1. Der Abschied

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   Was macht ihr, wenn eure Mom euch verkündet, dass ihr nach L.A. ziehen werdet?    

   Würdet ihr in die Luft springen vor Freude, weil ihr in eine der größten Städte in Amerika ziehen werdet? Oder würdet ihr euch mit Hand und Fuß dagegen wehren, um Zuhause zu bleiben? Bei mir ist das genau der Fall.

   „Riley! Bist du jetzt endlich aufgestanden". Als ich die penetrante Stimme meiner Mutter, nun schon zum dritten Mal, höre, drehe ich mich um und vergrabe den Kopf unter meinem Kopfkissen.
   Kann sie mich nicht einfach weiterschlafen lassen? Ich habe Kopfschmerzen, verdammt.     

    Vielleicht hätte ich gestern nicht so viel trinken sollen. Ich habe weder Lust aufzustehen noch in eine fremde Stadt zu ziehen. Außerdem weiß ich, dass Mom es mit ihrem leicht fanatischen Pünktlichkeitstick übertreibt. Das bedeutet, dass wir frühestens in einer Stunde am Flughafen sein müssen und dort dann noch ewig zu warten haben. Die Schnelligkeit mit der ich mich aus dem Bett quäle und in die Dusche schlürfe, macht der einer Schnecke Konkurrenz.

Meiner Mom antworte ich rein aus Provokation nicht, denn ich habe mich zwar damit abgefunden, dass es sowieso egal ist, was ich will und was nicht, jedoch heißt das weder, dass ich dieser Entscheidung mit Jubel entgegenblicke, noch, dass ich nicht wütend auf sie bin.        

   Meine Mom hat alle Ausreden von der Hand gewiesen und um ihr den wahren Grund, weshalb ich hier bleiben muss, darzulegen, bin ich zu loyal. Ich breche mein Wort nie. Egal, wem ich es gegeben habe. Jetzt muss ich nur schauen, wie ich trotz des Umzugs meine Suche weiterführen kann. Ich werde es ein Jahr verschieben müssen. Doch vielleicht bleibt ihm nicht mehr so lange...wenn überhaupt.

Wieder in meinem Zimmer angekommen, lasse ich meinen Blick durch das Zimmer schweifen und der Gedanke, dass ich ab heute in einem anderem Raum schlafen muss, gefällt mir ganz und gar nicht. Mom hat sich dazu entschlossen, das Haus zu behalten, aber es dennoch zu vermieten. Wenn ich ehrlich bin, hoffe ich darauf, dass Mom so schnell keinen Mieter für das Haus findet, damit ich, nach meinem Abschluss, wieder hier her ziehen kann.

Ich betrete wehmütig meinen begehbaren Kleiderschrank, da ich, obwohl Mom mir versichert hat, dass das Haus von Mike, ihrem neuen Freund, ziemlich groß ist, nicht sicher bin, ob ich diesen Luxus künftig auch noch genießen darf. Aufgrund des guten Wetters nehme ich mir eine Hotpans und ein Top mitsamt blaukarierter Bluse aus dem Schrank. Voll bekleidet stelle ich mich vor meinen Spiegel und mustere mich.
Ohne arrogant klingen zu wollen: Ich habe eine Figur, auf die andere Mädchen immer neidisch sind, weil ich, trotz meiner Kurven, schlank bin. Ich grinse mein Spiegelbild an, um mir Mut zu machen und versuche meine roten Haare, die mir bis über die Hüften fallen, zu bändigen. Doch ohne Föhn werde ich da wohl nicht weit kommen.

Fluchend grabe ich ihn aus den Tiefen meines Koffers und föhne mir die Haare in Windeseile. Ich flechte mir anschließend einen seitlichen Zopf, schminke mich dezent und mache mich auf den Weg nach unten.

Bevor ich die Tür schließe, schnappe ich mir noch mein Gepäck und lasse meinen Blick ein weiteres Mal durch das Zimmer wandern. Die kahlen Wände, an denen vorher duzende Fotos von meinen Freunden und mir gehangen haben, schüchtern mich fast schon ein bisschen ein und die fehlende Zimmereinrichtung bereitet mir ein mulmiges Gefühl in der Magengrube.

An diesem Haus hängen so viele Erinnerungen und nun erwartet man von mir, dass ich all das einfach hinter mir lasse. Macht es Mom gar nichts aus, den Ort zu verlassen, an dem ihre Kinder aufgewachsen sind?

Natürlich, auch ich verknüpfe mit diesem Haus nicht nur positive Erinnerungen, ich hasse sogar die Stadt, in der es gebaut worden ist, aber mich lässt es nicht kalt, den Ort meiner Kindheit zu verlassen. Seufzend steige ich die Treppe hinunter und sehe währenddessen auf mein IPhone. Gut, ich habe trotz der ganzen Melancholie nur 15 Minuten gebraucht, um mich fertig zu machen. Mein neuer Rekord. Ich stelle meinen Koffer an der Haustür ab und mache mich auf der Suche nach meiner Mom, indem ich den klackernden Geräuschen, die von ihren Absatzschuhen stammen, folge.

Ice Princess ❄Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt