Xlll.//BEDTIME part3

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...

Ich erinnere mich daran, dass ich am nächsten Tag irgendwo hin wollte, irgendwo sein, aber nicht in diesem engen, erstickenden Zimmer. Es war ein Samstag, und ich spielte glücklich draußen mit meinen Freunden. Obwohl unser Haus nicht groß war, hatten wir das Glück, einen langen und breiten Garten zu haben. Wir spielten oft dort, der Großteil war überwuchert mit verschiedenen Pflanzen, so konnten wir uns in den Büschen verstecken, auf die riesige Platane klettern, die über allem thronte und uns vorstellen, uns in großen Abenteuern in unerforschte, exotische Wälder vorzudringen.

So viel Spaß es auch gemacht hat, mein Blick wanderte immer wieder zu diesem kleinen Fenster; gewöhnlich, unauffällig und harmlos. Aber für mich war es die schmale Grenze zu einer fremden, kalten Welt der Todesangst. Draußen, in der schönen, grünen Umgebung unseres Gartens, gefüllt mit den glücklichen Gesichtern meiner Freunde, konnte nichts das kriechende Gefühl der Angst auslöschen, welche sich einen Weg aus meinem Zimmer in meine Gedanken bahnte; zum Schluss würde sich mir jedes Haar aufstellen. Dieses Gefühl, dass etwas mich von meinem Zimmer aus beobachtet, mir beim Spielen zusieht und nur darauf wartet, dass die Nacht einbricht und es mit mir allein ist; es füllte mich mit Hass.

Es mag für dich vielleicht komisch klingen, aber als meine Eltern mich am Abend ins Bett brachten, sagte ich nichts. Ich protestierte nicht, ich nannte keinen Grund, warum ich dort nicht schlafen konnte. Ich ging, zwar mürrisch, aber ohne Umwege in mein Zimmer, kletterte die paar Sprossen der Leiter zum oberen Bett hinauf, und wartete. Jetzt, als Erwachsener würde ich jedem meine Erfahrungen berichten, aber in dem Alter fühlte ich mich schon fast dumm, über etwas zu reden, für dessen Existenz ich keinerlei Beweise hatte. Ich würde lügen. Ich hatte immer noch das Gefühl, dass, wenn ich den wahren Grund nennen würde, dieses Ding sehr wütend sein würde, da ich zu viel über es redete.

Es ist lustig, wie sehr sich manche Wörter in deinen Gedanken versteckt halten, egal, wie offensichtlich sie doch sind. Eines dieser Wörter fiel mir in der zweiten Nacht wieder ein, als ich da lag, in der Dunkelheit, allein, ängstlich, mir einer miesen Veränderung in der Atmosphäre bewusst; die Luft schien dicker zu werden, als ob etwas sie verschiebt. Als ich das erste gelegentliche Geraschel der Bettdecke unter mir hörte, ließ die Angst mein Herz schneller schlagen, und ich realisierte, dass dieses Etwas von letzter Nacht wieder im unteren Bett war, und dieses Wort, welches aus meinen Gedanken verbannt, durch mein Bewusstsein gefiltert wurde, brach nach Luft schnappend und schreiend aus der Verdrängung hervor und brannte sich in mein Gehirn ein.

„Geist".

Als mir dieser Gedanke kam, merkte ich, dass mein ungebetener Besucher aufgehört hat, sich zu bewegen. Die Bettdecke lag ruhig und friedlich da, aber ihr Rascheln wurde durch etwas viel abscheulicheres ersetzt. Ein langsames, rhythmisches, rasselndes Atmen, welches von dem Ding unter mir kam. Ich konnte mir vorstellen, wie seine Brust sich bei jedem schmutzigen, keuchenden, gurgelnden Atemzug hebt und senkt. Ich schauderte und hoffte, dass es ohne, dass irgendetwas geschah, wieder verschwinden würde.

Das Haus war, wie auch in der vorherigen Nacht, in dicke Dunkelheit gehüllt. Stille herrschte, man hörte nichts, außer das Atmen meines bisher noch ungesehenen, Besuchers. Ich lag da und hatte schreckliche Angst. Ich wollte nur, dass dieses Ding verschwindet.

Was wollte es?

Dann ließ etwas unverkennbares mir das Blut in den Adern gefrieren; es bewegte sich. Doch es bewegte sich anders, als vorher. Als es sich in dem Bett umherwarf, schien es grundlos, hemmungslos, fast tierisch. Diese Bewegungen waren bewusst, mit einem Grund, einem gezielten Gedanken. Das Ding, was da in der Dunkelheit lag, dieses Ding, was anscheinend mit voller Absicht einen kleinen Jungen terrorisierte, setzte sich ruhig und langsam auf. Sein schweres Atmen war lauter, als vorher, und es trennten nur noch eine Matratze und ein paar dünne Holzbretter meinen Körper von diesem Ding unter mir.

