Die Landschaft zog in einem sanften Rausch an uns vorbei, das dunkle Grün der Wälder, die weiten Felder und sanften Hügel verschwammen, während der Hogwarts Express sich durch die schottischen Highlands schlängelte. Die gepolsterten Sitze unter mir waren angenehm weich, eine willkommene Pause nach der Hektik des Bahnsteigs.
In meinen Ohren erklang leise die vertraute Melodie von meinem MP3-Player. Im Abteil um mich herum herrschte eine ruhige, fast träumerische Stimmung. Harry und Ron lachten leise über irgendein altes, halbvergessenes Schulgespräch, die Stimmen vertraut und beruhigend, als gehörten sie schon immer hierher. Hermine vertiefte sich wie gewohnt in ein Buch, die Stirn leicht gerunzelt, während Ginny neben mir ebenfalls in ihren Seiten versank.
Als der Zug auf die hohe Brücke zufuhr, die sich stolz und steinern über ein tiefes Tal spannte, fühlte ich einen Schauer der Vorfreude. Der Übergang auf die Brücke hatte etwas Magisches, etwas, das jedes Jahr ein Kribbeln in mir hervorrief. Es war, als ob dieser Moment, wenn der Zug die Brücke erreichte, ein geheimes Versprechen hielt: Hier begann das Abenteuer, der Übergang in eine Welt voller Zauber und Mysterien, fernab von jeglicher Normalität.
Ich atmete tief durch, spürte den sanften, beruhigenden Rhythmus der Schienen unter mir und ließ meine Gedanken treiben. Die letzten Worte eines Liedes verklangen, und ein neues begann. Müdigkeit kroch langsam in mir hoch, der gleichmäßige Klang der Räder auf den Schienen lullte mich in eine wohlige Schwere.
Ein markerschütternder Schrei durchbrach die Dunkelheit, und ich schreckte hoch, mein Herz raste, während ich mich orientierungslos umsah. Es war, als wäre ich noch gefangen in einem Albtraum. Doch es war kein Traum. Harry brüllte meinen Namen, seine Stimme klang panisch und entfernt, als würde sie von etwas Dunklem verschluckt werden.
„Ich bin hier!" schrie ich zurück, die Worte rissen mich endgültig aus der Benommenheit. Ginny hatte hastig eine Lampe angezündet, ihr Gesicht war von Schatten und Sorge gezeichnet. In dem schwachen Licht erkannte ich gerade noch, wie eine schattenhafte Gestalt Harry aus unserem Abteil zerrte, seine Hände verkrampft an dem kalten Griff eines Dementors. Die Luft schien förmlich zu erstarren, als das Wesen ihn tiefer in die Dunkelheit zog, fort von uns.
In mir kochte plötzlich eine Wut auf, die jede Spur von Angst verdrängte. „Finger weg von meinem Bruder, ihr widerlichen Arschlöcher!" Die Worte kamen wie ein Befehl aus mir heraus, und ich griff fest nach meinem Zauberstab. „Expecto Patronum!" Mit all meiner Kraft schleuderte ich den Zauberspruch in die Dunkelheit, den Zauberstab fest entschlossen auf den Dementor gerichtet.
Aus dem Licht meines Zaubers formte sich eine leuchtende Gestalt, eine Löwin, die sich kraftvoll durch das Dunkel schlängelte. Sie glühte in einem hellen, reinweißen Licht, das die gesamte Umgebung mit einem flimmernden Schein erfüllte. Die Löwin sprang vorwärts, direkt auf den Dementor zu, und ihr Anblick schien ihn vor Angst erstarren zu lassen. In einem Moment purer Stärke durchdrang sie das Herz des Wesens, und ein schreckliches, grelles Kreischen erfüllte die Luft, so laut, dass es einem das Blut in den Adern gefrieren ließ. Der Dementor ließ Harry fallen, der schwach und zitternd am Boden liegen blieb. Ein weiteres Kreischen ertönte, diesmal klagend und voller Verzweiflung – dieses elendige Vieh rief nach dem Rest seines Schwarmes und verschwand durch die Wände des Zuges.
Harry, immer noch etwas taumelig, rappelte sich auf und ohne ein weiteres Wort rannten wir los, hasteten durch die Gänge des Zuges, prüfend, ob es anderen ebenfalls gelungen war, sich zu verteidigen, ob irgendwo Verletzte waren. Doch, Gott sei Dank, fanden wir nur erschrockene, aber unverletzte Gesichter. Der dunkle Nebel, den die Dementoren mit sich gebracht hatten, begann sich langsam zu lichten und wich der vertrauten Landschaft, die ruhig und weit unter uns lag. Endlich war die Gefahr gebannt, und das vertraute Rattern des Zuges kehrte zurück, doch die Kälte, die Dunkelheit – der Schrecken dieses Moments – ließen uns beide nicht so schnell los.
