Teil 2

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"Ja", sagte Flo tonlos. "Wie ja?", fragte ich verwirrt. "Flo?", fragte ich erneut als keine Antwort kam. Flo seufzte: "Es stimmt was Vanessa gesagt hat." Ich wollte etwas erwiedern, doch Flo hatte bereits aufgelegt. Wie gelähmt starrte ich auf das Display meines Smartphones. Das konnte doch nicht wirklich alles wahr sein. Alles war bestimmt nur ein furchtbarer Albtraum, aus dem ich jeden Moment aufwachen würde. Genau, das musste es sein! Ich würde doch niemals freiwillig etwas mit Flo anfangen! Also nicht das ich ihn nicht wirklich mochte, allerdings freundschaftlich. Ach was redete ich mir hier eigentlich schon wieder ein? Ich musste einfach einsehen, dass alles was mir jemals wichtig war jetzt auf einen Schlag zerstört ist.

Es war jetzt schon fast einen Monat her, dass ich mit Flo telefoniert hatte. Seitdem hatte ich mich in einem Hotel einquartiert, denn in der UWG hielt ich es keine Sekunde mehr aus. Ich hatte am Anfang tausende Male versucht mich mit Vanessa auszusprechen, doch sie hatte immer abgeblockt. Auch die Anderen wollten nichts mehr mit mir zu tun haben. Alle meine Anrufe und Nachrichten hatten sie ignoriert, wenn ich bei ihnen geklingelt hatte, hatten sie mir nicht aufgemacht. Selbst als ich Rick einmal beim Einkaufen getroffen hatte, hatte er mich behandelt als wäre ich Luft. Anscheinend hatte Vanessa allen von den Geschehnissen an diesem einen Abend erzählt. Seit eins, zwei Wochen versuchte ich außerdem auch Flo zu erreichen. Doch dieser hatte ebenfalls nie reagiert. Heute wollte ich noch einen letzten Versuch starten und bei ihm vorbeischauen. Wenn er mir heute wieder nicht aufmachen würde, würde ich es auch nie wieder versuchen. Vielleicht würde ich dann umziehen? In eine andere Stadt? Oder vielleicht sogar ein anderes Land? Hier hielt mich eh nichts mehr.

So stand ich also vor dem Mehrfamilien Haus in dem Flo wohnte und traute mich nicht zu klingeln. Was wenn er... "Boah Frodo! Jetzt reiß dich mal zusammen und drück auf diesen scheiß Klingelknopf!", sprach ich mir selbst Mut zu. Ohne noch groß weiter nachzudenken drückte ich auf die Klingel. Ich wartete. Eine Minute. Zwei Minuten. Ich klingelte erneut, doch es tat sich wieder nichts. Aber so schnell wollte ich nicht aufgeben, also probierte ich ihn nochmal anzurufen. Allerdings ging Flo nicht ran. Ich wusste zwar dass er nicht gern telefonierte, aber so langsam könnte er echt mal rangehen. Was wäre eigentlich wenn er nicht antworten könnte? Was wäre wenn ihm was passiert wäre? OMG! Was wenn er sich wegen mir was angetan hatte? Also jetzt übertrieb ich echt, trotzdem musste ich wissen ob es Flo gut ging! Auf gut Glück klingelte ich an sämtlichen Klingeln der Nachbarn. Nach gefühlten Ewigkeiten ertönte der Summer. Ich trat in den Hausflur. Dort wartete bereits eine ältere Dame auf mich. War das nicht die Hausmeisterin? Umso besser! "Guten Tag Frau...ähh" "Frau Leitz. Sie sind doch sicher ein Freund von Herr Mundt, oder? Ich hab sie hier schon öfter mit ihm gesehen", meinte die Frau freundlich. "Ja genau und zu dem wollte ich auch. Wissen sie zufällig ob er zu Hause ist? Es ist wirklich dringend", sagte ich gehetzt. "Tut mir Leid, Herr Mundt ist vor ein paar Stunden aus dem Haus gegangen und bis jetzt noch nicht wieder zurückgekehrt." "Wissen sie zufällig auch wohin?" "Nein. Vielleicht ist er zum Arzt. Ich dachte mir, dass er vielleicht krank ist. Er ist die letzten Wochen fast nie aus dem Haus gegangen, die letzte Woche überhaupt nicht", meinte Frau Leitz schulterzuckend. Jetzt wurde ich doch leicht panisch: "Können sie mich bitte, bitte in seine Wohnung lassen?" Etwas verwirrt guckte mich mein Gegenüber an: "Ist es wirklich so dringend, weil ich dürfte das eigentlich nicht..." Ich schaute sie nur flehend an. Umbedingt musste ich wissen was Flo hatte. Irgendwann erweichte sich die Hausmeisterin und lief mit mir in den dritten Stock, zu Flos Wohnung und schloss die Tür auf. "Sagen sie das bloß nicht weiter!", raunte sie mir zu bevor sie wieder ins Erdgeschoss verschwand. Vorsichtig stieß ich die Tür ein Stückchen auf und trat in Flos Wohnung. Ich war zwar schon tausende Male hier gewesen, allerdings fühlte es sich heute anders an. Als würde ich mir zu Etwas Zutritt verschaffen das für mich absolut Tabu war. Ich sah mich etwas in der Wohnung um. Alles wirkte irgendwie anders, irgendwie unvertraut und fremd. Vielleicht lag es an der zentimeterdicken Staubschicht, die so ziemlich alles bis auf ein paar wenige Möbelstücke bedeckte. Vielleicht aber auch an der Unordnung, die in der ganzen Wohnung herrschte, vielleicht aber auch an etwas ganz Anderem. Im Bad entdeckte ich etwas, das mich äußerst beunruhigte. Die kompletten Badezimmerschränke waren vollgestopft mit Verpackungen von Antidepressiva und anderen Medikamenten. Leere Verpackungen. "Oh Gott Flo! Was hast du nur angestellt?", flüsterte ich. Hatte er das alles nur wegen mir gemacht? War ich schuld wenn er depressiv wurde? Ich merkte wie sich meine Augen langsam mit Tränen füllten. Bitte nicht schon wieder weinen, das hatte ich in letzter Zeit schon zu oft getan. Trotzdem konnte ich meine Tränen nicht stoppen und so liefen sie mir bächeweise die Wangen herab, bis sie vom Kinn aus schließlich auf den Teppich tropften und dort kleine nasse Punkte bildeten. Alles war meine Schuld.

