Kapitel 1 - Komplikationen

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"Hast du deine Gitarre mit?" Ich sah Damien lange an und wartete. Irgendwann schaute er von seinem Handy hoch und sah mich fragend an: "Redest du mit mir?" Seine grau-grünen Augen durchbohrten mich. Herablassend, dennoch: Seine Augen sagten so viel und doch wieder nichts. Ich schluckte. Versuchte irgendwie Luft zu holen und brachte letzendlich ein halbwegs normales "Ja." hervor. Lissi hob ihren Blick und sah mich an: " Ja, hat er. Aber was geht's dich an?" "Kein Streit im Bus nach Santa Monica!", kam Joeys Stimme vom Lenkrad. Ich ließ bedrückt meinen Blick schweifen. Mach ich eigentlich immer alles falsch? Tränen stiegen mir in die Augen. Ich schob mich am Tisch vorbei nach oben. Lissi sah mich mit ihrem herablassenden Blick an, sagte aber nichts. Vorsichtig ging ich an ihr vorbei und stützte mich am Herd, um während der holprigen Fahrt nicht hinzufallen. Die Route 66 war eine inzwischen eher huckelige Straße, vor allem mit diesem monströsen Wohnmobil. Im Grunde genommen, war es schon mehr ein Bus, mit dem wir 5 Mann quer durch Amerika fuhren. Anfangs hatten wir uns daran gestört, als wir dieses Monster zum ersten Mal in Chicago sahen. Allerdings, umso länger wir fuhren, desto angenehmer wurde es. Wir hatten eine Dusche, eine Toilette, einen Herd und sogar 6 Betten, zu denen ich grade hinstolperte. Aus einem der Betten kam ein lautes Schnarchen. Bedeppert blickte ich hinein. Wieso vergaß ich immer, dass Toby dabei war? Ich erschrak jedes mal aufs Neue. "Wieso stehst du hier rum und stalkst mich beim Schlafen?" Aus meinen Tagträumen aufgeschreckt, merkte ich, dass ich direkt in Tobys verschlafene, blau-graue Augen guckte. Verwirrt fing ich an zu stottern: "Ich.. Ich hab nicht.." Weiter kam ich auch nicht. "Schon gut, brauchst dich nicht rechtfertigen", er zwinkerte mir zu und lehnte sich zurück, "Und jetzt erzähl mal was los ist. Du stehst ja bestimmt nicht grundlos hier und beobachtest mich beim schlafen." Ich starrte seine Hand an. Hatte er die ganze Zeit schon einen Verband ums Handgelenk? Vielleicht war er mir nur nicht aufgefallen. Toby schien meinen Blick bemerkt zu haben, da er seine Hand aus meinem Blickfeld zog und sie unter der Decke verschwinden ließ. "Willst du's mir erzählen?", fragte er weiter. "Ich weiß nicht...", ich senkte den Kopf. "Na klar, weißt du es! Sonst wärst du nicht hier. Damien oder Joey?" "Lissi" "Was hat sie denn nun schon wieder gemacht? Wieder ihren bösen Blick aufgesetzt?" Ich wich seinem Blick aus. Toby schob sich aus dem Bett und nahm mich in den Arm. "Oh man, du bist echt zu sensibel für diese Welt." "Ich weiß...", flüsterte ich und versteckte mein Gesicht. Wir standen bestimmt 5 Minuten Arm in Arm, trotz der holprigen Fahrt. Plötzlich wurde der Bus langsamer und hielt abrupt an. Ein bisschen verwirrt lösten wir uns aus der Umarmung und sahen uns an. Wortlos gingen wir nach vorne, ich voran und Toby hinterher. Damien und Joey waren verschwunden, Lissi saß gelangweilt am Tisch. "Was ist passiert?", Toby stand so nah hinter mir, dass ich seine Wärme spürte. Gähnend sah uns die Blondine an: "Sprit ist leer oder so." "Und wo sind die Jungs?", ich hoffte auf meine Frage eine normale Antwort zu bekommen. "Wo solln die schon sein? Wenn du sie hier nicht siehst, werden sie wohl draußen sein!", sie rollte mit ihren blauen Augen und ließ ein genervtes Schnaufen hören. Toby berührte mich leicht am Rücken und schob sich dann an mir vorbei. Perplex starrte ich einen Moment seine hellbraunen Locken an, die sich Schritt für Schritt von mir entfernten. Ich stolperte hinterher, an Lissi vorbei auf die Tür zu. Beinahe fiel ich die letzte Stufe der Treppe runter. Zum Glück stand Toby noch vor der Tür und