Als wir zurück ins Abteil stolperten, fiel Ginny Harry sofort um den Hals, ihre Augen glänzten vor Erleichterung und Sorge. „Was war das denn?" Ihre Stimme zitterte leicht, während sie ihn fest umklammerte. Auch er legte dir Arme um sie und wären wir in einer anderen Situation gewesen hätte ich vielleicht darüber geschmunzelt.
Ron, der auf dem Sitz neben Hermine saß, starrte mich an, als hätte ich alle Antworten parat. „Was, zum Henker, ist gerade passiert? Dementoren? Hier?" Seine Augen weiteten sich und er wirkte für einen Moment komplett überfordert.
Ich setzte gerade an, um irgendetwas zu sagen, als Hermine wie aus einem Reflex heraus das Wort ergriff. „Das... das ergibt einfach keinen Sinn" begann sie mit dieser typischen Miene, die ich kannte, wenn sie zu viele Gedanken auf einmal ordnen wollte. „Dementoren haben hier nichts verloren! Wir sind in einem geschützten Bereich – wir sind fast bei Hogwarts! Ich meine, das ist unmöglich. Eigentlich."
Ihre Worte hingen für einen Moment in der Luft, schwer und unbequem, das ganze Abteil schien still zu werden, als wären selbst die Schatten in der Ecke plötzlich aufmerksamer. Ich schluckte, spürte, wie meine Kehle trocken wurde. Diese Überfälle in der Nähe von Hogwarts? Das konnte nichts Gutes bedeuten. „Das hier sind die sichersten Gebiete überhaupt. Ich meine, wir haben nie...", begann ich, doch die Worte blieben mir im Hals stecken.
„Normalerweise gibt es hier keine Dementoren.", fügte Harry leise hinzu und ließ sich neben mich auf den Sitz sinken, während er den Kopf in den Nacken legte. Sein Blick war starr auf die Decke gerichtet, aber seine Gedanken schienen weit weg zu sein. „Ich meine, vielleicht auf einem Weg nach Azkaban oder bei einem speziellen Einsatz. Aber im Hogwarts Express?"
Ginny sah ihn mit großen Augen an, ihre Hände immer noch fest in seinen vergraben. „Und warum ausgerechnet dich, Harry? Wieso haben die dich... ich meine, mitten aus dem Abteil gezogen?"
Ron schüttelte fassungslos den Kopf, während er mich mit einem ungläubigen Blick musterte. „Aber was hast du mit denen gemacht? Ich habe noch nie so einen Patronus gesehen! Eine Löwin, das war, als hättest du den auseinandergerissen."
Ich wusste nicht, ob ich stolzoder verwirrt über seine Worte sein sollte, also antwortete ich ausweichend. Es war... ehrlich gesagt, ich hab ehrlich gesagt selber keine Ahnung." Die Erinnerung an die Löwin, die aus meinem Zauberstab strömte und die Dunkelheit durchbrach, war irgendwie surreal, wie ein Traum, aus dem ich kaum erwacht war.
Hermine sah mich mit großen Augen an, fast ehrfürchtig, als würde sie das, was sie gesehen hatte, noch immer verarbeiten. Sie war kurz davor, ihre übliche Erklärung in Theorie zu verlieren, doch dann hielt sie inne und sah Harry ernst an. „Vielleicht steckt da mehr dahinter, Harry. Diese Dementoren, dieser Überfall – das war kein Zufall."
Harry hob eine Augenbraue und sah sie an. „Du meinst... es könnte mit Voldemort zusammenhängen?"
Eine unbehagliche Stille legte sich über uns, so dicht, dass man sie beinahe hätte greifen können. Ron räusperte sich, offensichtlich bemüht, die Spannung zu lockern, auch wenn seine Stimme ein wenig zu hell klang. „Also gut, zurück zur eigentlichen Frage. Was machen Dementoren hier in der sicheren Umgebung von Hogwarts? Und ich meine nicht dich, Harry. Wobei... vielleicht haben die Dementoren einfach nur geschmackloses Interesse an Gryffindors."
Harry lachte schwach, und es wirkte beinahe so, als ob die Atmosphäre für einen Moment leichter würde. „Ja, vielleicht. Wenn das mal so einfach wäre."
Ginny musterte uns alle eindringlich und legte eine Hand auf meinen Arm. „Was auch immer das war – es war nicht nur ein Zufall. Da draußen... da wartet noch mehr, und ich denke, wir müssen vorbereitet sein."
Ich nickte stumm, während der Zug weiter in Richtung Hogwarts ratterte. Der Gedanke daran, das dieses Schuljahr vielleicht wirklich anders sein wird als in der Vergangenheit, hielt mich wach, als das vertraute Schloss langsam am Horizont auftauchte.
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The Forbidden Bloodline
FanfictionRuby Lilly Potter hat sich daran gewöhnt, im Schatten ihres berühmten Zwillingsbruders zu stehen. Doch als Mattheo Riddle, Sohn des Dunklen Lords, zu Beginn ihres 6. Schuljahres in Hogwarts auftaucht, gerät alles aus den Fugen. Seine Präsenz weckt n...