Gedanken eines Hochbegabten

Teil 2

Na super. Eine 6 hat mir gerade gefehlt. Mein Vater bringt mich um, er versteht das nicht. Meine 1 in Mathe, die 2 in Geschichte interessieren ihn gar nicht. Aber eine 6 Latein, das ist das schlimmste überhaupt. Meine Lehrerin meint, ich bräuchte jeden Tag intensive Nachhilfe um das Jahr zu schaffen. Das hat sie aber nicht zu mir gesagt, wieso sollte sie auch, nein, sie sagt es meinem Vater am Telefon. Ich versuche ihm zu erklären, dass Nachhilfe nichts bringt. Die Grammatik ist leicht, und die kann ich auch. Das einzige, was nicht funktioniert, sind die Wörter. Und daran ändert eine Nachhilfe auch kaum etwas.

"Deinen PC bist du erstmal los, solange du die Note nicht verbessert hast!"
Seine Worte hallen immer noch in meinem Kopf. Wie kann er zu so etwas grausamen fähig sein? Er weiß, wie viel mein PC mir bedeutet!
Ich programmiere seit ich 9 bin. Es ist für mich eine Art Ventil, um alle Gedanken loszuwerden, die sich am Tag angesammelt haben. Und um alles zu vergessen, was am Tag passiert ist. Und jetzt ist er weg. Wegen einer Note.

Warum kann ich das nicht? Wieso schaffe ich es nicht, mich einfach hinzusetzen und zu lernen, wie jeder normale Mensch auch? Warum muss ich so sein? Ich lege mich in mein Bett und denke nach. Es kann doch nicht so schwer sein, denke ich mir.
Also nehme ich mein Lateinbuch zur Hand. Vielleicht wirds ja jetzt? Ich lese die Wörter... Eins nach dem anderen. removere - entfernen. Stammformen removeo, removi, remotum. Nächstes Wort. incola - Bewohner. Müssen die Leute in 3000 Jahren Deutsch lernen, wenn Deutschland schon nicht mehr existiert, sondern eine Zivilisation, die viel entwickelter ist als wir und Archäologen verzweifelt versuchen, ein ausgegrabenes Auto in Gang zu setzen?
Ich klappe mein Lateinbuch zu. So wird das nichts. Ich leg mich lieber schlafen. Das kann ich immer noch am besten.