ich konnte mich auf seine Schultern stützen. "Nicht so stürmisch hier", er lachte und suchte mit seinen Augen in der Gegend nach Damien und Joey. Wir fanden die beiden ein paar Meter vom Monster, wie wir den Bus liebevoll nannten, entfernt. "Warum hat das scheiß Ding denn jetzt keinen Empfang?!", brüllte Joey sein Handy an. Er war schon wieder fast so weit "das scheiß Ding" auf den Boden zu werfen. "Was ist los?", meine Stimme klang so laut und schrill in der Ruhe der Landschaft. Damien sah mich kurz an, wendete seinen Blick dann wieder ab und betrachtete sein Handy. "Der Tank ist leer und wir haben keinen Empfang um jemanden anzurufen", man hörte Joeys Stimme an, dass er sehr genervt war. "Haben wir keine Reservekanister mit?" Damien und Joey sahen Toby an. "Daran haben wir noch gar nicht gedacht", meinte Damien. Die Ruhe, die von seiner Stimme ausging, war fast immer da. Joey war schon am Gepäck, wo normalerweise auch die Ersatzkanister waren. Nach 10 Minuten kam er zurück, mit leeren Händen. Er sah fertig aus. "Da ist nichts. Ich hab überall geguckt." Damien guckte ihn einen Moment überrascht an:" Sie müssen da sein! Wir haben sie doch eingepackt bevor wir Lissi in Chicago eingesammelt haben!" Jetzt war die Ruhe weg. "Lissi!", brüllte Damien. Seine fast schwarzen Haare sahen im Gegensatz zu Joeys schwarzen Haaren noch ziemlich ordentlich aus. Joey sah vollkommen durch den Wind aus. "Lissi!", kam jetzt auch mit lauter Stimme von Joey und kurz danach von Toby. Die Blondine steckte den Kopf aus dem Fenster und zog ihre Kopfhörer runter. "Was ist denn los?", murmelte sie verschlafen. "Wo sind die scheiß Ersatzkanister?!", Joey war kurz vor dem Explodieren. "Du meinst die großen Blechdinger? Die stehen in Chicago.. Die haben im Gepäckraum zu viel Platz weggenommen, ich hatte fast keinen Platz für mein Gepäck", meinte Lissi und warf ihre Haare zurück. Der Schwarzhaarige schlug so heftig gegen den Bus, dass der wackelte. Damien ging zu ihm und sprach leise auf ihn ein. Toby sah mich lange an: "Was machen wir jetzt?", seine Frage ging nicht an mich. "Abwarten und Tee trinken", meinte Joey sarkastisch. 'Uns bleibt wohl nichts anderes übrig', dachte ich. Scheinbar hatte Damien den gleichen Gedanken, denn er sagte: "Das werden wir wohl müssen. Einfach warten bis jemand vorbei kommt." Sowas passierte öfter. Als hätten wir eine telepathische Bindung oder sowas. Toby riss mich aus meinen Gedanken: "Charlie, kommst du wieder mit rein? Damien und Joey bleiben draußen und warten bis jemand hier vorbei fährt." Er dreht sich zum gehen und ich folgte. Ob ihnen bewusst war, dass hier selten jemand vorbei kommt? Wir waren bisher keinem einzigen Auto begegnet. Auf der Treppe drehte sich Toby um. "Hast du was gesagt?", der Lockenkopf sah mich fragend an. Ich blickte zur Seite und meinte "Nein" während ich mir meine kastanienbraunen Haare aus dem Gesicht stricht. Draußen war es windig geworden. Lissi saß nicht mehr auf der Bank neben dem Herd. Wahrscheinlich war sie nach hinten zu den Betten gegangen. "Willst du Karten spielen?", Tobys auffordernde Frage kam wie aus dem Nichts. Den ersten Augenblick war ich wie versteinert, kurz darauf allerdings wieder gefasst und beantwortete seine Frage mit einem kurzen "Klar". Der Abend zog sich und es wurde zunehmend dunkler. So etwa gegen 22 Uhr kam Damien aufgeregt rein. Toby sah ihn an: " Was ist passiert?" Vollkommen außer Atem meinte er: "Lichter... Da sind Lichter am Ende der Straße!" Wir sprangen auf und stolperten hastig die Treppe runter. 10 Meter entfernt sahen wir schon Joey stehen und winken. Wir gingen näher. Und tatsächlich: Lichter am Ende der Straße.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Jan 13, 2016 ⏰

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