Nach einigen Minuten des Weinens konnte ich nicht mehr. Ich musste Flo finden und mit ihm reden. Also raffte ich mich auf. Blinzelte mir die letzten Tränen aus den Augenwinkeln und wollte mich auf die Suche nach meinem besten Freund machen. Als ich an der Kommode im Flur vorbeilief sah ich einen Brief darauf liegen. 'Frodo' stand in Flos Schrift in großen Lettern auf der Vorderseite. Was war das denn jetzt? War der Brief für mich? Wäre vielleicht möglich, wenn mein Name drauf steht... Mit zitternden Händen öffnete ich den Umschlag.

Lieber Frodo,

Ich möchte dir hiermit einfach nur sagen, dass du immer ein wichtiger Teil, wenn nicht sogar der wichtigste Teil, meines Lebens warst. Schon seit ich dich kenne warst du immer für mich da, hast mich in Allem unterstützt, sowie in guten als auch in schlechten Zeiten. Du warst einfach mein bester Freund. Warum warst, fragst du dich? Schon seit einiger Zeit wünsche ich mir, dass du mehr als nur mein bester Freund bist. Ja, du hast richtig verstanden: Ich liebe dich und zwar mehr als alles Andere auf der Welt. Lange habe ich mir Hoffnungen gemacht, mir immer wieder eingeredet, dass ich eine Chance bei dir hätte, obwohl du eine Freundin hast die du liebst. Oft hab ich Anspielungen gemacht, doch du hast es nie verstanden. Ebenso oft wollte ich dir bereits sagen was ich für dich empfinde, aber ich hab mich nie getraut. Ich hatte es schon fast aufgegeben als wir auf dieser Party waren und du plötzlich komplett anders warst. Nach einigen Shots und ein paar Bier bist du plötzlich auf meine Flirtversuche eingegangen, hast sogar von dir aus den nächsten Schritt gemacht und mich geküsst. In diesem Moment war ich der glücklichste Mensch auf Erden, ich dachte an keine weiteren Folgen und bin einfach mit dir in diese Sofaecke gegangen. Ich gebs zu ich wollte mehr von dir, da hatte es mich auch nicht mehr gestört, dass uns Vanessa beobachtet hat und heulend zusammengebrochen ist. Auch wenn ich an diesem Abend nichts bereut hatte, tut es mir jetzt alles so furchtbar leid. Ich weiß es ist jetzt zu spät und ich habe deine Beziehung bereits zerstört, sowie all unsere ehemals gemeinsamen Freunde gegen dich aufgehetzt, doch ich war einfach blind. Das alles bereue ich so sehr. Nur wegen meinem Egoismus liegt dein Leben jetzt in Trümmern. Ich weiß wirklich nicht wie ich das alles wieder gut machen könnte und da ich nicht hätte damit leben können, dich so traurig gemacht zu haben, habe ich beschlossen es vorzeitig zu beenden! Ja, genau. Ich will mich umbringen und wenn du diesen Brief hier liest habe ich es schon längst getan. Ich werde dich niemals vergessen...

dein ehemals bester Freund Flo.

Wie in Trance ließ ich mich zu Boden sinken. Der Brief glitt mir aus der Hand und landete ebenfalls auf dem Boden. Ich vergrub mein Gesicht in meinen Händen und fing an zu weinen. Schon wieder. Doch dieses mal länger und intensiver. Viel länger und viel intensiver. Stundenlang saß ich einfach nur da und weinte. Alles nur wegen mir! Wegen mir ist Flo tot!

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Ja, ich hab mir gedacht ich  schreib auch mal was... Kritik und Co in die Kommentare.
















Last Night (Froid TS)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt