Am nächsten Tag in der Schule in einer Pause schaute der Junge Anna wieder an und fragte dann: „Wie heißt du?“
Anna starrte auf ihren Schulblock und sagte leise: „Anna“
„Hallo Anna. Ich bin Max. Sorry wenn ich gestern genervt habe, aber ich wohne nur ein paar Häuser entfernt von dir. Und ich habe mir gedacht, das wir vielleicht immer zusammen nach Hause laufen könnten.“
Anna schwieg.
Sie hatte nicht sonderlich Lust mit diesem verrückten Jungen, der sie die ganze Zeit nur zutextete, der auch schon in der Schule neben ihr saß und im übrigen extrem gut in der Schule war und sich immer meldete, auch noch nach Hause zu laufen.
Erwartungsvoll schaute Max sie an.Max war ein großer, normal gebauter Junge mit kurzen, hellbraunen Haaren und kristallblauen Augen.
Meist trug er normale Jeans und T-Shirts.
Also eigentlich ein ganz normaler, durchschnittlicher 15-jähriger Junge.Anna zuckte schließlich mit den Schultern und fing an auf ihrem Block rumzukritzlen.
Auf dem Heimweg stapfte Max fröhlich neben Anna her und redete sie voll.
Genervt und gelangweilt starrte sie während dem Laufen auf den Boden. Sie hörte ihm gar nicht zu.
Sie war erleichtert als sie die Haustür aufschloss, ihre Schultasche fallen lies und sie endlich allein war.
Die Stille… sie tat so gut.
Wieder ging Anna in ihr Zimmer und machte das gleiche wie am Vortag.
Das gleiche wie immer.
Und sie konnte immer noch nicht weinen.So ging das dann einige Wochen lang.
Sie lief mit Max nach Hause, er quasselte sie voll, sie sagte nie etwas, kam ins Haus, rauchte, trank, ritzte sich. Saß auf ihrem Bett und dachte nach.Bis eines Tages Max mitten auf dem Heimweg stehenblieb und Anna anschaute.
Anna merkte es erst gar nicht und lief mit gesenktem Kopf weiter, bis Max ihren Namen rief. „Anna!“
Sie drehte sich um, hob den Kopf und starrte ihn mit leerem Blick an.
„Warum redest du nichts? Warum bist du immer so still und warum bist du immer traurig?
Warum lachst du nie?“
Er hörte sich fast etwas besorgt an.
Anna schaute nur.
Was hätte sie auch sagen sollen?
Sie wusste es doch selbst nicht.
Sie senkte den Blick.
Max wiederholte seine Fragen.
Doch Anna schüttelte nur den Kopf, drehte sich um und rannte weg.An den darauffolgenden Tagen war Max nicht in der Schule und auf dem Weg nach Hause merkte Anna immer mehr, das etwas fehlte.
Es fehlte das Gequassel von Max. Seine Stimme.
Sie hatte sich so daran gewöhnt, dass es komisch war, alleine in der Stille diese Strecke zu laufen.
Und seit langer Zeit hatte Anna das Bedürfnis mit jemandem zu reden.
Sie merkte, das sie so viel von Max wusste und er aber gar nichts von ihr.
Sie hatte das Bedürfnis, zu ihm zu gehen und ihm alles zu erzählen.
Sie wusste selbst nicht woher dieses Gefühl kam und verstand auch nicht, wie sie so etwas verspüren konnte, aber es war da.
Ganz deutlich.
Sie rannte den restlichen Weg nach Hause, schmiss ihre Schultasche in ihr Zimmer und ging erst schnell und dann immer langsamer werdend zum Haus von Max.Sie stand vor seiner Haustür, als Zweifel bei ihr aufkamen.
Was ist, wenn er mich gar nicht sehen will?
Was, wenn er mir nicht zuhört?
Was ist, wenn er mich gleich wieder rausschmeißt?
Was, wenn ich ihm alles erzähl und er mich dann auslacht?
Mich dann anfängt zu mobben wie die anderen auch?
Nein.
Max ist anders.
Oder spielt er das vielleicht nur?
Ist er doch wie alle anderen?
Auch nur ein dummer Junge der andere, denen es sowieso schon schlecht geht, auch noch runter macht?
Sie wollte sich schon wieder umdrehen und gehen, als sich die Tür öffnete und Max vor ihr stand.
Er schaute sie überrascht an.„Was machst du denn hier?“
„Ich… ähm… ich… wollte mit dir reden. Hast du kurz Zeit?“
„Klar. Für dich immer Anna“, meinte Max fröhlich und zog sie herein.Anna folgte ihm in sein Zimmer.
Er setzte sich auf sein Bett und bat ihr mit einer flotten Handbewegung an, neben ihm Platz zu nehmen.
Zögernd setzte sie sich.
"Warum warst du nicht in der Schule?", wollte Anna wissen.
"Keine Lust. Habe geschwänzt. Sag es aber niemand, ja?"
Anna nickte.
Dann schauten sie sich an und schwiegen.
Nach ein paar Minuten unterbrach Max das schweigen und fragte:
„Was wolltest du mir jetzt erzählen?“
„Kann ich dir vertrauen?“
„Klar doch!“
Anna zögerte wieder. Ihr schossen die Fragen von vorher wild durch den Kopf.
Dann begann sie zu berichten:
Wie es früher war,
wie ihr Vater gestorben ist,
wie sie in das tiefe Loch gefallen ist, indem sie sich seitdem befindet und das sie keinen Ausweg mehr aus dieser Sache sieht, das sie alles hasst.
Sie legte ihm einfach ihr ganzes Leben vor.
Max hörte gespannt zu und nickte dann und wann.Als Anna fertig war zu berichten, schwiegen sie beide wieder.
Anna starrte wie so oft ins Leere, bis Max sagte: „Danke“.Zum ersten Mal schaute Anna Max wirklich an.
Sie schaute direkt in seine schönen, kristallblauen Augen.
Max schaute sie an.
Direkt in ihre tief dunklen braunen Augen.
Annas Kopf war leer.
Sie dachte an nichts.
Wirklich nichts.
Bis sie auf einmal Max´s Hand auf ihrem Knie spürte.
Sie zuckte zurück und Max zog schnell seine Hand weg.
Verlegen blickte er umher.
Anna war verwirrt.Wieso hatte er sie berührt?
Wieso war er so zärtlich gewesen?
Wieso tat es so unglaublich gut?
Wieso war seine Hand so… beschützend?
Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte sie sich einen kurzen Moment geborgen.
Und sie hatte es zerstört.
Schon wieder!Sie stand auf und sagte, sie müsse jetzt gehen.
Max brachte sie zur Tür.
Sie verabschiedeten sich und Anna ging gedankenversunken nach Hause.
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Das unscheinbare Mädchen
RandomHier ist meine erste Geschichte. Ich hoffe sie gefällt euch.