Das mit dem Tanzen und mir ist so eine Sache. Ich begann damit, als ich 6 war und meine beste Freundin Maddy von ihrer Mutter dazu gezwungen wurde, einem Balletverein beizutreten. Um ihr beizustehen, schleppte ich mich mit ihr zu den Trainigsstunden. Während mir das Tanzen langsam anfing Spaß zu machen, verließ Maddy den Verein bald drauf wieder. Nachdem mir das Tanzen angefangen hatte, Spaß zu machen, musste ich 8 Jahre später wieder aufhören. Ich war damals 14, das Ganze ist also erst 2 Jahre her und es war die Zeit, als meine Mum krank wurde. Die Ärzte waren sich einig, dass meine Mutter unter Depressionen litt. Sie bekam Medikamente und verschanzte sich oft tagelang in ihrem Schlafzimmer. Ich wusste zu de Zeitpunkt nicht einmal, was "Depression" überhaupt bedeutet und warum sie meine Mama immer so traurig aussehen ließ. Es gab auch Lichtblicke, manchmal schien sie fröhlicher zu sein und manchmal habe ich mir vorgestellt, wie es sein würde, wenn wir einfach wieder eine normale Familie sen könnten. Es war wirlich eine schwere Zeit, denn es ist schwer, seine eigene Mummy krank zu sehen. Aufgrund meines Kummers, verpasste ich viel in der Schule und irgendwann zwangen mich meine Eltern, mit dem Ballet aufzuhören.
Warum ich nie wieder angefangen habe, weiß ich nicht. Die letzten zwei Jahre waren die schwersten meines Lebens und wieder mit dem Tanzen anzufangen, hätte mir bestimmt das Gefühl gegeben, wieder ein Teil meines kleineren Ichs zu sein. Doch wahrscheinlich hatte mich das Wissen gehemmt, dass sie nie auf der Tribüne der Turnhallen sitzen würde, um mir zuzusehen, wie ich von Wettkampf zu Wettkampf besser wurde. Und nun, mit 17 Jahren waren eh meine Muskeln abgebaut, meine Kondition erschöpft und mein Kampfgeist irgendwo begraben. Und der Umzug? Mein Tanzherz war wortwörtlich gebrochen.
Ich wachte vollkommen in meine Decke verheddert auf. Ich brauchte kurz, um mich daran zu erinnern, wo ich war. Als meine Gehirnhälften fertig geortet hatten und ich festgestellt hatte, dass ich mich in meinem neuen Zimmer befand, wagte ich es, aufzustehen und einen Blick nach draußen zu werfen. Dicke Schneeflocken schwebten vom Himmel und die Straße war überzogen mit einer weißen Schicht. In der Einfahrt stand der Jeep meines Vaters. Und neben dem Jeep stand mein Vater, mit einer Schneeschaufel kämpfend und räumte die Einfahrt frei. Ich klopfte von oben an die Scheibe, doch er hörte mich nicht. Kurzerhand warf ich mir eine Jacke über und tapste nach unten. Ich stellte eine Tasse unter die Kaffeemaschine und während der Kaffee in die Tasse lief, öffnete ich die Haustür. " Morgen!", rief ich meinem Vater zu. Als er mich sah, hellte sich seine Miene auf. Er stapfte durch den Schnee hinüber zur Veranda. "Guten Morgen!", begrüßte er mich. "Gut geschlafen?" Ich nickte. "Heute Nacht hat es wieder fast 12 Zentimeter Neuschnee gegeben. Ich habe mich mal erkundigt, deine Schule liegt mit dem Auto 10 Minuten weit entfernt von uns, dass lässt sich selbst bei einem Scheesturm gut erreichen."
Er lachte und schob mich wieder zurück ins Haus.
"Du holst dir noch eine Erkältung. Sag mal, Jane.." Er wusste offenbar nicht, wie er weiterreden sollte.
"Ja, was ist?", fragte ich.
"Du..dir gefällt es doch auch hier, nicht? Ich meine, du kannst dich doch hier einleben?"
"Klar. Wenn ich erstmal zur Schule gehe, geht es sicher schnell." Wie zur Bekräftigung lächelte ich.
"Dann ist ja gut. Ich fahre jetzt zur Wache. Ich habe gestern Abend noch eingekauft, irgendwo liegen Nudeln. Wenn ich wiederkomme, können wir schon anfangen zu streichen. Mach dir einen schönen Tag, ja?" Ich nickte wieder (langsam kam ich mir vor, wie so eine chinesische Winkekatze, nur im Dauernickmodus). Er gab mir einen Kuss auf den Scheitel, dann griff er nach dem Autoschlüssel und verschwand im Schneegestöber.In dem Moment piepte die Kaffeemaschine und ich schloss die Tür, um meinen Kaffee abzuholen. Während ich mich in dem völlig unterkühlten Wohnimmer auf die Couch setzte, dachte ich über das Gespräch gerade nach. Ich fand es ok hier. Viel hatte ich ja eh noch nicht gesehen. Und sobald ich in die Schule gehen würde, würde ich sehen, ob ich meine neue Umgebung ertragen konnte.
