2. Kapitel

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Als ich durch die Eingangstür trat, kam mir mein großer Bruder Touka entgegen. „He, wie war die Schule", fragte er mich, aber es klang nicht so, als wäre er gespannt auf meine Antwort. Ohne ihm zu antworten, stellte ich ihm eine Gegenfrage: „Wo willst du jetzt noch hin?". Touka zog schnell seine Halbschuhe an und streifte sich die dunkelblaue Jacke über. „Ich muss nochmal zur Uni, hab dort ein paar Unterlagen vergessen. Soll ich was vom Konbini mitbringen?" Ich schüttelte den Kopf. Das war nicht nötig, da ich sowieso einkaufen gehen musste. Unser Kühlschrank ist nämlich so gut wie leer. Also tat ich es Touka gleich und schlüpfte in meine normalen Alltagstreter, zog einen langen Mantel über die Schuluniform, steckte Geldbörse und Handy ein und trat mit meinem Bruder auf die Straße. Die ersten zehn Minuten liefen wir gemeinsam, bis Touka jedoch nach links zum Bahnhof abbiegen musste. Seine Uni ist zwar nur zwei Stationen entfernt, aber er ist eher einer von der bequemeren Sorte und er meinte, dass das Ticket eh nicht viel kostet. Bevor ich hinter der nächsten Abzweigung verschwand, drehte Touka sich nochmal um und rief mir zu: „Wenn du nach Hause kommst, mach schon mal Essen, okay? Ach, und passe auf dich auf!" Ich winkte lachend ihm zu. „Klar, mach ich.", schreite ich Touka zurück. Er grinste mich an und nahm seinen Weg wieder auf. Der Konbini war nicht mehr weit weg, nur noch die Nächste rechts. Schon öffneten sich die Türen und ein warmes Licht empfing mich. Ein paar Leute wuselten durch den kleinen, aber mit Ware vollgestopften Laden. Mit schnellem Schritt steuerte ich die Süßkramregale an, schnappte mir zwei Tüten meiner Lieblingschips und ging dann zu den Sobanudeln, packte vier Packungen ein und ergriff ein kleines Fläschchen mit Sojasauce aus China. Aus dem Kühlfach angelte ich mir noch eine Milchpackung und drei Jogurts. Dies und das landete auch in meinem Einkaufskorb.

„Konnichiwa.", sagte der Verkäufer höflich zu mir. „Das macht dann 1.915 Yen." Dankend nahm er das Geld entgegen und ich trat den Heimweg an.

Als ich zu Hause an kam, waren meine Eltern immer noch nicht da. Sie müssen zwar ständig bis spät Abends arbeiten, aber wundern tat ich mich trotzdem. Zum Glück stand Touka nach einer halben Stunde in der Haustür. „Noch nicht da?", fragte er während er sich die Straßenschuhe auszog. Damit spielte mein Bruder natürlich auf unsere Eltern an. „Nein, dafür ist das Abendessen fertig.", rief ich in den Flur. Touka kam in die Küche und setzte sich an den Esstisch, wo ich schon die Nudeln und den Reis samt der Stäbchen platziert hatte. Wir verschlangen unser Essen regelrecht. Müde plumpste ich wenige Minuten später ins Bett. Touka musste den Abwasch übernehmen.

„Piep, Piep, Piep.", lautete es von meinem Wecker, der gleich darauf von einem heftigem Schlag meinerseits verstummte. Gemächlich setzte ich mich auf und öffnete schlaftrunken die Augen. Vor mir stand der Stuhl, auf dem meine Klamotten vom vorherigem Tag immer liegen. Doch etwas war anders: Da hing eine Uniform, die mir bekannt vor kam. Warte, dachte ich.

Dann schoss mir ein Gedanke durch den Kopf. Ich sprang auf und rief entsetzt: „Schule!" Ein paar Minuten später lief ich aus der Tür und rannte die ersten hundert Meter zur Mittelschule, blieb dann aber keuchend stehen und sah auf meine Armbanduhr. „Puh, noch nicht zu spät. Da kann ich noch den restlichen Weg gehen.", sagte ich halblaut und immer noch außer Atem zu mir selbst. „Ohayo Hiroi.", sprach mich eine Stimme von hinten an. Erschrocken machte ich eine 180°-Wendung. Vor mir stand ein ungefähr 20cm größerer Junge mit dunkelblonden Haaren. Haru sah mir direkt an, dass ich nicht so furchtlos war, wie man es wegen meines Aussehens hätte vermuten können. „Tut mir Leid, wenn ich dich erschreckt hab. Was ich dich fragen wollte... Wollen wir gemeinsam zur Mahotakui gehen?", antwortete er auf meine Reaktion. Ich lächelte und nickte freudig. „Und was hast du gestern noch gemacht?", versuchte ich ein Gespräch aufzubauen. „Ich hab nur gelernt, und du?" Mist, lernen hätte ich auch machen sollen, dachte ich. „Hiroi?", Haru wedelte mit seiner Hand vor meinem Gesicht. „Oh sorry, ich war nur im Konbini einkaufen und hab danach mit meinem Bruder zum Abend gegessen. Mehr nicht.", antwortete ich abrupt. Wir bogen scharf rechts ab in den Schulhof. Schon schauten ein paar weibliche Haru-Fans zu uns herüber. Ich erinnerte mich an gestern und daran, dass der begehrte Junge mit vier anderen Schülern zur Schule kam: „Wer waren gestern eigentlich die Jungen, mit denen du zu spät kamst?" Doch leider konnte Haru mir auf diese Frage nicht mehr antworten. Er wurde schon von einer Gruppe Mädchen umschwärmt, die ihn nach seinen gestrigem Tag fragten und ob sie vielleicht nicht heute zusammen nach Hause gehen könnten. So ist das halt beliebt zu sein, war mein einziger Gedanke dazu und lief ein bisschen traurig weiter zum Haupteingang. Heute war keine feierliche Stimmung mehr zu spüren. Einzig und allein hing nur noch der Zettel mit den Klassenzuweisungen aus. Am Informationsbrett klebten dafür heute neue Flyer für die einzelnen Clubs. Ich hab beschlossen in den Kunstclub zu wandern. Indem werden viele verschiedene Dinge gemacht. Mal sehen, ob es mir gefallen wird. Leider gehen die Clubs erst nächste Woche los.

Eine Geschichte von einem japanischem Mädchen namens Hiroi MokamiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt