Kapitel 1

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Die Kälte fuhr wie Messerklingen in meine Haut. Ich war splitterfasernackt, der Waldboden unter mir pikste mich in die Haut. Ich brauchte einen Moment bis ich begriff wo und wer ich war. Ich war in einem Wald, so viel war klar und mit genauerem umhersehen bemerkte ich, das ich im vertrauten Wald hinter meinem Haus war. Ich vergewisserte mich das niemand zu sehen war und schlich in die Richtung, in der ich mein Haus vermutete. Angekommen, huschte ich zur Hintertür und tappte im dunkeln zu einem zuvor bereit gelegten Kleiderstapel. Ich streifte einen warmen Pullover über, denn im Haus war es eisig kalt. Seit einer Woche war die Heizung nicht mehr in Betrieb. Draussen fegte ein kalter, rauer Wind, der sich durch die kleinsten Ritzen ins Haus zwängte, schnell drehte ich alle Heizungen auf. Das kleine Haus wirkte verlassen und dunkel, es wurde am Waldrand, einige Kilometer weg von der restlichen Zivilisation erbaut. Mein Vater kaufte es als meine Mutter bei einem Autounfall starb, damals war ich sechs. Mein Vater ist, ein paar Jahre später, abgehauen und nie mehr zurück gekommen. Ich war danach bei diversen Pflegefamilien, bis ich mit 16 meine eigenen Wege ging. Ich bin einfach abgehauen, nicht nur weil ich die Familie hasste, sondern auch weil mein Körper sich veränderte. Mein ganzer Körper schüttelte sich, alles zog und dehnte sich, die Schmerzen waren unerträglich und dann auf ein Mal löste ich mich aus meinem Körper und trabte als Wolf in einen Wald voller Geräusche davon. Meine Familie merkte nichts von meinem Verschwinden, da ich zu meinem Verlust, nur ein paar Stunden ein Wolf blieb. Danach kehrte ich heim und packte meine Sachen. Ich wollte herausfinden was da genau mit mir geschehen war, ob ich die einzige in der Umgebung war und ob das alles mit dem Verschwinden meines Vaters übereinstimmte. Nun wohnte ich seit zwei Jahren in dem kleinen Haus meines Vaters. Da ich aber mit 16 noch nicht ohne erwachsene Person in dem Haus wohnen durfte, beschaffte ich mir eine verschollene Tante. Caroline war natürlich nicht meine richtige Tante, aber als ich mit 16 schon bald auf ein anderes Rudel stiess, war sie die Alphawölfin. Sie nahm mich herzlich im Rudel auf. Sie zeigte mir wie man jagte, spielte und kämpfte. Als ich sie als ein Mensch antraf zog sie mit mir, als falsche Tante, in das Häuschen am Waldrand ein. Anfangs wohnte auch noch der Alphawolf, Carolines Partner, in unserem Haus. Doch bald war er nur noch ein Wolf im Wald und verwandelte sich nie mehr in einen Menschen zurück. Ich wusste das auch Caroline nur noch wenige Monate hatte. Als geborener Wolf, das heisst wenn ein Elternteil wölfisch war, beginnt man sich mit 16 zu verwandeln. Anfangs ist man nur einige Stunden ein Wolf, doch das ändert sich schnell. Schon bald verwandelt man sich mehrere Tage pro Monat. Von Zeit zu Zeit werden es mehr Tage, bis man sich gar nicht mehr in einen Menschen zurück verwandelt. Caroline wurde von einem Wolf gebissen, als sie 20 war. Seither verwandelt sie sich jeden Monat und nun sind es schon 23 Tage im Monat, wo sie als ein Wolf im Wald umher wandert. Ich bin eine Woche im Monat im Wald, doch auch wenn das Mensch sein schön ist, gefällt mir der Wolf in mir besser. Ich kann als Wolf jedes Geräusch in ein paar Kilometer Entfernung hören, ich kann lange Strecken rennen und ich liebe es als Wolf zu rennen, den Boden unter meinen Pfoten schon fast nicht mehr zu spüren. Wenn ich ein Mensch war, fühlte ich mich einsam, denn ich besuchte keine Schule. Daher kannte ich auch fast niemand ausser einigen Ladenbesitzer. Arbeiten konnte ich auch nicht, da ich so viel fehlen würde, doch im Moment ist das Geld kein Thema, denn mein Vater hatte vorgesorgt und mir viel Geld hinterlassen. Ob er noch lebte wusste ich nicht, doch ich war mir sicher, dass er ein Wolf war oder immer noch ist. Warum wäre er sonst abgehauen und warum bin ich einfach so zum Wolf geworden, obwohl ich nicht gebissen wurde.

Als das Haus wieder aufgeheizt war, machte ich mich bereit um in die Stadt zu gehen, um Lebensmittel ein zu kaufen. Nach einer halben Stunde fahrt, kam ich im Supermarkt an, wo mich ein Kassierer schon von weitem anstrahlte. Es war ein alter Mann, kurz vor der Pension und er freute sich immer, wenn er mit mir ein Schwätzchen halten konnte. Er war so ziemlich die einzige Person, die ich hier draussen gut kannte, ansonsten kannte ich nur die Rudelmitglieder und auch die kannte ich zum Teil nicht gerade gut. Mein Leben als Mensch war einfach langweilig, dafür das Leben als Wolf um so besser.

WolfsmädchenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt