Kapitel 5 - 24.12.2020

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Die Kinder hatten wir bereits ins Wohnzimmer geschickt, es war ja kaum auszuhalten wie aufgeregt die Kleinen waren. „Sag mal ist alles in Ordnung Elena? Du guckst so komisch.", fragte Emilie „Mmmh...also", druckste sie herum, „Ich...ich muss euch was erzählen. Also ich will euch was erzählen. Ach man ey." Ich ging auf Elena zu, diese hatte sich vor das Küchenfenster gestellt und blickte hinaus in den Schnee. Fragend schaute ich sie an, doch ihre Mundwinkel zuckten verräterisch, sie weinte. Schockiert nahm ich sie in den Arm, immer noch bebte ihr ganzer Körper. „Elena, was ist los? Ich kann dich gar nicht so leiden sehen.", fragte ich diesmal. „Ich habe Angst. Ich habe so eine Angst.", schluchzte sie. Ein wenig hilflos sah ich Emilie an, diese versuchte ebenfalls die Weinende zu beruhigen: „Du brauchst keine Angst zu haben, wenn du uns verrätst, was dir überhaupt solche Furcht einjagt." Elena wurde erneut von einem Weinkrampf geschüttelt und sank langsam zu Boden. Allein konnte ich sie nicht halten, weshalb auch Emilie ihr unter die Arme griff. Gemeinsam setzten wir sie auf einen der Küchenstühle. „Erzähl uns bitte, was passiert ist. Wir werden dir helfen.", setzte ich erneut an. Im selben Moment öffnete sich die Tür und Hanna kam hinein. „Was? Soll ich wieder gehen?", fragte sie erschreckt. „Nein.", schniefte Elena, „Ich muss es ja sowieso erzählen, also kannst du auch hierbleiben."

Sie atmete noch einmal tief ein und dann begann sie: „Ich bin im fünften Monat schwanger. Felix ist der Vater." Wir staunten nicht schlecht, das heißt, wirklich überrascht war ich ja nicht, doch es aus ihrem Mund zu hören war nochmal etwas ganz anderes. Trotzdem war es Hanna, die als Erste, ihre Sprache wieder gefunden hatte: „Und was ist jetzt das Problem an der ganzen Sache?" Emilie stieß ihr leicht mit dem Ellbogen in die Seite. „Er, er schlägt mich manchmal. Ich habe solch eine Angst um mein Kind.", wieder fing sie an zu weinen. Hanna setzte sich neben Elena und nahm ihre Hand. „Elena, das mag jetzt ziemlich ironisch klingen, das von einer 17 jährigen zu hören, aber du musst ihn verlassen. Du brauchst ihn nicht, nur weil er der Vater deines Kindes ist. Wer seine Frau schlägt, der hat es nicht verdient, sein Kind in den Armen zu halten. Hast du das verstanden? Und hör bitte auf zu weinen, das hat er auch nicht verdient. Vor allem aber solltest du zum Arzt gehen und dich untersuchen lassen. Jule macht das bestimmt. Versprichst du das?" Elena nickte ein wenig verlegen, doch sie hörte nicht auf zu weinen. Ein wenig erinnerte sie mich an mich selbst, als ich Elena begegnet war und sie mir das Foto ihrer Schwester gezeigt hatte. Ich konnte damals ebenfalls nicht aufhören zu weinen. Mich hatte Andreas beruhigt, doch Felix konnte ich jetzt nun wirklich nicht herein holen. Emilie stand auf und suchte ihr Portemonnaie. Als sie es gefunden hatte zog sie drei Fotos heraus, ich vermutete, dass es Ultraschallbilder ihrer Kinder waren. „Guck mal, das war Hanna, als ich im Fünften Monat schwanger war, das hier Lukas und das hier war Franzi kurz vor ihrer Geburt.", es war unglaublich, wie Bilder auf Menschen wirken konnten und wenn es nur das Bild eines ungeborenen Kindes war, Elena hörte auf zu weinen, „Du musst dich jetzt nur auf dich und dein Baby konzentrieren. Wir gehen jetzt beide hoch und packen Felix Sachen zusammen, dann setzen wir ihn vor die Tür und fahren zu Jule in die Klinik, ja?" Erneut nickte Elena und stand auf, Emilie öffnete ihr die Tür und gemeinsam gingen sie die Treppe hinauf. „Krass.", entfuhr es mir, „Ich hätte ja alles erwartet, aber das? Ich glaube ohne dich wäre Elena noch nicht ganz davon überzeugt gewesen, Felix zu verlassen. Glaubst du sie wird es schaffen?"

Hanna, die sich gerade einen Tee gekocht hatte, setzte sich zu mir: „Ich bin davon überzeugt, dass sie es schaffen wird, sie ist stark. Ich möchte Psychologin werden. Es ist doch faszinierend, wie Menschen auf verschiedene Ereignisse reagieren, oder?" „Oh ich glaube, du wärst eine sehr gute Psychologin vor allem, weil es dich wirklich interessiert. Elena ist stark, das stimmt, aber sie hat niemanden mehr. Ihre Adoptiveltern sind letztes Jahr verstorben und ihre Schwester wie du weißt kurz nach Fleurs Geburt. Sie könnte das Gefühl bekommen, dass alle Welt sich gegen sie verschworen hat." Meine Gesprächspartnerin schüttelte den Kopf: „Nein, sie hat dich, Andreas und eure Kinder, außerdem sind da doch noch Tobias, Mama, Toni, Michi, Bea und Jule, ihr sagt doch selbst immer, dass ihr wie eine große Familie seid." Mich beschlich das Gefühl, dass Hanna bereit war jedem zu helfen, der sie um Hilfe bat, doch das ihr selbst etwas auf dem Herzen lag, von dem sie niemanden erzählen wollte, deshalb äußerte ich: „ Wenn du mal jemanden zum Reden brauchst, dann kannst du jederzeit zu mir kommen, das weist du." Verlegen schaute Hanna zur Seite und ich hatte das Gefühl, sie wollte gerade damit anfangen zu erzählen, als Isabell ins Zimmer kam. „Mummi, warum ist Tante Elena so traurig? Nur weil, Fleur und Franzi sie geweckt haben?", fragte sie nach. Ich winkte sie zu mir und umarmte sie. Meine kleine Maus machte sich eindeutig zu viele Sorgen. „Deine Tante macht gerade eine schwere Zeit durch, ich glaube, wenn du sie nachher ganz fest umarmst und ihr sagst, dass du sie lieb hast, dann wird es ihr wieder ein bisschen besser gehen.", erklärte ich ihr und hoffte inständig, dass es auch wirklich so sein würde. Als ich wieder aufblickte, war Hanna verschwunden, Isabell und ich verließen das Zimmer ebenfalls.


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