Kapitel 13

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Ich war kurz davor komplett auszurasten und das endete nie gut.

Seit einer Stunde kaute der Typ, der in Geschichte neben mir saß, auf seinen Fingernägeln und schmatzte dabei so laut, dass man es bis nach Bagdad hören konnte!
Meine Nerven waren eh schon wegen der letzten Nacht strapaziert.

Als ich durch den Keller zuhause ankam war Mum da. Und ich bin ihr sozusagen direkt in die Arme gelaufen. Sie hat mich angeschrien und mich für restliche 4 Stunden zur Schule geschickt.

In der Pause redete Harper dann ununterbrochen von einem Typen, der neben ihnen eingezogen ist. Ehrlich, ich liebte Harper, aber manchmal war ihr Gelaber kaum auszuhalten.

Und jetzt saß ich hier, versuchte die Geschichtsaufgaben zu erledigen und nicht dem Typen neben mir die Hände oder den Mund abzuhacken.
Kann man einen Mund abhacken?
Sollte ich mal googlen.

Mit grimmiger Miene versuchte ich mich auf das Blatt vor mir zu konzentrieren. Aber als die kleine Ratte auch noch anfing wie ein Ferkel zu grunzen riss bei mir entgültig der Geduldsfaden.

"VERDAMMTE SCHEIßE HÖR AUF DAMIT ODER ICH BRECH' DIR DEINE BESCHISSENEN FINGER!", schrie ich ihn an.

Alle schauten mich mit großen Augen an. Der Unterkiefer der Kackratte berührte inzwischen den Boden. Ich wartete auf ein Lebenszeichen meiner Mitschüler, aber sie waren im Moment zu geschockt schätzte ich. Ich war eigentlich immer sehr still.

Die Stille wurde jedoch von einem Jungen aus der hinteren Reihe gebrochen:" Endlich sagt das mal jemand."
Zustimmendes  Gemurmel ging durch die Klasse und ich schaute etwas peinlich berührt auf meinen Zettel.
Ein Glück war der Lehrer gerade etwas kopieren, sonst wäre ich inzwischen tot.

Es kam schon öfter vor, dass ich die Beherrschung verlor. Meistens aber in Verbindung mit meiner Mutter. Das war wie so eine Krankheit oder so. Eigentlich war ich immer sehr still und in mich gekehrt aber wenn es mir zu doof wurde, rastete ich nunmal schnell aus. Ich wurde zwar nicht gewalttätig, wie es sich vielleicht anhörte, aber ich schrie rum.

Das Klingeln erlöste mich von meinen Qualen und ich schmiss meine Schulsachen in die Tasche um schnellstmöglich die Flucht zu ergreifen. In den letzten 20 Minuten wagte der Typ nicht mehr, auf irgendetwas zu kauen, dafür legte sich eine unangenehme Stille über den Kursraum.

In Gedanken verloren stieß ich aus Versehen mit jemandem auf dem sich langsam füllenden Schulflur zusammen. Als ich hochschaute sah ich direkt in das Gesicht von Steven Coleman.

"Hey Sonnenschein!", grinste er sein überdurchschnittlich scharfes Grinsen. Das mit dem Sonnenschein war wahrscheinlich sowas wie Sarkasmus, weil ich mit einer gequälten Fresse rumlief.

Ich grinste gespielt zurück und antwortete mit einem überschwänglichen "Einen wunderschönen guten Tag, Steven!"
Dann setzte ich wieder meine finstere Miene auf und schaute ihn abwartend an. Er schien ein bisschen überrascht von dieser seltenen Zurschaustellung meiner Freude, fing sich aber schnell wieder.

"Wäre diese Begrüßung jetzt nicht mit Sarkasmus vergewaltigt worden, würde ich der glücklichste Mensch auf Erden sein.", meinte er nüchtern.
Damit entlockte er mir ein Schmunzeln. Zufrieden musterte er mich und fragte, ob ich nicht mal was mit ihm machen wollen würde.
"Nicht in diesem Leben, Steven." , erwiderte Ich und verabschiedete mich.

