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Warum verspüre ich dann diese verdammte Wehmut in meiner Brust? Nur weil er ein anständiger Kerl war? Mehr als anständig – Matej Zednik war für meine Begriffe fast ein Heiliger. Na gut, zumindest ein Geweihter. Auf anständige Typen traf ich nicht sehr oft und zu jemandem hingezogen fühlte ich mich noch viel seltener, weil mein ganzes Handeln, mein Leben, von der Jagd bestimmt wurde.

Nicht wegen der Liebe zum Beruf, wegen des Solds oder des Ruhmes, innerhalb der Gilde aufzusteigen, sondern aus einem ganz anderen Grund – Rache. Diese Rache glühte, seit ich sechs Jahre alt war, siedend heiß in mir und mit jedem getöteten Ungeheuer wurde sie nicht weniger, sondern brannte noch heller.

Vor all den Jahren, als ich noch ein unschuldiges Kind gewesen war – so unschuldig man denn sein konnte, wenn man in einer Familie von Gildenjägern aufwuchs –, hatten diese Monster mein Leben zerstört. Meine Eltern hatten diese epische Liebe füreinander empfunden, die ich sonst nur aus alten Schmachtfilmen kannte, die meine Mutter so gern gesehen hatte. Ständig hatten sie miteinander geturtelt, sich zufällig berührt und miteinander gescherzt. Alles war so einfach und richtig gewesen, bis zu jener Nacht. Aber wie schon gesagt, auch die schönste Liebe war nicht von Dauer und führte nicht zum ewigen Glück. Viel eher zum größten Schmerz und tiefsten Verrat.

Beklommen blieb ich mit dem AutoGleiter am Rand der Straße stehen und drückte so fest ich konnte die Fäuste auf meine zusammengepressten Lider. Doch das stoppte die Bilder nicht, die vor meinem inneren Auge wie ein Film abliefen. So oft hatte ich sie schon gesehen und noch immer fraßen sie sich unbarmherzig in mein Fleisch. Und plötzlich war es, als wäre ich wieder dort, in dieser Nacht vor achtzehn Jahren ...

Ich lag in meinem Bett, hatte meinen lila Teddy namens Heidi mit pinken Herzen auf dem Bauch unter meinen Arm geklemmt und versuchte einzuschlafen. Meine blonde Mum stammte ursprünglich aus Deutschland, daher hatte mein Teddy einen passenden Namen abbekommen, so etwas war immerhin wichtig. Genauso wie unser Kater Bruno, der seinem Namen mit Größe und Fettleibigkeit alle Ehre machte.

Während sich dieser schnurrend an meinem Bettende zusammenrollte und meine Gedanken immer träger wurden, lächelte ich, weil ich Dad in der Küche leise singen hören konnte, da die Tür einen kleinen Spaltbreit offen stand. Meine Mum lachte. Wahrscheinlich, weil sie fand, er würde schief singen, womit sie ihn ständig aufzog. Für mich hatte mein Dad die schönste Stimme überhaupt. Er war sowieso in allem am besten, egal bei welcher Sache.

Meine Augenlider wurden immer schwerer und ich befand mich mitten in diesem Dämmerzustand zwischen Wachsein und Schlaf, in dem man nicht mehr sicher ist, was Realität und was Traum ist. In diesem Moment zerriss ein Schrei die Luft und ein Teller ging klirrend zu Boden, zersprang in tausend Einzelteile – genau wie mein Leben.

Noch bevor mein Kopf verstand, was passierte, rieb ich mir meine Augen und drückte meinen Teddy fester an mich. Aus der Küche drangen weitere polternde Geräusche zu mir und rissen mich endgültig aus der Trägheit des Schlafes. Ein Fluch meines Dads ertönte, der mir sofort rote Ohren bescherte, dann folgten dumpfe Laute, Holz zerbarst – der Küchentisch? Und dann war ein zweiter, heller Schrei mit darauffolgenden schnellen Befehlen zu hören – meine Mutter.

Rumpelnde Schritte kamen näher, meine Zimmertür wurde mit einem Ruck ganz aufgestoßen und mein Dad stand mit einem gehetzten Ausdruck im braun gebrannten Gesicht vor mir. Hinter seiner Schulter erkannte ich den Lauf einer Flinte emporragen, auf der anderen Schulter trug er einen Seesack, der wahrscheinlich ebenfalls mit Waffen und allen möglichen nützlichen Dingen zum Überleben gefüllt war.

Obwohl ich ihn schon oft in dieser Montur gesehen hatte und eigentlich abgebrüht und erwachsen wirken wollte, japste ich bei seinem Anblick wie ein kleines Kind. Jedoch schaffte ich es, die Tränen zurückzuhalten, die meine Kehle zudrückten, da ich wusste, hier ging etwas entscheidend schief und ich musste stark bleiben. Nur hatte ich zu diesem Zeitpunkt noch keine Ahnung, wie schief.

MONSTER GEEK: Die Gefahr in den WäldernWo Geschichten leben. Entdecke jetzt