Der Pausenhof-Vorfall | Kapitel 2

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In dieser Nacht konnte ich mal wieder nicht schlafen. Zu viele Gedanken quälten mich und langsam kam der Selbstzweifel dazu. War ich wirklich so nutzlos? Ich war schon etwas moppelig.. Wieder ein Schlag gegen die Wand. Nein! So durfte ich einfach nicht denken. Der verband fing schon an sich rot zu färben da das Blut immer noch nicht gestoppt war.

Der Zeiger meines Weckers bewegte sich nur sehr langsam, so kam es mir zumindest vor. Bis es dann schließlich 7 Uhr war, hatte ich übelste Kopfschmerzen und meine Hand brannte wie Feuer. Um halb 6 hatte ich schon meine Mutter gehört die zur Arbeit ging, ich stand nun auf und zog mir etwas anderes an, da ich noch immer in den Sachen von gestern da lag. Eine graue Jeans, ein schwarzes Shirt und eine Kaputzenjacke drüber. Eigentlich so mein normaler Kleidungsstil.
Ich dachte darüber nach wieder zu schwänzen, doch das konnte ich nicht bringen. Meine Noten waren ja jetzt schon recht schlecht. Also ging ich total motiviert aus dem Haus und setzte mir meine Kopfhörer auf, die am Handy angeschlossen waren. Es lief eigentlich nur Hardrock, damit kam ich am besten runter und vergaß die Welt um mich herum. Wenige Minuten später kam ich in der Schule an.

Der Schultag verlief eigentlich ganz ruhig, doch wir hatten Nachmittag, also eine lange Mittagspause...

Ich ging zum Pausengong also gleich raus ohne dass mich jemand ansprechen konnte, setzte wieder die Kopfhörer auf und schaltete auf Maximum. Die Welt um mich herum verschwand wie auf Knopfdruck und es war auf einmal angenehm still, ... wenn man das mit extrem lauter Hardrock Mucke so bezeichnen konnte.

Etwa zwei Songs weiter kam jemand auf mich zu. Es war einer dieser Kerle die mich damals bedroht hatten. Ich nahm meine Kopfhörer ab um es einfach über mich ergehen zu lassen was jetzt wahrscheinlich folgte. Er grinste höhnisch und packte mich am Kragen. "Du fühlst dich wohl ganz toll mit deinen Kopfhörern, oder? Machst hier einen auf Einzelgänger? Nathalie hat mir erzählt dass du 'n kleines Weichei bist das mit niemandem redet." Nathalie war diese Pute die dauernd lispelte und mich auch dauernd fertig machte. Ganz ehrlich.. dass die noch keiner gemobbt hat..? "Naja, dich will eh keiner in der Gruppe haben, stück Scheiße. Deine Mutter is wahrscheinlich genau so hässlich wie du, oder?" - Weiter würde dieser Drecksack nicht reden können. Meine Gefühle kochten schlagartig über. Das ließ ich nicht auf mir sitzen. Deshalb schlug ich ihm mit voller Wucht in die Magengrube und als er sich da so vor mir vor Schmerzen krümmte, verpasste ich ihm noch einen Kinnhaken bis er schließlich am Boden lag. Der würde sein Maul eine Weile lang nicht aufbekommen, so hoffte ich.

Nur wenige Momente später kam, zu meinem Pech, auch schon eine Lehrerin angerannt und hielt mir den Arm fest, obwohl ich schon lange nicht mehr zuschlagen wollte. Natürlich war nun ich der Depp der den Mist ausbaden musste. Ich wurde sofort zum Rektor geschickt und bekam erst mal einen Schulverweis und Schulordnung abschreiben. 10 Mal. Damit war mein Ruf an der Schule nun völlig versaut. Aber was sollte ich machen? Der Kerl hat einfach so meine Mutter mit rein gezogen und das ließ ich einfach nicht auf mir sitzen.

In den folgenden Tagen bekam ich Hass-Nachrichten auf Facebook, Schueler.cc und per Mail. Alle meine Profile wurden mit Nachrichten wie: "Geh sterben du verdammter Loser!" oder "Einfach unschuldige Leute schlagen?! Asoziales Arschloch!" zugemüllt. Ich konnte durch die ganzen Hass-Posts und so gar nicht mehr vor die Tür gehen. Jeder in der Gegend wusste nun dass ich das gemacht hatte und ich so schon in sehr viele Gerüchte verwickelt war, die null stimmten und einfach so aus dem leeren gegriffen waren.

Am Abend kam meine Mutter dann irgendwann nach Hause und stürmte sofort in mein Zimmer. "Was hast du denn angestellt?! Wieso hast du diesen Typen geschlagen? Weißt du dass gerade jeder darüber spricht? Die sehen mich alle komisch an.." rief sie sofort. Sie war total aufgelöst. "Hab.. Hab ich irgend etwas falsch gemacht? Liegt es an mir? Wenn ja, dann bitte sag mir was ich ändern kann!" "Es is nich deine Schuld.." murmelte ich fast unverständlich und versteckte mich unter meiner Decke. Mein Gesicht war komplett nass, ich konnte wieder kaum etwas sehen. Es war alles so unwirklich. Was hatte ich denn gemacht dass mich alle hassten? War ich wirklich so ein schlechter Mensch? Meine Mutter hatte durch mich gerade nur Probleme..

Was sollte ich dagegen tun? Vielleicht war für mich auf dieser Welt ja wirklich kein Platz. Ich plagte mich tage lang mit diesen Gedanken herum, bis ich mich schließlich doch wieder vor die Tür traute. Jedoch nachts. Keine Menschenseele war um drei Uhr morgens noch wach, also beschloss ich etwas laufen zu gehen.

Etwas später kam ich an einem Eingang zum Londoner Underground vorbei, also den U-Bahnhöfen der Stadt. Doch um diese Uhrzeit kam gerade keine Bahn. Ich setzte mich auf eine der Bänke und starrte eine Weile lang auf eine der Reklametafeln.

Ich bin wertlos. Ich bin nur ein stück Scheiße. Was will die Welt mit mir anfangen?

Das schwebte mir die ganze Zeit im Kopf herum. Ich wollte keine Last mehr für meine Mutter oder andere Leute sein. Vielleicht gehörte ich wirklich nicht in diese Welt. Vielleicht war ich ja wirklich ein Fehler, der nicht hätte passieren dürfen.
Mit diesen Gedanken stand ich langsam auf und lief auf die Bahnsteigkante zu. Die Worte von meinen Mitschülern, von meiner Mutter und die Online Posts schwirrten mir in dem Moment in meinem Kopf herum. Ich war erfüllt von leere. Mein Herz war schon lange ausgebrannt und in tausend kleine Teile zersplittert. Mein Lebenswillen sank schritt für schritt. Dann blieb ich an der Kante stehen und sah mit einem leeren Blick auf die Gleise.

Noch immer schwirrten mir die Stimmen im Kopf rum. Dann stieg ich runter zu den Gleisen und sah in ein Ende des Tunnels. Die Tränen flossen mir über die Wangen und einen kurzen Moment später sackte ich plötzlich zusammen...

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