Abserviert und weggeworfen

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Montag, halb sieben. Der erste Schultag nach den Sommerferien.
Genervt drückte ich das Klingeln meines Weckers weg und kuschelte mich tiefer in meine Decke. Ein warmes Gefühl erfüllte meinen Bauch und meine Lieder flatterten erneut zu, bereit um noch ein bisschen zu schlafen. Nur ein bisschen.

Klar, das wäre auch zu schön um wahr zu sein.

"AUFSTEHEN!" Meine Zimmertür flog auf und meine Mom stolperte hinein und flog natürlich als erstes über meine Bücher und Schallplatten. Darauf folgte ein schmerzerfülltes Stöhnen, "Rex ich werd deinen Kram eigenhändig aus dem Fenster befördern wenn du nicht endlich diesen Saustall aufräumst!" "Mom ich hab dich nicht gebeten mich zu wecken!" Jammerte ich, noch viel zu müde um die Augen überhaupt zu öffnen. Sie bahnte sich ihren Weg zum Fenster und riss es auf. Im nächsten Moment hatte sie sich meine Decke gekrallt, "Aufstehen! Die Schule ruft!" Grummelnd und mit einem bösen Blick machte ich mich erstmal auf den Weg ins Bad. Dort ging ich aufs Klo und versuchte meine Mähne zu zähmen. Ich hatte es schliesslich geschafft mir meine Haare hoch zu binden und ging nach unten um etwas zu essen. Ich setzte mich an den Tisch und im nächsten Moment kam mein Bruder die Treppe runter gestolpert. Seine Locken standen ihm wild vom Kopf ab, "Rex." Meinte er mit einem Nicken zu mir und ich verdrehte darauf nur meine Augen.
Mein Bruder, Miles, ist ein einhalb Jahre älter als ich. Er war gross, dünn und hatte schwarze Locken. Wir gingen an die gleiche Schule, er war jedoch eine Stufe höher als ich und wir hatten deswegen eigentlich nur ausserhalb der Schule was miteinander zu tun.
Unsere Mom ist 38 Jahre alt, sie hat meinen Bruder mit circa 20 Jahren bekommen. Es war, wie sie es selbst sagte: ein Unfall. Und mich zeugten sie dann später so nach dem Motto: Wenn schon denn schon.
Meine Mom war damals noch an der Uni und hatte da eine Liebesaffäre mit dem Kellner der Uni Kantine. Ihre Beziehung hatte noch gute vier Jahre nach der Geburt meines Bruders gehalten. Sie haben sich grosse Mühe gegeben und sind im guten, wie es meine Mutter gerne betonte, auseinander gegangen. Ich sehe meinen Dad alle zwei Wochen von Donnerstag bis Sonntag. Er besitzt eine kleine Wohnung über seinem Blumengeschäft wo ich ihm auch gerne aushelfe. Meine Mutter konnte ihr Kunststudium beenden und arbeitet jetzt als Lehrerin an einer Hochschule für Kunst und Design. Mein Bruder hat das Talent meiner Mutter im Blut. Er liebt es zu zeichnen und malen. Die beiden sitzen oft abends nebeneinander im Schuppen und Zeichnen eifrig stundenlang an einer Zeichnung die sie gerade im Kopf haben. Ich sitze mit den flinken Finger meines Vaters da und flicke Tassen, Armbänder, Ketten, Hosen und andere Sachen oder spiele Gitarre. Im Sommer kümmere ich mich oft um den Garten.

Nach dem Frühstück flitze ich wieder hoch und krame mir eine Jeans und ein T-Shirt aus meinen Kleiderhaufen auf dem Schreibtisch Stuhl. Dann schultere ich mir meinen Rucksack, ein Hupen ertönt und ich sprinte nach unten, schnappe mir mein Pausenbrot und schlüpfe in meine Schuhe.
Draussen steht schon der Wagen von Piet, meinem Freund.

Fröhlich gehe ich auf den Wagen zu und versuche mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen als er sitzen bleibt und nicht wie so oft aussteigt um mich zu umarmen. Ich meine, wir haben uns vier Wochen nicht gesehen?! "Hey." Ich lasse mich auf den Sitz fallen und drehe mich mit einem breiten Lächeln zu ihm. Er lächelt nur gequält und seine grünen Augen sind geziert von dunklen Ringen. Ich beschliesse ihn erst zu küssen und dann nachzufragen. Doch als ich mich zu ihm beuge und mein Gesicht seinem näher kommt legt er seine grossen Hände auf meine Schultern und drückt mich sanft wieder auf meinen Platz zurück. Ein sehr unangenehmes Gefühl macht sich in meiner Brust und im Bauch breit und ich schlucke einmal schwer. "Was ist los?" Frage ich leise. Piet sieht beschämt auf seine Hände, die nervös auf dem Lenkrad trommeln. "Roxy, ich uhm... In den Ferien, da ist was passiert.. es..es tut mir schrecklich leid aber ich denke ich...glaub ich bin irgendwie mit Kimberly Britt zusammen." Ein grosser Kloss hatte sich in meiner Kehle gebildet und ein schnauben entwich mir. Britt. Ausgerechnet Britt. "Irgendwie?" Keuchte ich und sah ihn ungläubig an. "Also..uhm, naja wir sind jetzt ein paar." Er sah mich mit einem flehenden Blick an. "Weisst du, das hätte ich echt nicht von dir gedacht. Britt. Ausgerechnet Kimberly Britt. Hattet ihr Sex? Ist es deswegen?" "Rex..dass tut doch nichts zur Sache..Ich mache Schluss mit dir." Langsam wurde ich wütend. "Beantworte einfach meine Frage! Ich will wissen warum du mich für sie verlässt. Was hat sie was ich nicht hab?! Ach ja stimmt: Brüste. Aber das ist alles!" Ich wurde gegen Ende immer lauter. "Rex bitte es-" "Nenn mich nicht Rex!" Rief ich aufgebracht. "Hattet ihr nun Sex oder nicht?" "Ja verdammt! Wir hatten Sex. Und jetzt? Was ändert das?" Ich holte aus und scheuerte ihm eine. "Ich hätte nie gedacht das du dich auf solch ein Niveau einlassen würdest. Pieter du bist ein verdammtes Schwein." Somit stieg ich aus dem Wagen. Ich holte mir mein Skateboard aus dem Schuppen und fuhr los. Ich würde zu spät zur Schule kommen, das wusste ich, aber das war mir im Moment ziemlich egal.

Oh NoahWo Geschichten leben. Entdecke jetzt