Kapitel 2 - Alltag

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Hello ihr lieben,

ich bin grade in Schreiblaune, deshalb gibt es auch schon das zweite Kapitel.
ich hoffe es sagt euch zu.

Kommentare wären wie jedes Mal erwünscht.
Viel Spaß!

Eure Jasmen
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Kapitel 2 - Alltag

Der Wecker piepte unbarmherzig, und Aiko-Yuki öffnete die Augen. Der Tag begann, wie jeder andere, in der kargen Zelle der Jugendstrafanstalt.
Das Licht war gedämpft, und die grauen Wände schienen ihn ein weiteres Mal zu umschließen. Er setzte sich auf, ließ seine Beine über die Bettkante baumeln und schaute für einen Moment auf die abblätternde Farbe des Fußbodens.
Nach einem kurzen Moment der inneren Stille erhob er sich und ging zur Waschgelegenheit. Das kalte Wasser spritzte über sein Gesicht und ließ ihn für einen Moment wach werden.

Er sah in den Spiegel und blickte auf das reflektierte Gesicht eines Jungen, das von Traurigkeit und Leere geprägt war. „Du musst heute stark sein", murmelte er, als wäre es eine mantrische Wiederholung, die ihm helfen sollte, daran zu glauben.
Die Klingel läutete, und er wusste, dass es Zeit war für das Frühstück. Aiko-Yuki schlüpfte in seine einfache, graue Uniform und machte sich auf den Weg zur Cafeteria.
Der Gang war belebt, andere Insassen gingen um ihn herum, redeten in Gruppen oder murmelten leise vor sich hin. Er fühlte sich oft wie ein Geist, der durch eine Welt schwebte, in der er nicht wirklich lebte.
In der Cafeteria stand er in der Schlange, während die Aufseher die Portionen ausgaben. Er nahm seine Schale mit dem grauenhaften Haferbrei und einem Stück trockenem Brot entgegen. Die vertrauten Gesichter um ihn herum waren Ausdruckslos, und das Kauen und Schmatzen der anderen schien eine ständige Hintergrundmelodie zu sein, zu der er nie den richtigen Takt fand.
Aiko-Yuki saß an einem Tisch in der Cafeteria, seine Schale mit Haferbrei vor sich. Um ihn herum drängten sich die anderen Insassen, lachten und plauderten in Gruppen, während sie ihre Mahlzeiten einnahmen. Aiko-Yuki blickte auf und betrachtete die Szenerie wie ein Zuschauer, der einem Theaterstück beiwohnte, in dem er keine Rolle spielte.

Er fühlte sich wie ein Geist, der in einer Welt umherirrte, in der niemand ihn wahrnahm. Was wäre, wenn ich einfach verschwinden könnte? Diese Gedanken drängten sich in seinen Kopf.
Er beobachtete, wie ein paar Jungen am anderen Ende des Tisches miteinander rangen und sich gegenseitig auf die Schultern klopften. Ihre Gesichter waren voller Energie, voller Leben – ein Leben, das ihm fremd war.
Zwei Mädchen saßen in einer Ecke und tuschelten leise, während sie gelegentlich verstohlen zu ihm hinüberblickten. Aiko-Yuki spürte ihre Blicke, als würden sie durch ihn hindurch sehen, aber ihre Worte erreichten ihn nicht.
Worüber reden sie? Reden sie über mich?
Die Fragen schwirrten in seinem Kopf, doch er fühlte sich unfähig, sich einzumischen oder nach Antworten zu suchen.

Erneut ließ er seinen Blick über die anderen Insassen schweifen, die fröhlich miteinander interagierten. Einige waren in lebhafte Diskussionen vertieft, andere lachten über einen Witz, den der grade mal 15-Jährige nicht hören konnte.
Warum kann ich nicht einfach dazugehören? fragte er sich, während sich das Gefühl der Isolation in seiner Brust verstärkte.
Ein Junge in der Nähe machte einen Witz, und das ganze Tischende brach in Gelächter aus. Aiko-Yuki fühlte, wie sein Herz sich zusammenzog. Was gibt es da zu lachen?
In seinem Inneren war es still, und das Lachen der anderen kam ihm wie ein ferner Klang vor. Er war gefangen in seinen eigenen Gedanken, während die Welt um ihn herum weiterging, ohne ihn zu beachten.

In diesem Moment wurde ihm schmerzlich bewusst, wie sehr er sich von den anderen unterschied. Ich bin nicht wie sie. Ich bin nicht einmal hier. Die Erkenntnis traf ihn wie ein Schlag, und er senkte den Blick auf seinen Teller.
Seine Hände umschlossen die Schüssel, während er versuchte, in der Anonymität der Masse zu versinken. Es gab keinen Ort, an dem er sich sicher fühlte, und je mehr er beobachtete, desto mehr wuchs das Gefühl, ein Fremder in einer Welt zu sein, die ihn nicht akzeptieren wollte.

Nach dem Frühstück standen die morgendlichen Gruppenaktivitäten an. Aiko-Yuki setzte sich in eine der hinteren Ecken der Gruppe, um nicht aufzufallen. Dr. Weber war wieder da, und die Therapieeinheit begann.

