Meine Mutter schmeißt mich raus

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„Alles, nur nicht das!" sage ich frustriert. Ich komme in die Küche und setze mich auf einen der Hocker. Mum bleibt locker an der Theke gelehnt stehen und sieht zu mir herüber ohne die Miene zu verziehen.

„Du weißt, dass es nicht anders geht. Ich glaube nicht, dass du zu deiner Großmutter fahren willst, oder?" Sie zieht einer ihrer blonden Brauen nach oben und verschränkt die Arme. Sie trägt wieder ihr Anwaltskostüm in dunkelblau und die Haare hat sie in einen strengen Knoten nach hinten gebunden. Fertig um zur Weiterbildung zu fahren.

„Nein, danke! Aber ich könnte doch auch zu Cora gehen. Oder zu Riley." Krampfhaft versuche ich mich an wirklich jeden zu erinnern, der hier in der Nähe wohnt und mich für eine Woche bei sich aufnehmen würde.

„Glaub mir, ich würde dich nicht dort hinschicken, wenn es nicht die einzige Möglichkeit wäre." Mum klingt selbst nicht überzeugt von ihrem Plan, mich zu meinem Vater zu bringen. Es ist schon Jahre her, dass wir ihn gesehen haben. Nicht mehr seit sie dort mit ihm lebt.

„Und was ist,wenn ich allein hier bleibe?" Einen Versuch ist es ja Wert, denke ich optimistisch, doch als ich in das Gesicht von Mum sehe verpufft dieser Gedanke gleich wieder.

„Oh nein! Das kommt nicht in Frage! Du weißt doch, wie viele Einbrüche es hier in dieser Gegend schon gegeben hat. Da wirst du mir nicht allein in der Wohnung bleiben!" sie kommt um die Kücheninsel herum und legt einen Arm um meine Schulter. „Eine Woche, mein Schatz. Mehr nicht. Und wenn es wirklich gar nicht klappt, dann kannst du immer noch zu deinen Freunden gehen." ich seufze und lasse geschlagen meine Schultern hängen.

„Na gut." Müde setze ich mich wieder auf, wobei ihr Arm von meinen Schultern gleitet. Wir stehen uns kurz gegenüber. Sie lächelt schief und streicht mit dem Finger meine langen Haare, die fast in dem selben hellen Blond sind wie ihre, aus mein Gesicht.

„Du schaffst das. Deine Schwester hat es auch geschafft, weißt du noch?" ich zucke bei ihren Worten zusammen. Mum redet sonst nie über Frida.

 „Ja und kurz darauf ist sie verschwunden." murmle ich vor mich hin. Ich wende mich von ihr ab und gehe in mein Zimmer. Wie, als ob sie mich verspotten will, steht meine Tasche noch auf meinem Bett, bereit nicht mehr zu meiner Tante zu fahren. Verärgert packe ich die Henkel der Tasche, während ich vor mich hin murre. Mit einem Ruck hieve ich sie vom Bett und trage sie in den Flur. Dort schlüpfe ich in meine Sneaker und ziehe mir meinen Parker über.

„Bring du doch schon mal die Tasche ins Auto. Ich komme gleich nach." höre ich Mum aus der Küche sagen. Ich zucke mit den Schultern und öffne die Tür. Drei Etagen weiter unten öffne ich den Kofferraum von unserem KIA. Im selben Moment, wie ich meine Tasche hebe, bekomme ich eine Nachricht auf meinem Handy. Ich hole es heraus. Promt springt mir die Nachricht entgegen. 

 „Was willst du denn jetzt?" frage ich leise. Die Nachricht ist von Logan Hale. Nachbar, Klassenkamerad und ein totaler Idiot.

„Na wo geht's denn jetzt wieder hin? Nimmst du mich mit?" mir wird gleich klar, dass er gerade gegenüber aus seinem Fenster schaut und auf meine Reaktion wartet. Ohne aufzusehen antworte ich „Nur über meine Leiche." 

Ich knalle den Kofferraum wieder zu. Ich zähle im Gedanken bis 30, während ich am Auto gelehnt auf meine Füße starre. Endlich höre ich eine Tür zugehen, aber leider ist es nicht unsere Haustür. Mit einem Seufzen drehe ich mich um und sehe Logan direkt an, der auf der anderen Straßenseite steht. Er kommt herübergeschlendert, mit den Händen in den Taschen seines Pullis. Kaum ist er nah genug, fängt er an zu reden und wie immer hört man den Sarkasmus nur so aus dem Mund triefen.  

 „Das war aber eben nicht sehr nett." er lächelt von oben herab. Ich könnt kotzen. Immer dieselbe Leier. Kann er sich seine blöden Kommentare nicht einfach sparen? „Sollte auch nicht nett gemeint sein." fauche ich als Antwort. Mit verschränkten Armen zeige ich ihm die kalte Schulter. Im Augenwinkel sehe ich, wie Logan sich gespielt entgeistert eine Hand an den Hals legt.

 „Das kränkt mich zutiefst. Warum musst du immer so gemein sein, Eske?" zähneknirschend versuche ich die Tatsache, dass er mich schon wieder beim Nachnamen nennt, zu ignorieren, denn er weiß ganz genau, dass ich meinen Nachnamen nicht leiden kann.

 „Ich weiß nicht" ich setze meine Unschuldsmiene auf und drehe mich zu ihm, „Vielleicht solltest du dir mal darüber Gedanken machen, woran das liegen könnte, Hale." Er grunzt als Antwort und steckt die Hand wieder in die Tasche zurück.

 „Ach halt doch die Klappe, Eske. Wo fährst du jetzt eigentlich hin?", „ Geht dich einen Scheißdreck an." unter meinen Armen balle ich die Fäuste. Reiß dich zusammen!, ermahne ich mich selbst. 

 „Fährst du wieder zu deiner zurückgebliebenen Tante? Ich hab gehört, sie wäre einmal fast in der Klapse gelandet, die Arme." Okay, das wars! Scheiß auf gute Vorsätze. Drohend hob ich eine der Fäuste und ging einen Schritt auf ihn zu. Leise sage ich „Sag noch ein Wort über meine Tante.." „Und was?  Willst du mich windelweich schlagen?" er fängt an zu lachen. 

Ich höre erneut wie eine Tür ins Schloss fällt und atme erleichtert auf, als ich das vertraute Klacken von Mums Schuhen auf dem Boden höre. Logans Lachen verstummt sofort, aber sein fieses Grinsen ist noch immer in seinem Gesicht. „N'abend Frau Eske. Haben sie abgenommen? Sie sehen echt schick aus in dem Kostüm."

So ein Schleimer, denke ich, während ich in ihre Richtung den Finger in den Hals stecke und ein würg Geräusch von mir gebe. Mum versteht und geht schnell auf die Fahrerseite vom Auto. Kurz bevor sie einsteigt sagt sie trocken „Hau ab, Logan. Und lass meine Tochter in Ruhe."

„Wie Sie wünschen." murmelt er und geht davon. Als ich ich mich auf den Beifahrersitz setze, sieht mich Mum fragend an. „Fahr einfach." sage ich müde.

Sie startet den Motor. Ich sehe wie die Häuser in unserer Straße an uns vorbeiziehen und wünsche mir nichts sehnlicher als einfach hierbleiben zu können...


WaldläuferWo Geschichten leben. Entdecke jetzt