Ich war den ganzen Tag gelaufen. Meine Füße brannten und ich spürte jede Unebenheit des Bodens durch die dünnen Sohlen meiner Sandalen. Die Pflastersteine, noch feucht vom Regen, schimmerten im Mondenschein. Mein weißes Fell war noch nass. Es war so schwer, dass ich meinen Schwanz mit den Händen tragen musste. Ich war zu schwach, um ihn hochzuhalten. Meine weißen Haare klebten an meinem Nacken und die Wassertropfen rollten meinen Rücken hinunter. Der blaue Stoff meines Kleides lag klamm auf meiner Haut, es war sehr mitgenommen von den Strapazen der letzten Tage. Die Straße war verlassen, die Geschäfte zu den Seiten hatten geschlossen. Nur das Licht der Schaufenster drang auf die Straße. Verzweifelt blickte ich mich um, die Straße war verlassen und es waren keine Menschen zusehen oder zu hören. Die Stadt schlief und ich schleppte mich weiter durch den Schatten. Ich war zu erschöpft, um weiter zulaufen und erlaubte mir, durchzuatmen.
Der Geruch des Regens mischte sich mit den Düften von Essen, die schwach zu mir herüberwehte. Mein Magen zog sich schmerzhaft vor Hunger zusammen. Ich brauchte dringend etwas zu Essen. Also folgte ich, zitternd vor Kälte, dem leckeren Duft von Gewürzen und Thunfisch. Die Geruchsquelle stellte sich als kleines Ristorante heraus. Die rot-weiße Markise vor den großen grünen Fenstern war eingerollt und dadurch kaum zu sehen. Umso näher ich dem Gebäude kam, desto stärker wurde ein unangenehmer Geruch. Ich konnte nicht genau sagen, was es war. Vorsichtig ging ich näher und atmete tief ein, um mir sicher zu sein, was so schlimm roch. Der beißende Gestank von Müll und verrottetem Fleisch stieg mir plötzlich in die Nase. Angewidert verzog ich das Gesicht. Mein Magen knurrte, ich erinnerte mich nicht mehr, wann ich das letzte Mal etwas zu Essen bekommen hatte. Ich beschloss, auf den Gestank zuzugehen. In einer Nische vor dem Restaurant stand der Ursprung des stechenden Müllgeruchs. Ein riesiger schwarzer Müllcontainer. Schleppend schritt ich darauf zu und mit letzter Kraft stemmte ich den schweren Metalldeckel hoch. Der Gestank von Essensresten und gammeligem Gemüse traf mich wie ein Schlag in den Magen und ließ mich würgen. Hoffnungsvoll blickte ich hinein. Aber, dort würde ich nichts Essbares finden. Rattengift lag zwischen den Resten schon aufgeweicht vom Regen. Die blauen Tütchen kannte ich sehr genau. Tränen liefen meine Wangen hinunter. Weinend und völlig entkräftet, ließ ich mich hinter dem Container sinken. Ich rieb mir die Arme, versuchte, mich ein bisschen zu wärmen. In der Gasse standen noch mehr Mülltonnen an den roten Backsteinwänden. Müllsäcke stapelten sich um sie herum. Doch ich hatte einfach keine Kraft mehr, sie zu durchsuchen. Auch hinter mir war nur eine feste Wand. Ich umschlang meine nackten Beine und legte meinen Schwanz um sie. Er tropfte und bot kein bisschen Wärme. Kauerte mich zusammen. Müde legte ich meinen Kopf auf die Knie. Zum Glück regnete es nicht mehr und selbst wenn ich war sowieso schon komplett durchnässt. Langsam dämmerte ich ein und hoffte, dass niemand mich hier finden würde. Dass man mich für einen Haufen Altkleider hielt.
Ein Licht, das in meinen Augen schien, weckte mich. Das Licht brannte in meinen Augen und machte mich fast blind. Ich blinzelte und versuchte, mich an die Helligkeit zu gewöhnen. Das Licht sah aus wie zwei große Augen. Erstarrte vor Angst blieb ich sitzen. Eine Autotür knallte und riss mich aus meiner Starre. Ich fuhr vor Schreck zusammen und kauerte mich noch mehr zusammen. Mein Puls beschleunigte sich und meine Haare und Fell stellten sich auf. „Sie haben mich gefunden", dachte ich und stand auf, doch ich konnte mich nicht auf den Beinen halten und sank kraftlos wieder zu Boden. Haltsuchend griff ich um mich und stieß dabei gegen eine Mülltonne, die laut scheppernd umfiel. Flaschen und Müll verteilten sich auf dem Boden. „Bitte kommt nicht hierher", dachte ich und kauerte mich zwischen den Müllsäcken zusammen. Weglaufen war mir nicht mehr möglich, der Ausweg nach vorne war mir durch das Auto versperrt und meine Beine konnten mein Gewicht nicht mehr tragen. Ich hörte Schritte und der widerliche Gestank von Speiseresten und Chlor mischte sich mit einem irritierenden Duft. Die Männer, welche mich suchten, rochen eher nach billigen After Shave als nach diesem holzigsüßen und würzigen Geruch. Schritte kamen auf mich zu und ich kroch soweit wie möglich zurück, bis mein Rücken gegen die kalte, feuchte Mauer prallte. Die Schritte waren lang und kräftig. Es war kein Geklapper von Damenschuhen zuhören, sondern das Quietschen von Gummi. Der Körper trat in Licht und der Schatten einer Person traf auf mich. Ich schaute ängstlich auf die Silhouette, sie war männlich und mein Puls wurde schneller. Es war vorbei, ich saß in der Falle. Mit letzter Kraft versuchte ich aufzustehen, den aufgeben wollte ich nicht. Krallte mich in die Fugen und stemmte mich hoch. Ängstlich zitternd hob ich die Arme. Kampflos wollte ich mich nicht ergeben. Der Mann kam näher und so langsam erkannte ich friedvolle Gesichtszüge und einen feinen Anzug. Aber das sagte nichts über ihn aus. In meinen Gedanken waren Männer gefährliche Wesen.
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Der Herzog und die Katzendame
Roman d'amourDie junge Neko Shiro flieht vor den Erben ihrer verstorbenen Herrin. Mittellos und vogelfrei kämpft sie ums Überleben. Halb verhungert und stark unterkühlt bricht sie schlussendlich zusammen. Im letzten Moment findet ein Mann sie und Shiro glaubt, d...