Elias hat schon fast die gegenüberliegende Straßenseite erreicht, als ich mich kurz innehalte und einen letzten Blick auf das Haus seiner Großmutter werfe. Majas Wohnung liegt im Erdgeschoss einer alten Stadtvilla, deren leicht abblätternde Fassade an ihre vergangene Pracht erinnert. Diese Idylle passt so gar nicht zu dem Bild, das ich von Elias' Zuhause im Kopf hatte. Also nicht, dass ich es mir aktiv vorgestellt habe... Aber wenn, dann eher ein minimalistisches Loft – mit nur einer Zahnbürste und einer Schüssel Kondome auf dem Nachttisch. Jedenfalls nicht das hier, an der Seite dieser warmherzigen, älteren Dame.
Ich erreiche Elias' schwarzen Golf. Erschöpft lasse ich mich auf den Beifahrersitz fallen, froh, einfach nur sitzen zu können. Mein Magen hat sich beruhigt und die Übelkeit hat nachgelassen, aber die Stimmung zwischen uns bleibt seltsam gespannt.
Im Auto ist es still, als Elias den Motor startet und losfährt. Die Straßen ziehen an mir vorbei, und ich starre aus dem Fenster, zu müde, um das Schweigen zu brechen – bis er es schließlich tut.
„Ich hab mir echt Sorgen gemacht, Lena." Seine Stimme ist rau und so leise, dass ich ihn über das Brummen des Motors fast nicht verstanden hätte. Ich starre ihn überrascht an, seine blaugrauen Augen liegen einen Moment auf mir, bevor er sie wieder auf die Straße richtet. Mein Herz schlägt schneller. Das ist nicht der Einstieg, den ich erwartet habe.
„Sorgen... um mich?" Ich schüttele den Kopf. „Seit wann kümmert es dich, was ich tue?" Mein Ton klingt bitterer, als beabsichtigt.
„Seit du dich in Situationen bringst, die... gefährlich sind." Seine Hände umklammern das Lenkrad fest, sein Blick bleibt stur nach vorn gerichtet. „Dir ist klar, dass es viel schlimmer hätte enden können, oder?"
„Danke für den Hinweis", murmele ich sarkastisch. Natürlich weiß ich das.
Sein Blick bleibt stur auf die Straße gerichtet, doch seine Kieferpartie zuckt leicht. „Es ist nicht meine Aufgabe, dich zu retten, Lena. Aber ich werde auch nicht zusehen, wie –"
„Wie was?" Ich werfe ihm einen wütenden Blick zu.
„Wie dir etwas passiert, verdammt!"
Damit nimmt er mir den Wind aus den Segeln. Ich blicke wieder aus dem Fenster und lasse seine Worte nachhallen. Elias hat mich gerettet. Das heißt: Er hat sich zur Abwechslung mal wie ein anständiger Mensch verhalten. Und doch breitet sich ein bitterer Geschmack in meinem Mund aus. Ich habe seine Zurückweisung auf der WG-Party nicht vergessen.
„Und warum genau ist dir das auf einmal so wichtig?" murmele ich schließlich. Es fühlt sich gefährlich an, in diese Richtung zu gehen.
Er antwortet nicht sofort, und für einen Moment denke ich, er wird einfach schweigen. Doch dann antwortet er: „Vielleicht, weil ich es beim nächsten Mal nicht ertragen würde, zu spät zu kommen."
Seine Worte bleiben einen Moment zwischen uns hängen, und ich bin zu überrascht, um sofort zu reagieren. Es fühlt sich an, als hätte jemand die Sitzheizung im Auto aufgedreht – auf maximale Stufe.
Da kommt das Krankenhaus in Sicht, und Elias biegt in die Einfahrt ein. Ich entscheide mich für die feige Variante und schweige einfach. Weil ich verwirrt über diesen Gefühlsausbruch bin – falls man das als Gefühlsausbruch bezeichnen kann. Er würde es nicht ertragen... Weil er mich plötzlich mag? Das ergibt doch alles keinen Sinn.
Elias parkt das Auto nahe am Klinikgebäude. Wir gehen in stummem Einvernehmen nebeneinander, und ich widerstehe dem Drang, Abstand zwischen uns zu bringen. Das Krankenhaus ist fast leer, die Leuchtstoffröhren in den Fluren summen. Wir betreten ein Behandlungszimmer, das mir schon fast zu vertraut ist. Ich setze mich auf die Liege und rolle den linken Ärmel von Elias' Pulli hoch. Er steht einen Moment regungslos da, starrt mich an. Dann setzt er sich in Bewegung und zieht Handschuhe, Kanüle, Desinfektionsmittel und eine Armmanschette aus einer Schublade.
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Between Heartbeats
Romance***Band 1 abgeschlossen*** Lena dachte, mit 25 hätte sie ihr Leben im Griff - falsch gedacht. Ein Jogging-Unfall bringt sie nicht nur ins Krankenhaus, sondern mitten in eine Achterbahn der Gefühle. Elias, der arrogante, aber faszinierende Assistenza...