Nach einem kurzen Frühstück fand ich mich schließlich im Flur wieder. Ich brauchte dringend Beschäftigung und ich hatte noch nicht die Motivation, mir die Schulbücher anzuschauen, die gestern mit der Post angekommen waren. Im Flur standen Farbeimer und ein Pinselset, dass teils Papa besorgt hatte, teils die Maler hier gelassen hatten, als sie vor unserem Einzug die schwer zu erreichenden Orte im Haus, wie das Treppenhaus gestrichen hatten. Weil ich nicht wirklich wusste, wo ich anfangen sollte und wie ich vorgehen sollte, griff ich einfach nach einem Spachtel und stellte mich mitten ins Wohnzimmer. Falls man das überhapt so nennen kann. Hier konnte ich eigentlich wenig falsch machen, die Tapeten hatten eine schmutziggrauen Farbton und hingen ähnlich wie in der Küche traurig hinunter. Ich verbrachte den Vormittag damit, die Tapeten mit einem Spray einzuweichen und von der Wand zu kratzen. Irgendwann holte ich mir die Leiter dazu, um auch die hohen Stellen an der Wand erreichen zu konnte. Nebenbei hörte ich die Charts hoch und runter. Es musste ziemlich witzig aussehen, wie ich da im Schlafanzug auf der Leiter stand, Tapete abkratzte und albern hin und her tanzte. Gegen Mittag war das ganze Wohnzimmer tapetenfrei, ich war aber noch nicht fertig. Ich war förmlich im Tapetenabkratzfieber. Gegen Mittag ging ich nach oben und zog mir etwas richtiges an, weil mir die Schlafanzugnummer dann doch ein wenig komisch vorkam. Nachdem ich allen Krempel aus dem Flur ins Wohnzimmer geräumt hatte, setzte ich meine Arbeit im Flur fort. Als der Jeep meines Vater die Einfahrt hochrollte, war es bereits später Nachmittag und draußen fast dunkel. Ich war gerade fertig damit, die Tapetenreste von der letzten Wand im Flur zu wischen, als die Tür aufging und mein Vater völlig eingeschneit hineinkam. Überascht zog er sich die Mütze vom Gesicht. Er ließ seine Tasche und Jacke auf die Kommode gleiten und realisierte erst dann die Leere im Flur. "Du hast die Tapeten abgekratzt?", fragte er verdutzt.
"Ja, ich hatte den ganzen Tag nichts zutun. Dann können wir morgen direkt mit dem Tapezieren anfagen, dachte ich." Langsam machte sich Freude in seinem Gesicht breit.
"Das ist super. Mensch, du hast den ganzen Flur alleine freigekratzt?"
" Das Wohnzimmer auch..", gab ich kleinlaut bei. Bescheuert, denn ich müsste eigentlich vollkommen stolz damit herausplatzen. "Ich wollte ein bisschen helfen."
"Hör zu, ich habe auf dem Rückweg mit Mark telefoniert, er hat morgen Zeit und kann uns helfen, zu tapezieren. Eigentlich hatten wir vor, erst alle alten Tapeten zu entsorgen, aber wenn das jetzt so ist, rufe ich ihn sofort an und sage ihm, dass wir morgen direkt auch streichen." Ich grinste. Um das Thema zu wechseln, deutete ich auf die Pizzakartons in seiner Hand.
"Du hast was zu Essen mitgebracht?" Wie als wäre ihm erst gerade wieder eingefallen, dass er zwei Kartons in seiner Hand hielt, schaute er sie an und hielt sie mir dann entgegen, damit ich hinein schauen konnte. Er hängte seine Jacke vernünftig auf und folgte mir in die Küche, wo ich bereits anfing, die Pizzen zu schneiden. Ich hatte außer einem Joghurt am Mittag kaum etwas gegessen, und hatte dementsprechend riesigen Hunger.
Wir setzten uns an den provisorischen Küchentisch, der bis jetzt nur aus einem kaputten Tapeziertisch bestand und schauten eine Folge "The Walking Dead" auf dem Laptop meines Vaters. Er versprach mir, so bald wie möglich den Fernseher anschließen zu lassen. Es hatte schon etwas, in der vollkommen heruntergekommenen Küche umgeben von Möbeln zu sitzen , die eigentlich in ganz andere Räume gehörten. Die Pizza war echt gut und als aus einer "Walking Dead"- Folge immer mehr wurden (eine Sucht hatte mein Vater, das musste man ihm lassen). Wir schauten, bis die Akkuanzeige vorwurfsvoll blinkte und mir fast die Augen zufielen. Mein letzter Gedanke war, dass heute ein guter Tag gewesen war.
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You were the change // Jane & Theo
Teen FictionAls ihr Vater eine Villa im Reichenviertel der Kleinstadt "Hampshire" erbt, zieht Jane wohl oder übel mit um. Die vollkommen verdreckte Villa macht erst nicht den Eindruck, als könne sie sich hier je zu Hause fühlen, doch gleich am ersten Abend hör...