Ein unerwartetes Geschenk

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Oben gibt es drei Zimmer und ein Bad. Der obere Flur ist wie eine Galerie und führt in Form eines Vierecks um die Treppe herum. So kann man vom Geländer aus in den unteren Flur sehen. Entlang des Flurs kommen erst die drei Zimmer und am Ende das Bad. Ganz links liegt mein Zimmer. Dann kommt das Schlafzimmer von Dad und dem Stiefmonster und daneben ist Fynns Zimmer, was man jetzt laut und deutlich hören kann, denn er spielt auf seiner Gitarre.

Dad öffnet die Tür und ich werde überrumpelt von der Vergangenheit. Nichts hat sich verändert. Alles steht noch an seinem alten Platz. Mein Bett unter dem Fenster, daneben der Schreibtisch. Sogar meine alte Kommode, wo Frida unsere Namen reingeritzt hat, steht noch neben der Tür.

„Wow.." schaffe ich es zu sagen. Dad grinst verlegen. „Ich hatte immer gehofft, du würdest eines Tages nochmal vorbeikommen." „Und Yvonne hatte nichts dagegen?" bestürzt schaut er zu mir ins Zimmer.„Warum sollte Yvonne etwas dagegen haben? Denkst du immer noch, dass sie dich nicht leiden kann?" Nein Dad, denke ich für mich, ich weiß es. Anstatt das zu sagen zucke ich nur mit den Schultern.

Immer noch im Türrahmen stehend wendet er sich kopfschüttelnd nach links und reckt sich nach oben, um eine Art Leiter herunterzuklappen. „Du solltest lieber dankbar sein. Dank Yvonne und ihren Freunden haben wir es geschafft das hier zu bauen." Er weist mit der Hand ans obere Ende der Leiter, wo sich eine Luke in der Decke befindet. „Nach dir." mit einer Handbewegung bedeutet er mir, die Leiter hochzuklettern. Sichtlich verwirrt klettere ich die Sprossen hoch und steige durch die kleine Öffnung.

Oben angekommen finde ich mich im Dachboden wieder. „Dad, was soll das?" Er stellt sich neben mich und greift zur Seite.„Das wirst du gleich sehen." er legt einen Schalter um und erweckt den Raum zum Leben. Die Lichter schalten sich nacheinander an und sogar ein kleiner Lüfter steht in der Ecke, der warme Luft spendet.

Als ich sehe, in was für einen Raum ich stehe, dreht sich mir der Magen um. Das sind ihre Sachen!, denke ich und starre weiter auf die Möbel. Direkt vor mir steht ein altes braunes Sofa. Geradezu ein ziemlich staubiges Keyboard und auf der anderen Seite ein kleiner Fernseher auf einem Ecktisch. Zuletzt noch der kleine Schreibtisch aus Birkenholz, mit passendem Stuhl dazu. „Ich dachte du hättest sie weggeworfen..?" flüstere ich. „Wo denkst du hin? Ich habe sie alle aufgehoben. Sogar ein bisschen von ihrer Kleidung konnte ich retten."

Wie ein Wirbelwind drehe ich mich zu ihm um. „Du hattest sie von Anfang an und hast es mir NICHT gesagt?" schreie ich ihn an. Er reißt die Augen weit auf und hebt abwehrend die Hände. „Ich dachte du würdest dich freuen?" sagt er in normaler Lautstärke, klingt aber eindeutig verletzt. Ich bin so in Rage, dass ich das kaum bemerke. „Mich freuen? MICH FREUEN? Du hast dich damals nicht EIN BISSCHEN darum geschert, wie es Mum und uns ging und jetzt nimmst du dir das Recht, Fridas Sachen zu BEHALTEN!?" mir steigen die Tränen in die Augen. Wütend wische ich sie mir aus meinem Gesicht. Nicht hier!, schießt es mir durch den Kopf, Nicht vor ihm!

Ich schubse ihn zur Seite und springe durch die Luke. Fynn steht verwirrt im Türrahmen. „Lia, was ist denn los?" Mein Blick verschwimmt und ich versuche mich an ihm vorbeizudrücken, um zur Treppe zu gelangen, doch er hält mich am Arm fest. „Lass mich los!" ich will schreien, doch heraus kommt nur ein verärgertes Flüstern. „Erst sagst du mir, was hier abgeht!" Du musst hier raus! Höre ich wieder in meinem Kopf. Ich reiße mich mit einem Ruck von ihm los und renne davon. Die Treppe runter, durch die Haustür und ich es mich versehe stehe ich im Wald.

Schwer atmend drehe ich mich zum Haus um, dass man gerade noch zwischen den Baumkronen erkennen kann. Die Wut verpufft und wird durch tiefer Traurigkeit ersetzt. Er hat mich schon wieder verraten. Wie er es auch sonst immer getan hat. Erschöpft gebe ich mich diesem Gedanken hin und gehe weiter in den Wald hinein.

Langsam wird es dunkel. Ich bin schon ein ganzes Stück gegangen. Ich drehe mich kurz um, in der Hoffnung noch zu wissen, wo ich bin, da geschieht es. Mit einem lauten KRACK! bricht unter mir eine Wurzel und plötzlich habe ich keinen Boden mehr unter den Füßen. Ich falle den Hang hinunter, der wie aus dem Nichts aufgetaucht ist und bleibe unten still liegen...

WaldläuferWo Geschichten leben. Entdecke jetzt