Kapitel 6

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Kapitel 6

Die ersten Tage lang war mein Plan recht gut vonstatten  gegangen, doch nachdem John merkte, dass er nicht mehr die absolute Kontrolle über Ruth hatte, flippte er total aus.

Ich war gerade dabei meine Tür zu verschanzen, als er wie ein blöder gegen das Holz hämmerte. Mit Ruths Hilfe schaffte ich es, eine der schweren Kommoden vor die - unter den heftigen Schlägen leidende - Tür zu schieben und ließ mich keuchend auf den Boden sinken.

So leicht würde er hier nicht mehr rein kommen. Jetzt mussten wir bloß geduldig sein und abwarten. Irgendwann musste Austin ja schließlich wieder kommen. Immerhin war er nun schon seit mehreren Wochen weg und so langsam hielt ich diesen herumkommandierenden Ton des Trottels nicht mehr aus.

Ich musste - gegen meinen Stolz - zugeben, dass mir Austin und seine besitzergreifende Art mindestens hundert Mal lieber war, als einen jungen Erwachsenen, der sich wie ein stures Kleinkind benahm und alle fünf Minuten drohte, einen Tobsuchtsanfall zu erleiden.

Das aggressive Bollern hörte endlich auf und ich atmete erleichtert aus. "Wenn du denkst, das war's schon, dann bist du naiver als ich dachte", keifte John aus dem Flur. "Irgendwann müsst ihr rauskommen! Ihr habt heute noch nichts gegessen und ein Mensch hält es keine drei Tage ohne Wasser aus."

Komisch, ich hatte sogar beinahe eine Woche ausgehalten, ohne auf die Toilette gehen zu können, dachte ich etwas amüsiert.

"Was hast du vor? An der Tür zu warten, bis wir uns rausschleichen wollen?", schnaubte ich und unterdrückte ein Lachen. "Wenn's sein muss", erwiderte er trocken. Ich hatte Mühe, meine Stimme weiterhin ernst klingen zu lassen.

"Dann schlag' ich dir vor, gleich einen Schlafsack ran zu holen, denn so schnell kommen wir nicht raus!", rief ich und ignorierte einen seiner weiteren Anfälle, bei dem man mehrere dumpfe Geräusche vernehmen konnte, da er wahrscheinlich schon wieder irgendwelche Dekostücke durch die Gegend warf.

"Das würde ich mir übrigens ganz schnell abgewöhnen; Austin wird sicherlich nicht begeistert davon sein, wenn er sieht, was du mit seiner Hauseinrichtung machst", fügte ich hinzu und kicherte als er fluchend die Treppe runter polterte.

"Hältst du das für eine gute Idee?", fragte Ruth nervös und zupfte an den Rüschen ihres Kleides herum. Ich zuckte mit den Schultern. "Was kann der mir schon? Austin wird sicherlich bald zuhause sein. Er kann zwar ein richtiger Arsch sein, aber er würde John töten, wenn er mir was antäte", sagte ich, obwohl ich mir da selbst nicht ganz so sicher war.

Ruths Augen musterten mich skeptisch. "Wenn du nicht dein eigenen Zimmer - und den einzigen Schlüssel dazu - hättest, dann hätte er schon sonst was mit dir angestellt", murmelte sie und ließ sich niedergeschlagen auf mein Bett fallen.

Ich winkte ab und machte mich daran, in einigen Zeitschriften zu blättern. "Vielleicht solltest du mich einfach raus lassen. Dann würde er bestimmt darüber hinweg sehen, dass du so frech warst", schlug sie vor.

Meine Augen fanden ihre und sie strich sich das Haar aus der Stirn. "Kommt nicht infrage!", meinte ich knapp und ignorierte jede weitere Aussage, die nur in etwa in diese Richtung ging. Warum sollte ich alles riskieren, um ihr zu helfen, wenn sie dann so einfach aufgab und sich doch wieder von ihm rum schubsen lassen wollte?

"Ich weiß nicht, wo dein Stolz geblieben ist", flüsterte ich und drehte mich auf den Rücken. "Wie kannst du dich so einfach runterputzen lassen?"

Anstatt mir zu antworten, hörte, wie sich ihr Atem verschnellerte. Ich setzte mich wieder auf. Es herrschte Schweigen und ich dachte, sie würde nicht mehr antworten. Gerade als ich den Mund öffnete, um fortzufahren, durchzog ein heißes Gefühl meine rechte Wange.

Ich blinzelte überrascht und drückte meine Handfläche auf die pochende Stelle. Total verblüfft schaute ich auf. Ruths Zähne waren zusammen gebissen und ihre Hände zu Fäusten geballt. Auf ihrer Stirn zeichneten sich mehrere Falten ab, während sie mich weiterhin mit Blicken durchbohrte.

