*Mila*
"Und hier kannst du schlafen! Ich weiß, es ist nicht viel, aber besser als nichts... oder?" Nervös präsentiert der Mann, der sich mittlerweile als Søren vorgestellt hat, mir sein Bett. Es ist ganz anders als das, das bei Olvai im Schlafzimmer stand. Anders, doch trotzdem einladend. "Das ist so lieb von dir..." Wieder spüre ich, wie die Tränen sich aus meinen Augen drücken wollen. Vorsichtig zieht er mich wieder an seine Brust. Nicht aufdränglich, nein, ganz und gar nicht; er gibt mir genau das, was ich gerade brauche. "Ich hol dir noch kurz ein paar Klamotten zum Schlafen! Das Bad ist den Flur entlang und dann die 2. Tür rechts. Unter dem Waschbecken sind ein paar verpackte Zahnbürsten und ein paar Handtücher müsstest du dort auch finden können! Fühl dich wie zu Hause!" Ich nicke und bleibe trotz allem in der Tür stehen. Søren scheint es nicht zu bemerken, denn er läuft geradewegs zu seinem Schrank und frimmelt ein paar Klamotten heraus. Ich weiß nicht, was mich dazu geritten hat, ihm genug zu vertrauen, um mich in diese Situation zu begeben. Irgendwas in meinem Bauch hat mir gesagt, dass ich diesem Typ mit den Locken vertrauen kann. Was für eine Wahl hatte ich überhaupt? Ansonsten wäre nur die Straße möglich gewesen, und das wäre mindestens genauso gefährlich gewesen, wie das hier. Also stehe ich hier nun am Türrahmen dieses Verrückten und schaue ihm dabei zu, wie er sich gerade seinen Schlafanzug anzieht. -Moment? ICH MACHE WAS?! Schnell drehe ich mich um und stürze den Flur entlang zur beschriebenen Tür.
Als ich an der Tür ankomme, reiße ich diese sofort auf und stürze mich ins dahinter liegende Dunkel. Gott war das knapp. Ganz toll Mila! Geh mit einem Fremdem nach Hause, der dir Helfen will und schau ihm beim Umziehen zu, das kommt bestimmt super rüber! Erleichtert über meine gerade noch so geglückte Flucht, will ich mich nun meiner nächsten Aufgabe widmen und das tun, was Søren denkt das ich tue. Aus diesem Grund taste ich nach dem Lichtschalter. Doch bevor ich ihn finden kann, geht das Licht auch schon an. "Suchst du was?" Erschrocken zucke ich zusammen und drehe mich um. Vor mir steht ein Mann in Boxershorts. Er hat verwuschelte rote Haare und einen 3-Tage Bart. Und er sieht nicht erfreut aus, dass ich einfach so in seinem Zimmer auftauche. "Fuck, falsche Tür!" Murmle ich mehr zu mir selbst, als zu ihm, doch trotzdem scheint er mich zu hören. "Ja, dass kann man so sagen! Lass mich raten, Søren hat dich abgeschleppt und jetzt, da du ihn im richtigen Licht siehst, suchst du nach dem nächst besten Fluchtweg? Keine Sorge, ich verrate dich nicht, du kannst das Fenster nehmen und dann einfach durch den Garten." Langsam schleicht sich ein Grinsen auf sein Gesicht, aber mir ist so gar nicht nach Lachen zu Mute. "Søren hat mich nicht abgeschleppt! Er hat mir geholfen! Und ich war eigentlich gerade auf dem Weg zum Bad! Gute Nacht!" Damit drehe ich mich um und maschiere aus dem Zimmer. Gerade noch rechtzeitig, bevor mir die Schamesröte ins Gesicht schießt. Vorsichtig öffne ich die nächste Tür, hinter der sich dann zum Glück auch wirklich das Badezimmer befindet. Alles ist an seinem beschriebenen Platz und kurze Zeit später klopft auch schon Søren, um mir eine Jogginghose und ein weites Shirt zum Schlafen zu bringen.
*Søren*
Natürlich habe ich mitbekommen, wie sie mich noch eine Weile beobachtet hatte, doch wollte ich ihr keine Schuldgefühle geben. Irgendwie ist es mir wichtig, dass es ihr gut geht. Aus diesem Grund hatte ich sie auch nicht auf das Malheur angesprochen, von dem Morten mir offensichtlich sofort erzählt hatte, kaum dass sie sein Zimmer verlassen hatte. Auch ihm habe ich deutlich gemacht, sie nicht damit zu ärgern. Jetzt sitze ich auf der Couch und kann nicht schlafen. Nachdem sie im Bad fertig gewesen war, kam sie nochmal kurz zu mir und hat sich für allles bedankt. Doch ich will ihren Dank nicht. Ich will nur, dass ich diesen Schmerz, den sie vorhin vor der Bar in den Augen hatte, nie wieder sehen muss. Niemals wieder. So sitze ich also hier und denke nach. Was ist es, dass diese Frau an sich hat, das mich einfach so alles um mich herum vergessen lässt? Klar, ich bin hilfsbereit. War ich schon immer. Aber normal beschränkt sich das auf Freunde und alte Frauen, die eine Straße überqueren wollen. Und nun stolpert Mila in mein Leben und auf einmal fühlt sich alles so anders an. DOch tief in mir drinnen weiß ich, dass das alles eine tiefere Bedeutung hat. Hätte ich zu diesem Zeitpunkt gewusst, was noch alles auf uns zu kommt, hätte ich sie am nächsten Morgen vor die Tür gesetzt. Doch das wusste ich nicht und somit richte ich am nächsten Morgen zusammen mit Morten ein ausgewogenes Frühstück für 3 Personen.
*Mila*
Nachdem ich mich noch einmal bei Søren für alles bedankt habe, liege ich nun in seinem Bett und starre ins Dunkle vor mir. So fühlt es sich also an alleine in einem fremden Land zu sein. Die ganzen letzten Wochen war ich nie allein gewesen. Immer war Olavi da gewesen, auch wenn wir ab und an mal streit hatten. Doch jetzt ist er nichtmehr da. Und ich bin alleine in einem fremden Haus bei fremden Leuten in einem fremden Zimmer in einem fremden Bett. Alleine, ganz alleine. Und ich hasse das Gefühl des Alleinseins. Noch nie konnte ich es leiden. Denn beim Alleinsein kommt die Angst. Die Angst vorm Versagen. Die Angst davor, was der nächste Tag bringen wird. Was all die Leute, die dich nicht so akzeptieren, wie du bist, sich wieder einfallen lassen, um dein Leben schwerer zu machen, als es eh schon ist. Wie eine Krankheit dringt sie erst langsam in den Körper ein und verbreitet sich dann in unaufhaltbarer Geschwindigkeit, bis du an nichts anderes mehr denken kannst, als keine Angst zu haben. Und genau das macht alles nur noch schlimmer. Denn in dem Moment, indem du beginnst dich darauf zu konzentrieren keine Angst zu haben, wirst du dich auf nichts anderes mehr konzentrieren können und das Gefühl ergreift nur noch mehr von dir Besitz. Ja, ich hasse das Alleinsein. Doch genau in diesem Moment fühlte ich mich einsamer als je zuvor.
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Shall we be grateful?
FanfictionWas passiert, wenn alle Dinge gegen dich stehen? Du alleine und am Boden zerstört in einer Bar sitzt und sich plötzlich zwei verrückte Kerle neben dich setzten die ganz zufällig in einer bekannten Band spielen? Würdest du dich, wie Mila, auf das ver...