1. Das muss ich haben

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Julian und der neue Wunsch begegneten einander in den Herbstferien, bei einem rasanten Nachmittag im Zimmer seines Freundes Leon. Julian kannte die Spielkonsole vom Hörensagen, doch einmal selbst mit der Steuerung in der Hand vor dem Monitor zu sitzen und auf dem Parcours den Rivalen davonzujagen war einfach atemberaubend. Als würde er wirklich im Cockpit eines Rennwagens Platz genommen haben. Das hatte er so nicht erwartet. Diesen Kasten wollte er auch. Der neue Wunsch sprang ihn an und fegte alles beiseite, was Julian sich bisher an Erstrebenswertem vorgemerkt hatte.

Es war ein großer Wunsch, das war klar. Damit er Wirklichkeit würde, musste er nicht nur verkündet sondern glaubhaft, geschickt und dringlich begründet werden. Er durfte nicht als fixe Idee abgetan oder durch eine beliebige Alternative ersetzt werden. Genau diese eine Konsole musste es sein.

Leon verstand das sofort und gab zu bedenken, etwas Vorzeigbares wäre womöglich nützlich, damit nichts schief gehe. Vielleicht nach einem Werbeprospekt suchen? Viel besser, ja perfekt, ist die Bedienungsanleitung! Leon kramte nach ihr im Schubfach. "Wiedersehen macht Freude."

So kam es, dass Julian seinen neuen Wunsch flammend im Herzen und gleichzeitig auf dem Gepäckträger seines Fahrrades mit nach Hause nahm. Fast fühlte es sich an, als hätte er Verstärkung dabei, ein Triebwerk, das ihn noch kräftiger in die Pedale treten ließ. Ohne Mühe vermochte er sich wie in einem Film vorzustellen, wie die unscheinbare Broschüre sich in ein prächtiges Paket verwandelte, dem er stürmisch das Geschenkpapier vom Leibe riss, seinen Inhalt aus dem Styropor schälte und damit eilig Verbindung zur nächsten Steckdose herstellte. Plug and Play. Nichts begehrte er mehr als dieses Wunderding.

Für den Weg von der Garage ins Haus steckte Julian das dünne Heftchen unter seine Jacke und deponierte es dann unter seinem Sitzkissen auf dem Küchenstuhl. Für den richtigen Moment.

Wenig später war der Tisch gedeckt und Familie Müller - Mama, Papa und Julian - versammelte sich zum Abendbrot.

Noch eine Minute warten, mahnte Julian sich zur Geduld. Erstmal eine Schnitte aufs Brettchen, das Messer in die Margarine, eine Scheibe Kochschinken vom Wurstteller, drei Löffel Schoko in die Milch. Eine Minute kann endlos sein.

Jetzt aber. "Heute Nachmittag bei Leon haben wir Autorennen gespielt." Kein schlechter Anfang, das Interesse war geweckt. Papa tippte auf Teppichrennbahn, da lag er aber falsch. "Nein, ein Computerspiel. Ganz neu und mega cool." Jetzt schnell weiter, bevor Mama etwas von Stubenhockern dazwischen plappern kann.

Während er erzählte merkte Julian, wie das Wörtchen cool versuchte, sich in jeden Satz zu drängeln. Aber so war es ja auch: wie in echt, total schnell und voll cool. Kein Vergleich mit Super Mario und seinem Gemurkse auf dem Minibildschirm. Und wie die Rennwagen in den Kurven liegen, über die Begrenzung fliegen, ineinander krachen.

Hibbelig rutsche Julian auf seinem Stuhl herum, brauchte beide Hände um die bombastischen Effekte zu beschreiben, ahmte das Dröhnen der Motoren und das Quietschen der Bremsen nach. Als sich seine Stimme vor Begeisterung zu überschlagen drohte merkte Julian, dass sein Temperament auf ziemlich kindliche Weise mit ihm durchgegangen war. Das hatte er etwas abgeklärter geplant.

"Eine irre Maschine, die Leon da hat." Er biss von seiner Stulle ab und schlürfte am Kakao. Alle Vorbereitungen waren getroffen, jetzt musste der Wunsch heraus. Durchatmen, mit dem Handrücken über den Milchbart, dann der Griff unter das Kissen.

"Ich wünsche mir zu Weihnachten eine Playstation." Wie erwartet sprangen die Blicke der Eltern zur Broschüre hinüber. "Genau die hier."

Papa streckte als erster die Hand danach aus, doch Julian zuckte auf halbem Weg noch einmal zurück. "Aber nicht fettig machen, ist nur geborgt." Das stimmte zwar, nur schlau war gerade jetzt dieser Hinweis nicht, wie sofort an den Brauen des Vaters abzulesen war. Nur schnell hinüber mit dem Ding, bevor noch eine Dummheit herausplatzt.

"Moment", sagte der Vater und wischte sich, während er das O im Wort dehnte, folgsam die rechte Hand am Hosenbein ab. "Nun zeig her, das wertvolle Heft."

Er blätterte die Seiten um, doch längst nicht so gründlich, wie Julian es für angemessen gehalten hätte. Dann gab er die Bedienungsanleitung an Mama weiter.

Julian und der ausgefallene WunschWo Geschichten leben. Entdecke jetzt