"So einfach runterputzen lassen?! Weißt du eigentlich, wie es mir in den letzten Jahren ergangen ist? Ich hatte nun mal nicht das unglaubliche Glück, bei einem süßen Gentleman zu landen. Auch einen mehrere Monate anhaltenden Urlaub, Aufenthalt oder wie auch immer in Griechenland mit einer Gruppe von freundlichen, hübschen Kerlen, deren alleinige Intention es gewesen ist, einen glücklich zu machen und zu beschützen, war mir nicht vergönnt.Stattdessen wurde ich solange erniedrigt und misshandelt, bis ich mich nicht mehr wehren konnte!"

Das alles sagte sie in einem gefährlich ruhigen Ton. "Ich habe die Nase voll, mir dein Gejammer anzuhören! Ich bin gerne mit dir zusammen und verdanke dir so viel, aber irgendwann reicht es! Nicht jedem ergeht es so gut wie dir", ergänzte sie, nach einer kurzen Atempause.

Sie schnappte nach Luft und wischte sich etwas Schweiß von der Stirn. Ich nickte langsam. "Du hast recht." Mehr sagte ich nicht, mehr brauchte  ich nicht sagen. Sie wusste, dass ich es nicht so gemeint hatte. Genauso wusste auch ich, dass sie es nicht so meinte.

"Ich will hier zu jedem Preis raus", sagte sie wenige Augenblicke später. Wieder nickte ich. "Die Sache ist die: Ich werde hier wahrscheinlich sterben. Mein letzter Versuch von hier zu flüchten, endete mit einem gebrochenen Bein und mehrere Wochen in einem kleinen, weißen, sterilen Raum liegend ohne jeglichen Besuch mit Ausnahme von Austin. Und darauf hätte ich gerne verzichten können..."

Ruth erhob sich und tigerte durchs Zimmer. Nach ihrer fünften Runde vom Bett hinüber zum Badezimmer und wieder zurück murmelte sie: "Du willst aufgeben. Nachdem du mir die ganze Zeit Mut gemacht und versucht hast, mich zu stärken, willst du so einfach aufgeben?!", zischte sie und rammte ihre Fingernägel in ihre Handballen.

Ich seufzte und rollte mich vom Bett runter.

"Nein. Aber zu zweit kommen wir hier nie unbemerkt weg. Darum werde ich dir mit deiner Flucht helfen und meine für einen späteren Zeitraum planen."

Sie schüttelte hektisch mit dem Kopf, ihre Haare wirbelten um ihr hübsches Gesicht herum. "Das wird nie funktionieren. Toll, dann bin ich frei und dann? Wo soll ich hin? Alleine kriege ich das nie im Leben auf die Reihe! Außerdem werden sie wissen, dass du verantwortlich warst und dich für immer irgendwo anketten!"

"Manchmal muss man Opfer bringen", flüsterte ich und fuhr mir mit zittrigen Händen durchs Haar. Mein Verstand schrie mich an, ich sollte gefälligst auch an mich denken, während mein Herz immerzu wisperte, dass ich endlich etwas richtig machen konnte.

"Spinnst du?! Wenn es bedeutet dieses Opfer zu bringen, dann will ich lieber für immer gefangen bleiben", protestierte sie. Ich lächelte traurig. "Du hast es doch bereits gesagt: Ich hatte Glück. Ich bin bei Austin gelandet. Mir hätte es  genauso wie dir oder Amber ergehen können... Meinst du ich lasse dich noch einen Tag länger als nötig in Johns widerlichen Krallen?"

Sie sagte nichts dazu, schaute auf den Boden. Verstand, dass es sich um eine rhetorische Frage handelte und sie mich so oder so nicht umstimmen konnte.

"Ich werde dich hier rausschmuggeln und wenn es das letzte ist, was ich tue!", beschloss ich. Auch wenn mein Herz etwas schwer wurde, bei dem Gedanken, meine Mutter nie wieder zu sehen.

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A/N:

Sooo~ Nachdem ich mehr als zwei Monate inaktiv war bin ich endlich wieder zurück und werde ganz ganz ganz ehrlich wieder regelmäßig uploaden!

Ich hoffe ihr hattet soweit schöne Ferien bzw. werdet schöne Ferien haben und gespannt aufs nächste Kapitel warten!

Für Kitten wird das nächste Kapitel spätestens am Sonntag Abend kommen!

Bis dann,

Eure Ayu/Kim ♥

P.S.: Editing etc. wird alles später erledigt :D



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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 07, 2015 ⏰

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