Schokolade

41 4 0
                                    

Es klingelte. 

Endlich....,

 wieder ein Tag geschafft.

"Hanna, kommst du gleich noch bitte kurz zu mir?", sprach mich Herr Hoffmann an.

Herr Hoffmann war der Ansprechpartner für meine Stufe, so etwas wie ein Klassenlehrer, nur halt in witzig, fürsorglich und nett. Außergewöhnlich triffts ganz gut, andere würden auch seltsam gelten lassen.

Mir war natürlich schon klar, was jetzt kommen musste. Nun gut, das hatte ich mir selber eingebrockt, hilft ja nichts.
"Bin sofort da", hörte ich mich flöten.
Ja, "flöten", Herr Hoffmann hatte so eine Art, bei denen sich Menschen einfach geachtet und wohlfühlten, selbst wenn ihnen etwas Schlimmes bevorstand, wie Prüfungen oder - wie jetzt - sicherlich eine weitere Standpauke. Es gelang ihm auch an Regentagen, wenn im Kopf ein Herbstgewitter tobt, ein Lächeln in mein Gesicht zu zaubern durch aufmunternde Worte.
Gut, ich hatte Herrn Wagners "Ansprache" anders als von allen erwartet "überlebt", schlimmer konnte es ohnehin nicht werden.

Herr Hoffmann lehnte sich zurück, als ich an sein Pult herantrat und schaute mich ernst an.
Zumindest für einen Augenblick. Dann trat ein Funkeln in seine Augen unmittelbar gefolgt von einem Lächeln, das seinen Mund umspielte.
"Hanna, Hanna, Hanna... ich muss schon sagen! Ist das Todessehnsucht oder hast du eine Wette verloren....?", sprach er, während sich sein Lächeln in ein fettes Grinsen verwandelte. 

Er hielt inne, als ob er tatsächlich eine Antwort auf seine Fragen erwartete.

"Ja, also,...", stammelte ich deshalb, überlegte kurz und beendete meine Antwort formvollendet mit einem: "kein Plan!"

"Ja, den Eindruck hatte ich allerdings auch, als Herr Wagner mir von dem Vorfall vorhin erzählt und mir dein Handy überreicht hat! Soooo kenne ich dich gar nicht!"

Hatte ich eben gesagt, das es nicht schlimmer kommen konnte? Das war nicht ganz richtig, es gab etwas, was mich auf eine andere Weise tiefer traf, als alles was Herr Wagner hätte sagen können: "Hab ich Sie jetzt enttäuscht?", fragte ich ihn deshalb kleinlaut.

"Enttäuscht?!", lachte er auf, "wie könntest du mich mit so etwas enttäuschen? Ich habe mir Sorgen gemacht. Ist alles in Ordnung bei dir? Geht es dir nicht gut? Ist irgendetwas passiert? Belastet dich etwas?"

"Sie meinen sowas wie nächteweise wachliegen und nicht zur Ruhe komme, weil mich Fantasien quälen, in denen ich diene, wie ein Ding benutzt werde, erniedrigt werde oder in denen ich als das Kätzchen meines Herrn zu seinen Füßen liege und mein einziger Gedanke ist, wie ich ihn stolz auf sein kleines Kitten machen kann? Wie es mir gelingen kann, dass er mir einen Wert gibt, weil ich ohne ihn vollkommen wertlos bin? Meinen Sie sowas zum Beispiel?"
Und egal was ich tue, ich komme nicht zur Erlösung, es staut sich alles nur immer weiter in mir auf. Ich fühle mich, als sei ich geistig krank, mir so etwas vorzustellen, herbeizusehnen, habe ein schlechtes Gewissen deshalb, sowas tut man einfach nicht, sowas DENKT man nichtmals..."

