Der Dezember kam mit windgepeitschten Regengüssen. Stubenwetter. Julian war froh, sich zuhause endlich aus den nassen Klamotten zu pellen und freute sich auf eine Auszeit vor dem Fernseher. Mama hielt den Tag ideal geeignet zum Haareschneiden. Eine lästige Prozedur.
"Dusche erst einmal, du bist ja ganz durchgefroren. Und dann erledigen wir das schnell." Zeit wäre genug, da bei Papa wieder einmal Überstunden fällig seien. Wie immer zum Jahresende.
Stuhl ins Bad, Handtuch um die Schultern, Stillsitzen. Schon rieselten die ersten Haarspitzen zu Boden. Gute Gelegenheit für eine kleine Plauderei, denn es gab etwas, das Julian einmal ganz in Ruhe ansprechen wollte. Wusste Mama eigentlich, dass fast alle in seiner Klasse schon ein eigenes Handy haben? Nicht nur cool, sondern auch ungeheuer nützlich. Bei einer Verspätung, einem verpassten Bus, einem platten Reifen - einfach anrufen. Oder eine Kurznachricht schicken, ein Foto machen, keine Neuigkeit verpassen.
"Ich wünsche mir ein Smartphone zu Weihnachten."
"Und was ist mit der Playstation?"
"Die soll ich mir doch selber kaufen. Ist aber nicht so dringend wie ein Smartphone."
Wie gewohnt war Mama zuerst einmal skeptisch und dachte laut darüber nach, was diese Dinger kosten.
"Die gibt es manchmal für einen Euro mit dazu, wenn man das richtige Angebot nimmt", wusste Julian zu berichten.
"Dafür hat man einen Vertrag an der Backe und zahlt Monat für Monat."
Kopf nach unten. Auf den nackten Füßen sammelten sich Haare und kitzelten.
"Du musst dir nie wieder Sorgen machen. Ein Anruf und schon weißt du wo ich bin und was ich gerade mache."
Während das kalte Metall der Schere gegen seine Ohren stupste und Julian mit den Zehen wackelte, spulte er alle Vorteile ab, die ihm einfielen. Es gab viele gute Argumente, denen sich die Mutter nicht verschließen konnte.
"Ich werde mal mit Papa darüber reden. Versprechen kann ich aber nichts."
Vieleicht genau in diesem Moment verabschiedete sich Julians Vater von seinen Kollegen und stieg ins Auto. Auf einen Sprung wollte er noch bei seinen Eltern vorbeischauen, um über die Feiertage zu reden. Sie liebten langfristige und präzise Planungen. Die Frage "Wie machen wir es denn zu Weihnachten" war ein insgeheim belächelter Klassiker und ließ auch diesmal nicht lange auf sich warten.
"Wir halten es wie immer. Letztes Jahr ward ihr dran, diesmal seid ihr am Weihnachtsabend bei uns."
Der Wechsel war Tradition, doch zum Ritual gehörte, die Einladung offiziell auszusprechen. Das war hiermit erledigt.
"Ihr müsst euch um nichts kümmern."
Etwas gab es doch noch zu bereden: Die Bescherung für Julian.
"Der Kleine wird groß und die Wünsche wachsen mit."
"Wir haben auch schon überlegt, was wir schenken können. Wie wäre es, wenn wir uns zusammentun und gemeinsam ein neues Fahrrad schenken. Ein gutes."
"Schöne Idee. Doch sein Fahrrad ist noch in Ordnung und er wächst gerade schnell. Lasst uns noch ein Jahr warten. Ihr habt ja mitbekommen, dass Julian spart. Er wünscht sich eine Playstation. Vielleicht schenkt ihr ihm etwas Geld? Darüber würde er sich riesig freuen."
"Geld ist doch kein Geschenk. Da bekommt er von Oma und Opa nicht einmal etwas zum Auspacken."
"Natürlich könnt ihr noch eine Kleinigkeit dazulegen, wenn ihr wollt. Zum Beispiel Mütze, Handschuhe oder Schal. Der Winter ist noch lang und das kann er gut gebrauchen."
"Eine Mütze? Für einen so großen Jungen? Da sehe ich ihn schon vor mir, wie er uns ungläubig angucken wird. Ist ja wie Strümpfe schenken."
"Täuscht euch nicht. Dicke Strickmützen sind bei der Jugend gerade sehr angesagt."
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Julian und der ausgefallene Wunsch
Short StoryEine Erzählung in Fortsetzungen für die Vorweihnachtszeit.