreißig Steine vom Herzen. Mittlerweile hatte ich mich gut zurechtgefunden und stand nun in der Schlange zum Schalter, wo ich gleich meinen Koffer abgeben würde. Auch das war easy und ich war glücklich, denn nun hatte ich einen Aufenthalt von genau einer Stunde, bevor mein Flug losgehen würde. Fast zwölf Stunden reine Flugzeit warteten auf mich. Klar, ich musste auch direkt übertreiben. Anstatt erst mal für ein paar Stunden nach Holland ans Meer zu fahren, nein. Ich musste Hans Maul direkt beweisen, dass ich mehr war, als nur eine ängstliche Hülle. Dass auch ich es schaffen konnte, Dinge zu tun, die ich für mich persönlich immer für unmöglich gehalten hatte. Und nun war der Zeitpunkt gekommen.
Mein Therapeut würde stolz auf mich sein, wenn ich ihm von meiner Reise erzählen würde. Denn auf diesen Moment hin hatten wir lange hingearbeitet. Du kannst diese Dinge, genau wie alle anderen durchziehen. Du musst nur an dich glauben. Frage dich immer wieder, wenn du an dir zweifelst, ob das, was du vorhast, wirklich so schlimm ist. Was im schlimmsten Fall passieren würde. Und dann wirst du feststellen, dass überhaupt nichts Schlimmes passieren kann. Und selbst wenn, dass du immer eine Lösung finden wirst.
Jax war ein cooler Therapeut. Er war noch recht jung, nahm mich aber stets ernst und schien wirklich viel Ahnung von seinem Job zu haben. Er brachte viel Witz und Motivation in unsere Gespräche und ich war ihm sehr dankbar, denn ohne seine Hilfe, hätte ich diese Reise wohl niemals beschritten.
Bing Bong. Eine Durchsage drang in meine Ohren. Ich konnte mich nun zum Schalter begeben, um in den größten Vogel der Welt einzusteigen. Und ab diesem Zeitpunkt stieg meine Nervosität. Nun gab es kein Zurück mehr. Nicht ganz. Tief durchatmen.
Mein Personalausweis und mein Ticket wurden kontrolliert und ich lief im Gänsemarsch den anderen Passagieren hinterher, bis ich dann letztendlich meinen Platz fand, mein Handgepäck zwischen meinen Füßen verstaute, um alles griffbereit zu haben und erst mal anzukommen.
Wieder atmete ich gestresst, und doch mit großer Erleichterung aus, während ich nach draußen aus dem kleinen Fenster schaute, welches eine kleine Sicherheit für mich war. Auch wenn ich viel lieber einen Platz am Gang gehabt hätte, um nicht immer die anderen Passagiere bitten zu müssen, für mich aufzustehen, damit ich alle halbe Stunde zum Klo rennen konnte. Vielleicht blieb ja zumindest einer frei. Das würde ich schon überleben. Ein Platz am Fenster gab mir ein wenig Sicherheit.
Es dauerte nicht lange, bis der Platz neben mir besetzt war. Und der daneben auch. Große klasse, dachte ich mir. Jetzt musste ich stets zwei Fremde bitten, für mich aufzustehen, falls ich mal musste. Und im besten Falle schliefen sie auch noch, waren dann verärgert, weil ich sie ständig weckte und...argh!
"Erster Flug?", hörte ich dann jemanden fragen, reagierte aber nicht darauf, weil ich nicht damit gerechnet hatte, dass mich jemand ansprach. Deswegen dauerte es eine Zeit, bis ich realisierte, dass ich gemeint war und drehte meinen Kopf dann zu dem wunderschönen Lächeln, welches mich mit zwei rehbraunen Augen anschaute. Gott, warum musste ich ausgerechnet neben einem so heißen Typen sitzen?
"Äh...grundsätzlich nein. Alleine allerdings schon", antwortete ich dem gutaussehendem Typen, der mir irgendwo hawaiianische Vibes gab. Mit einer braunen Haut, die nach Sonne schrie, seinen verwuschelten, braunen Haaren, die ihm in die Stirn fielen und seiner Surferstil-Kette, die er um seinen starken Hals trug. Nun, alles besser, als einen alten, mürrischen Sack, der vermutlich noch im Schlaf gesägt hätte.
"Cool", antwortete er. "Meine Freundin und ich fliegen auch das erste mal alleine", betonte er grinsend und setzte Anführungszeichen in die Luft. "Zu zweit alleine...", lachte er und es gab mir direkt ein wohliges Gefühl.
"Hey, ich bin Alani", begrüßte mich seine Freundin, die direkt am Gang saß und mir ihre Hand zum Gruß entgegenstreckte. Ein wunderschönes Mädchen mit haselnussbraunen Augen und dunklen, langen, gewellten Haaren, die ihr über die Brust fielen. Ihre vollen Lippen öffneten sich zu einem Lächeln. Gott, da kam direkt der Neid in mir hoch. Manche Menschen waren einfach schön. Und diesmal meldete sich nicht Hans Maul, sondern Reiner Verlust, weil ich gerade einen weiteren Teil meines Selbstwertgefühles verlor.
"Adriano", hielt auch der hotte Surferboy mir die Hand hin.
"Freut mich", grinste ich. "Wohin fliegt ihr?"
Ein Schwall Peinlichkeit überflog mich. Hatte ich die beiden ernsthaft gefragt, wohin sie flogen, wenn wir offensichtlich im selben Flugzeug saßen? "Oh mein Gott. Ignoriert meine Frage. Ich bin total durcheinander", sagte ich beschämt, doch Alani und ihr Freund lachten nur darüber. Herzlich, nicht verhöhnend.
"Das wäre ich vermutlich auch, wenn ich zum ersten mal alleine irgendwohin fliegen würde. Das ist total mutig", sagte Alani und sie klang wirklich bezaubernd. Wie viel Glück konnte ich eigentlich haben, so tolle Sitznachbarn zu bekommen?
"Ja, der Schritt war wirklich hart für mich", sagte ich. "Ich habe total lange gebraucht, bis ich diese Tickets gebucht habe."
"Das glaube ich! Vor allem ist es nicht nur die Reise nach Tokio selbst. Du musst dich sprachlich auch noch zurechtfinden. Adriano und ich können zum Glück gutes Englisch und ein klein wenig japanisch."
"Ich kann japanisch sprechen", sagte ich dann und die Augen der beiden wurden größer.
"Echt jetzt?"
"Ich wollte schon immer mal nach Japan. Ich kann es nicht perfekt, aber so, dass ich vieles verstehen werde. Immerhin gibt mir das ein wenig Sicherheit."
"Cool", sagte Adriano anerkennend. "Na dann, sollten wir das wohl feiern, oder? Mit...ähm...", Adriano blätterte im Magazin der Airline, "...einem Sekt? Kaffe? Uuuh, seht euch mal die Brötchen an, die sie hier verkaufen."
Wir lachten über Adrianos' Freude und ich war einfach nur heilfroh, dass ich so coole Flugbegleiter hatte.

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Mafia pugnare contra - Im Kampf gegen die Mafia ( Levi X Reader)
FanficIm Kampf gegen eure Angst, habt ihr es endlich geschafft, euren inneren Schweinehund zu überzeugen, eine Reise ganz alleine zu starten. Natürlich müsst ihr dabei direkt übertreiben und fliegt nach Japan! Doch wenn ihr glaubt, dass ihr einen entspann...