Ich lag da, meine Augen mit Tränen gefüllt. Eine Angst, welche mit Worten nicht zu beschreiben ist, durchfuhr meinen Körper. Ich hätte niemals gedacht, dass diese Angst noch zu steigern wäre, aber ich lag so falsch. Ich stellte mir vor, wie es wohl aussieht, wie es dasitzt und hofft, auch nur das leiseste Geräusch von oben zu hören, auch nur den geringsten Hinweis zu bekommen, dass ich wach bin. Doch meine Vorstellung verwandelte sich schnell zur unausweichlichen Realität. Es begann damit, die Holzlatten, auf der meine Matratze lag, zu berühren. Es schien mit dem, was ich mir als seine Finger und Hände vorstellte, über die Oberfläche des Holzes zu streichen.

Dann stieß es mit großer Kraft, wütend zwischen zwei Latten in die Matratze. Auch durch das Polster fühlte es sich an, als würde mir jemand brutal seine Finger in die Seite rammen. Ich stieß einen mächtigen Schrei aus und das keuchende, sich schüttelnde Ding im unteren Bett antwortete mit einem heftigen Rütteln des Bettes, wie es es die Nacht zuvor auch getan hatte. Kleine Farbstücke rieselten von der Wand auf meine Decke, als der Rand des Bettes an der Wand entlangschabte. Ein weiteres Mal wurde ich in helles Licht gehüllt, und das stand meine Mutter, liebevoll und sich um mich sorgend, wie sie immer war, bereit für eine tröstende Umarmung und beruhigende Worte, welche meine Hysterie etwas dämpfte. Natürlich fragte sie, was los war, aber ich konnte es ihr nicht sagen, ich wagte es nicht, auch nur ein Wort darüber zu verlieren. Ich widerholte stattdessen ein anderes Wort immer und immer wieder.

„Albtraum".

Diese Reihe von Geschehnissen wiederholte sich so für Wochen, wenn nicht, Monate. Nacht für Nacht würde ich durch das Rascheln der Bettdecke geweckt werden. Jedes Mal würde ich schreien, damit diese Abscheulichkeit keine Zeit findet, mich zu 'fühlen', oder mich zu stoßen. Mit jedem Schrei würde das Bett anfangen zu beben und mit dem Eintreffen meiner Mutter stoppen, welche dann den Rest der Nacht im unteren Bett verbringt, unwissend, welches Wesen ihren Sohn jede Nacht quält und terrorisiert.

Mit der Zeit schaffte ich es, Krankheiten vorzutäuschen und andere Gründe zu erfinden, um bei meinen Eltern zu schlafen, aber meistens würde ich für die ersten paar Stunden jeder Nacht allein in diesem Raum sein. In dem Raum, wo das Licht von draußen nicht richtig herein scheint. Allein mit diesem Ding.

Nach und nach gewöhnst du dich an fast alles, vollkommen egal, wie schrecklich es ist. Ich stellte fest, dass dieses Ding mir aus irgendeinem Grund nichts tun konnte, wenn meine Mutter da ist. Ich bin sicher, das Selbe würde auch für meinen Vater gelten, aber, so liebevoll er auch war, ihn zu wecken war fast unmöglich.

Nach ein paar Monaten hatte ich mich dann also an meinen nächtlichen Besucher gewöhnt. Versteh das jetzt nicht falsch, es war keine übernatürliche Freundschaft, oder ähnliches, ich verabscheute dieses Ding. Ich hatte genauso große Angst, als ich mir seine Persönlichkeit und seine Wünsche erschlossen hatte, wenn man es so nennen kann; Für mich war es ein mit perversem, verdrehtem Hass erfülltes Ding. Vielleicht ist es das auch für alle.

Meine größten Ängste erfüllten sich im Winter. Die Tage wurden kürzer, und die längeren Nächte verschafften diesem Monster bloß mehr Möglichkeiten. Es war eine schwere Zeit für meine Familie. Meine Großmutter war eine wunderbare und höfliche Frau, doch ihr Zustand hat sich seit dem Tod meines Großvaters sehr stark verschlechtert. Meine Mutter tat ihr Bestes, um sie so lang wie möglich in unserer Gemeinschaft zu halten, aber Demenz ist eine grausame und degenerative Krankheit, welche einer Person sämtliche Erinnerungen auf einmal rauben kann. Schon bald erinnerte sie sich an keinen mehr von uns, und es wurde klar, dass sie in ein Altersheim ziehen musste.

Ein paar Tage, bevor sie in das Altersheim gebracht werden sollte, gab es einige Schwierigkeiten mit ihr, sodass meine Mutter beschloss, bei ihr zu bleiben. So sehr ich meine Großmutter auch liebte und nur Trauer über ihre Krankheit empfand, jetzt fühle ich mich schuldig, dass meine ersten Gedanken nicht bei ihr, sondern bei meinem nächtlichen Besucher waren und dabei, was er während der Abwesenheit meiner Mutter alles mit mir anstellen konnte; ihre Anwesenheit war das einzige, da war ich mir sicher, was mich vor der ganzen Grausamkeit bewahrte, die dieses Ding in sich trug.

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