„Heute möchte ich, dass wir über unsere Ängste sprechen", sagte Dr. Weber mit fester Stimme. Doch er hörte kaum zu. Er war bereits in seine eigene Welt abgedriftet, während die Worte um ihn herum zu einem monotonen Summen wurden.
Stattdessen dachte er an seine Mutter und an die Lektionen, die sie ihm beigebracht hatte – sich zu fügen, nicht aufzufallen.

Nach der Therapie folgte der Unterricht. Aiko-Yuki sah auf die Tafel, während der Lehrer über Mathematik sprach, doch die Zahlen verschwammen vor seinen Augen.
Die Zeit verging langsam, und sein Kopf sank auf die Hände, während er versuchte, sich zu konzentrieren. Immer wieder sah er die Uhr an der Wand und zählte die verbleibenden Minuten bis zur Mittagspause.
Endlich war es so weit. Das Mittagessen war eine kurze Flucht aus der Monotonie. Er nahm seinen Platz an einem Tisch, der etwas abseits lag, und ließ den Blick über die anderen Insassen wandern.
Der Geruch von übergekochtem Gemüse und schalem Fleisch, mal wieder, stieg ihm in die Nase, aber er hatte keinen Appetit.
Um ihn herum surrte die Atmosphäre, doch diesmal war sie durchzogen von feindseligen Blicken und schmutzigen Kommentaren.

„Hey, schaut mal, der Geist ist wieder da", rief ein Junge aus einer benachbarten Gruppe, und die anderen lachten. Aiko-Yuki senkte den Kopf und starrte auf seinen Teller, als könnte er sich so unsichtbar machen.
Könnte ich einfach verschwinden? Der Gedanke schmerzte, aber es war die einzige Flucht, die ihm blieb.
Ein anderes Mädchen, das immer wieder mit dem Jungen redete, fügte hinzu: „Ich wette, er ist nicht mal ein echter Junge, er macht das nur für Aufmerksamkeit, schaut ihn euch an. Ist das nicht peinlich?"
Wieder brach Gelächter aus, und Aiko-Yuki spürte, wie die Hitze in seine Wangen stieg. Er wollte weglaufen, doch die Wurzeln der Scham hielten ihn fest.
Die Gespräche um ihn herum wurden lauter, und während er weiter in die leere Schüssel starrte, dachte er an die Wörter seiner Mutter, die ihm immer gesagt hatte, er solle sich unterordnen, das würden Mädchen so tun. Was würde sie sagen, wenn sie wüsste, wie es mir hier geht?

Er hörte eine Stimme hinter sich: „Weißt du, was wirklich unheimlich ist? Es ist der Blick von diesem Typen. Hast du das Gefühl, dass er uns beobachtet?" Es war eine andere Gruppe, und sie lachten, als sie über ihn tuschelten.
Aiko-Yuki wollte sich umdrehen und ihnen ins Gesicht sagen, dass sie sich irren, dass er nicht beobachtete, sondern in seinen Gedanken gefangen war.
Stattdessen blieb er stumm, während die Worte wie Pfeile auf ihn niedergeschlagen wurden. Ich bin nichts, dachte er, während er sich kleiner und kleiner fühlte, bis er fast in sich zusammenfiel.
Die Welt um ihn herum verschwand, und nur das Gelächter und die verletzenden Worte blieben zurück, die in seinem Kopf widerhallten.

Nach dem Mittagessen stand Sport auf dem Programm. Die Aufseher teilten die Insassen in Gruppen ein, und Aiko-Yuki fand sich in einem kleinen Team wieder.
Er war nicht besonders sportlich, aber die körperliche Betätigung ließ ihn für einen Moment die Gedanken an seine Vergangenheit vergessen. Er rannte, sprang und verausgabte sich, und für diese kurze Zeit fühlte er sich lebendig.

Am Nachmittag stand eine weitere Therapiesitzung an, diesmal mit einer Gruppe. Aiko-Yuki bemühte sich, nicht zu sprechen, während die anderen ihre Geschichten erzählten.
Die Offenheit der anderen war erschreckend und faszinierend zugleich, und er konnte nur hoffen, dass sie nie erfahren würden, was er getan hatte.
Der Abend kam schneller als erwartet.

Nach dem Abendessen setzte sich Aiko-Yuki mit einem Buch in die Ecke des Speisesaals. Er blätterte durch die Seiten, ohne wirklich zu lesen, während die Geräusche um ihn herum ein monotones Geräusch bildeten.
Es war eine Flucht in eine Welt, die er nicht kannte, und doch fühlte es sich sicher an.
Als die Lichter schließlich gedimmt wurden, machte sich der Junge auf den Weg zurück in seine Zelle. Der Tag war lang gewesen, und die Gedanken wirbelten in seinem Kopf.

„Morgen wird besser", flüsterte er leise zu sich selbst, als er sich ins Bett legte und die Decke über sich zog. Doch in der Dunkelheit wusste er, dass die Worte mehr wie eine Hoffnung waren als eine Gewissheit.

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