Ja, wäre wohl meine Antwort gewesen, wenn ich wahrheitsgemäß geantwortet hätte. Aber wer sollte so etwas überhaupt verstehen? Und DANN würde ich einerseits vor Scham tatsächlich sterben, anderseits wäre Herr Hoffmann dann wohl wirklich und unauslöschlich enttäuscht von mir, könnte dann auch sehen, dass ich im Grunde genommen wertlos bin.

"Nein", erwiderte ich stattdessen, "ich schlafe etwas schlecht, aber ansonsten ist alles in Ordnung mit mir!"
Er schaute mir in die Augen, als suche er darin etwas.
"Hanna, wenn dich irgendetwas belastet, dann kannst du jederzeit zu mir kommen, mit allem, egal was! Weißt du das?" Ich nickte kurz.
"Ich konnte Herrn Wagner davon überzeugen, dass es sich um einen einmaligen Vorfall gehandelt habe und keine weiteren Maßnahmen außer euer vereinbartes Nachsitzen erforderlich sein werden."
"Ich werde Sie nicht enttäuschen, Herr Hoffmann!" Da war es wieder. Ihn bloß nicht enttäuschen.
"Darüber hinaus, halte ich es auch nicht für notwendig, deine Eltern davon in Kenntnis zu setzen, ich glaube, das wäre dir auch ganz recht?"
"Ja, danke!", antwortete ich. Mein Eltern... vollkommen desinteressiert an mir und meinem Leben! Was ich tat, war ihnen nur dann wichtig, wenn es darum ging mich zu kritisieren und mir zu zeigen, dass ich bestenfalls Mittelmaß in allem bin. Nicht auszudenken, was los wäre, wenn sie davon Wind bekämen. Das würde ich noch übernächstes Weihnachten zu spüren bekommen, wie bitter enttäuscht sie von mir wären, bla bla bla.

"Okay, ich merke schon , wie dich alles doch mitnimmt und wie elend du dich damit fühlst, mach dir noch einen guten Tag, ich verlasse mich auf dich, dass sowas nicht noch einmal vorkommt, dann bis morgen."

"Ja, danke, ... Herr Hoffmann, könnten Sie mir bitte noch mein Handy wiedergeben?"
"Oh, warte, das müsste ich noch holen - ist es ganz dringend?"
"Ja, schon irgendwie....!"
"Na gut, warte, ich hole es schnell!" und damit eilte er hinaus.
Wenige Minuten später kam er zurück.

"Okay Hanna, Augen zu!"
Ich gehorchte etwas irritiert, was hatte der Spaßvogel jetzt wieder vor?!
"Finger hoch! Augen zulassen bis ich sage, dass du sie aufmachen kannst!"
Ich spürte wie etwas Hartes gegen meinen Finger drückte. 
"Okay, kannst wieder aufmachen!"
Vor meinen Augen prangte eine riesige Schokolade.

"Gegen Sorgen und die schlechte Laune.... und als kleine Entschuldigung. Ich muss das Handy gestern mit nach Hause genommen und versehentlich ausgepackt haben. Tut mir Leid, ich bringe es dir morgen verlässlich mit. Ich hoffe es ist nicht allzu schlimm?!"

Verdutzt nahm ich die Schokolade an und während mein Gehirn sich noch mit den Gedanken auseinandersetzte, welche schmerzhaften Konsequenzen mein Online-Dom (Ja man, in der Not frisst der Teufel halt Fliegen! Hätte auch lieber einen echten!) sich für mich überlegen würde, wenn ich ihn nun einen weiteren Tag scheinbar ignorierte, sagte ich auch schon:
"Nein, kann man nichts machen, nicht schlimm! Ich muss mich jetzt beeilen, damit ich meinen Bus noch kriege." und eilte los.


---------------------------------------------------------------------------

Ich hoffe ihr spürt, wie es sich langsam entfaltet.... ;-)

Wer kennt ähnliche Gedanken und Gefühle wie Hanna?

Schreibt mir gern in die Kommentare oder bei Snap: yourdarkdream1






Nach meinem WillenWhere stories live. Discover now