Die unbekannten blauen Augen

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"Ohh Hazuki, stell dich nicht so an!" höre ich die spöttische Stimme, die mir seit den Tagen meiner Kindheit mehr als nur gut bekannt ist. "Akiko, ich sage es jetzt nur noch ein einziges Mal..." sage ich mit einem leicht genervtem Unterton. "...ich und Riku sind nur gute Freunde, nichts weiter." vollende ich meinen Satz mit rollenden Augen. "Ach, ist das so? Deswegen schaust du ihn auch immer so verträumt an, huh?" sagt Akiko mit einem breiten Grinsen im Gesicht und verzieht ihren Mund daraufhin zu einem Kussmund. Genervt richte ich mich von meinem Platz auf und packe meine Sachen in meinen Schulranzen. Es hilft ja irgendwie doch nicht, gegen sie anzureden.
Akiko ist meine beste Freundin, seit ich denken kann. Sie geht in meine Schulklasse und macht immer wieder zu genüge klar, dass ihr nichts entgeht, was in meinem Leben vor sich geht. Sie ist der typische Traum aller Jungs: mittelgroß gewachsen, mit langen blonden Haaren, die ihr bis zur Taille reichen, ein schlanker Körper und die blauen Augen, mit denen sie einfach jeden Jungen schwach macht. Ich hingegen, naja...ich bin etwas anders. Es ist wohl nicht schwer zu erkennen, dass ich ein ganzes Stück kleiner bin als sie. Weiterhin sind meine Haare nicht so schön blond wie ihre...meine Haarfarbe geht von einem dunklen Blond schon fast in ein helles Braun über. Ich beneide sie seit meiner Kindheit schon um ihre schönen Augen. Auch ich habe blaue Augen, jedoch strahlen meine nicht so schön, wie ihre. Meine blauen Augen haben einen Schimmer grau in sich, was meine allgemeine Augenfarbe ziemlich verdunkelt. Auch um ihre Figur beneide ich sie ein wenig...sie hat viel längere Beine als ich, wodurch diese natürlich auch, so schlank wie sie sind, schöner zur Geltung kommen. Ihre Taille ist besser betont als meine und auch ihr Gang wirkt durch die langen Beine sehr grazil. Im Allgemeinen habe ich keine schlechte Figur, das gleiche gilt auch für mein Aussehen, aber...es kam mir immer schon so vor, als wäre sie einfach ich. Nur besser. Wir ähneln uns auf einer Art und Weise sehr, jedoch hat sie immer dieses gewisse Etwas, was ich eben nicht habe. Da ich sehr viel mit ihr zutun habe, kann man sich denken, dass sie mich in Sachen Jungs oft unbewusst in den Schatten stellt. Aber mir macht das nichts aus, ich finde ohnehin nicht viel an denen. Die meisten von ihnen sind kindisch, oberflächlich und einfach nur dumm. Neben ihr habe ich immer wie unsichtbar gewirkt...jedoch nicht für alle, wie es scheint. Vor nicht allzu langer Zeit lernte ich jemanden kennen. Riku ist jemand aus der Oberstufe, mit dem ich mich sehr gut verstehe. Er ist so ziemlich der einzige Junge, auf den ich nicht unsichtbar wirke, wenn Akiko neben mir steht. Ich kann ihn wirklich gut leiden, so wie er mich. Natürlich ist es dann logisch, dass Akiko denkt, dass zwischen uns Etwas laufen würde...aber so ist es nicht, ich schwöre! 
"Hey Hazuki, hörst du mir überhaupt zu?!" höre ich die leicht hysterische Stimme von Akiko nochmals. "Oh...entschuldige. Ich war gerade etwas in Gedanken versunken. Was wolltest du?" antworte ich, während ich mir meinen Schulranzen um die Schulter werfe. Akiko schnaubt kurz verärgert auf, wirft dann kurz ihre langen, blonden Haare zurück und wiederholt dann während wir aus dem Klassenzimmer gehen: "Ich habe gefragt, ob du noch mitkommst zum Bäcker nebenan. Ich habe mich gestern noch mit Raidon dort verabredet, weißt du?" Ich seufze auf. Raidon ist der Spitzenreiter der Jungs aus der Oberstufe: gut aussehend, groß gewachsen, beliebt bei den Mädchen und noch dazu Profi-Fußballer. Warum wundert es mich nicht, dass sie ein "Date" mit ihm hat? 
"Ach sorry, aber ich muss nach Hause. Meine Mum arbeitet noch und ich muss ihr daher bei der Hausarbeit ein wenig unter die Arme greifen. Aber viel Spaß dir und verdreh ihm nicht allzu sehr den Kopf." sage ich lächelnd mit einem zwinkern. Sie fängt ebenfalls an zu lächeln, umarmt mich dann kurz und sagt gelassen "Keine Sorge, ich bemühe mich. Bis morgen!". 
Ich nehme den üblichen Weg nach Hause, wobei ich an meinem Lieblingsplatz der ganzen Stadt vorbeikomme. Ein kleiner Hügel, von dem aus man den Horizont betrachten kann. Ich lehne mich gegen das Geländer der Treppe, um den Ausblick auf die hoch am Himmel stehende Sonne zu betrachten. Dann drehe ich mich in Richtung meines Weges und gehe ein paar Schritte weiter voran. Plötzlich bemerke ich ihn: diesen Jungen, der dort auf dem Hügel gegen ein Geländer lehnt und ununterbrochen auf sein Handy schaut. Schon von Weitem sehe ich seine weißen, hochgestylten Haare. Er hat einen ungewöhnlichen Style. Sein schwarzes Hemd passt perfekt an seinen Körper, seine dunkle Jeans scheint ihm wie angegossen zu sein. Ich gehe weiter voran, bis er mich bemerkt. Er hebt kurz seinen Kopf und wendet ihn mir zu. Ich erstarre augenblicklich. Ich bleibe kurz stehen und mustere ihn mit erstauntem Gesichtsausdruck. Seine Augen sehen genau in die Meinen und fesseln mich an Ort und Stelle. Seine Augen sind eisblau und genau so scheinen sie auch! Sie leuchten in einem hellen Schimmer und scheinen unendlich tiefgründig zu sein. Als er seinen monotonen Gesichtsausdruck zu einem Fragenden ändert, merkte ich erst, dass ich ihn anstarre, wie ein total von Sinnen geratener Psycho! Schnell schüttel ich den Kopf, richte meinen Blick wieder auf den Weg vor mir und gehe wortlos weiter. Gott, wie peinlich war das denn?! Was ist das nur gewesen...
Zuhause vor der Haustür nehme ich noch einen tiefen Atemzug und denke noch einmal an diese eisblauen Augen...sie gehen mir nicht aus dem Kopf. Doch noch bevor ich den Gedanken zu ende gebracht habe, stürmt mir mein Vater entgegen. Mit einem Besen...ohja, ich weiß, was auf mich wartet.


Eiserne Seele-Toshiro HitsugayaWo Geschichten leben. Entdecke jetzt