Here in the Dark

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A sah angestrengt auf das weiße, unbeschriebene Blatt Papier auf seinem Schreibtisch. Seine langgliedrigen, schiefen Finger hatten sich verkrampft um den Füller in seiner schwitzigen Hand geschlossen, er rutschte auf seinem Stuhl unkoordiniert hin und her.
Er war tief in Gedanken versunken, während er sich auf seine untere Lippe biss und die Haut mit den oberen Schneidezähnen abpullte - eine Eigenart, die ihn schon seit er ein Kleinkind war begleitete.
Dies hier war schwerer, als jeder Test, den er mehr oder minder erfolgreich absolviert hatte. Und hierfür gab es keinen Stoff, den er lernen konnte, bis er besinnungslos zusammenklappte. Hier musste er nicht der beste Absolvent sein - er musste nur seine verschachtelten, verworrenen Gedanken auf das Papier bringen, das vor seinen Augen immer wieder verschwamm.

A seufzte schmerzerfüllt und zwang sich dazu, die Lider geöffnet zu lassen. Er fühlte sich krank - ausgebrannt - tot.
Sein Kopf schmerzte schon, seit dem er aufgestanden war; wenn man es noch genauer betrachtete, hatte er bereits seit Monaten täglich Kopfschmerzen.
Aber noch viel schlimmer war der Schmerz, den A seit ungenauer Zeit in seinem Herzen fühlte. Als hätte eine Spinne langsam ihr Netz um sein Organ gesponnen, bis es allmählich unter den Fäden zu ersticken drohte. Er spürte bereits, wie die Fäden schleichend in den Muskel schnitten.

Es war ungerecht. Ungerecht für A - und B gegenüber, doch der Junge wusste sich nicht mehr dagegen zu wehren.Gegen dieses Gefühl, diese Gedanken und diese Stimmen in seinem Kopf.
Er war an einem Punkt angelangt, an dem es einfach kein Zurück mehr gab.
Jedenfalls nicht für ihn.
A war sauer. Er hasste sich selbst, aber vor allem die Welt, weil sie so ungerecht zu ihm war und nichts Gutes mehr übrig hatte. Aber nichtsdestotrotz war er am allermeisten enttäuscht. Von sich, von der Welt, von B, von L.
Vielleicht hätte alles anders laufen können, wenn A sich in manchen Situationen anders verhalten hätte. Besser, logischer, intelligenter.
Ls Intelligenz war unantastbar.

A schlug sich mit der flachen Hand heftig gegen die Stirn, als seine Gedanken schon wieder zu ihmabdrifteten. Ein dumpfer Schmerz erklang hinter seiner Stirn, doch eigentlich reichte dieses Verhalten schon lange nicht mehr, um ihn von ihm abzulenken. L. L, den Meisterdetektiven. L, den A irgendwann ersetzen würde. L, für den A noch immer nicht gut genug war. L, für den A nie genug sein würde.
An manchen Tagen vergingen keine fünf Minuten, in denen das Waisenkind nicht an sein Ziel dachte. Weil einfach alles mit L zu tun hatte, egal wo A auch hinsah. Er war überall. In jeder kleinsten Feder, die A aus seinem Kissen zupfte, in den Träumen in der Nacht, in der Luft, die er atmete ...
Er dachte ständig an die Person, die er zwar noch nie im Leben gesehen hatte, aber die ihm alles bedeutete.
L. Ein einziger Buchstabe, um den sich As Welt drehte. Seine Worte wiederholten sich endlose Male in As Kopf, sie ließen ihn nicht schlafen, noch nicht einmal konzentriert lernen konnte er.
Dabei war das alles, was man ihm zutraute. Wofür man ihn schulte, damit er darin perfekt wurde.

A schloss die Augen, als in ihm die Traurigkeit explodierte und die Tränen heiß aus seinen Augen traten, als würden sie seine Wangen verbrennen wollen. A hatte sich nicht mehr unter Kontrolle, heute nicht, nicht vor einer Woche, vor einem Monat, vor einem Jahr ...
Ein Schluchzen verließ As trockene Kehle, doch niemand hörte es. Am allerwenigsten tat es L.
„L", wisperte der blonde Junge und biss sich so fest auf die Lippe, dass er Blut schmecken konnte. A hatte oft nach L fragen lassen, doch er war immer mit denselben Worten von Roger abgewiesen worden.

„L hat keine Zeit für dich, er ist beschäftigt. Wenn du noch ein bisschen lernst, kommt er dich vielleicht besuchen."

Und A hatte gelernt. Am Tag. In der Nacht. Sogar, wenn die anderen Kinder auf Ausflügen waren, hatte sich A mit dem Stoff beschäftigt, der ihm von L aufgetragen worden war zu lernen. Doch L war nie gekommen.

A schluckte, wischte sich über die Augen und über die laufende Nase, doch die Tränen wollten nicht aufhören zu fließen. Er fühlte sich müde, doch er würde sich nicht schlafen legen. Noch bevor er sich entspannen würde, würde L wieder zu ihm sprechen, er würde wieder über ihn nachdenken und außerdem musste er B diesen Brief schreiben.
B, der in diesem Moment mit den anderen Kindern in der Stadt war und Eis aß. Erst heute Früh hatten sie sich wieder gestritten, weil B nicht verstehen wollte, weshalb sich sein Zimmergenosse nur mit dem Lernstoff beschäftigte und nichts anderes als L im Sinn hatte.

Der EntschlussWo Geschichten leben. Entdecke jetzt