Das war wohl einer der anstrengensten Tage bzw. Nächte in meinem ganzen Leben.
Und wahrscheinlich würde das so schnell nicht aufhören. Ich hatte noch einige Gedanken zu ordnen und zu meinem Leid, hatte ich morgen zwei Stunden Wirtschaft- mein Hassfach, wo ich übrigens neben Coleman saß. Es lag überraschenderweise nicht an Steven, dass ich dieses Fach nicht ausstehen konnte, sondern an das Fach an sich. Und der Lehrerin. Mrs. Beck.

Nicole nahm es mir bestimmt noch übel, dass ich die ersten Stunden geschwänzt hatte. Ich entschied mich also noch ein bisschen im Temper- Welsh Park zu bleiben und meinen Lieblingsplatz dort zu besuchen.

Das Herbstlaub raschelte unter meinen Füßen, als ich mich auf das verwitterte Karussell zubewegte. Es war ein altes Holzkarussel aus dem frühen 20. Jahrhundert. Anstatt fragwürdigen, bunten, glitzernden Autos oder Teetassen oder was auch immer, ritt man hier ausschließlich auf weißen Pferden, deren Farbe größtenteils abgeblättert war. Unter dem Karussell befand sich ein größerer Hohlraum, indem damals Esel oder so das Karussell zum drehen brachten. Der Zugang war aber verschlossen.

Ich setzte mich auf Betsy- meinem Lieblingspferd. Ja, ich hatte ihm einen Namen gegeben. Auf Betsy konnte man am bequemsten sitzen, weil sie schon mit viel Moos überwuchert war. Von ihr hatte man auch den idyllischsten Ausblick auf den Park.

Lange Zeit hing ich auf Betsy also meinen Gedanken nach, bis es dunkel wurde und ich heimkehrte. Dabei nahm ich einen großen Bogen um das Haus der ominösen Geisterfamilie.

Wer hätte es gedacht? Mum war nicht da. Aber ein leichter Alkoholgeruch waberte im Haus und ich ging Naserümpfend in mein Zimmer.

Auf dem Karussell hatte ich beschlossen, demnächst Harper von diesem Haus und seinen Bewohnern zu erzählen. Ich würde zwar mein Versprechen zu diesen fragwürdigen Wesen brechen, aber ich würde Harper sowas krasses niemals verschweigen. Ich kannte Harper. Sie würde es wahrscheinlich mit leuchtenden Augen als großes Abenteuer ansehen und hätte ihren Spaß.

Ich selber wusste aber gar nicht, wie ich zu der ganzen Sache stand. Ich war immernoch verdammt sauer auf die Haverings. Besonders auf Nate. Schwachkopf. Als ich so darüber nachdachte, kam ich mir lächerlich vor. Was, wenn ich das alles nur irgendwie geträumt hatte?

Ich sponn diesen Faden immer weiter, bis ich es mir so zurecht gerückt hatte, dass ich zwar ins Haus ging, aber dort bis zur Erschöpfung tanzte, dort einschlief und morgens wieder nach Hause kam. Aber es fühlte sich alles so real an.

Als ich mich mit dem Rücken auf s Bett schmiss und unsanft mit dem Kopf auf der Matratze aufkam, fiel das Netz der Lügen und Ausreden in sich zusammen.

Das Wehklagen unterdrückend tastete ich meinen Hinterkopf ab, bis ich die Wunde unter meinen Fingerkuppen spürte.

Was in dieser Nacht geschah, war real.

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Hallöle!

Yaaay über 400 Reads *0*
Zur Feier des Tages eine kleine Story:

Ich hab heute Nachmittag ein bisschen gepennt, bis mein großer Bruder in mein Zimmer platzte mit den Worten "Ich hab ein Geschenk für dich, es wird dir bestimmt gefallen." Daraufhin legte er einen 2579 x 25968 Meter großen Schmuddelkalender auf meinen Sessel und ging wieder raus.

Krasser Typ oder?

Nja, wie hat euch das Kapitel gefallen? Gibt es Verbesserungsvorschläge?❤

LG, Clarence

My Life Is A CircusWo Geschichten leben. Entdecke jetzt