Kapitel 1

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[4 Wochen vorher]

Ich blicke in den Spiegel.
Ich bin zufrieden. Meine braunen Haare fallen mir locker über die Schulter. Meine grün-blauen Augen harmonieren perfekt mit den leicht grau-brauen Lidschatten und meine Wimpern wirken lang durch die schwarze Mascara. Das Make-up hat selbst den widerspenstigsten Pickel abgedeckt und mein Lieblingslippenstift lässt meine Lippen in leichtem Pink wirken. Das ganze ist nahezu perfekt.
Ich versuche zu erkennen auf welches Alter ich jetzt geschätzt werde. Vielleicht so 17? Eventuell sogar Anfang 18. Mit einem Lächeln im Gesicht verlasse ich mein eigenes Bad und schnappe mir meine braune Ledertasche.
Ich renne die Treppe runter und stürme in unsere großen Wohn- und Ess-Bereich. Niemand außer unsere Haushälterin Lorena ist zu sehen, die zu x-ten mal diese Woche abstaubt. Sie ist wie die große Schwester, die ich nie hatte und nie haben werde.
Von Dad und Mum ist keine Spur zu sehen - wie immer. Dad ist wieder auf einer Geschäftsreise und Mum auf irgendwelchen Empfängen. Wie ich es hasse! Sie haben nie Zeit für ihre einzige Tochter gehabt und mittlerweile habe ich auch die Hoffnung verloren dass sie es jemals haben werden. Aber vielleicht hat es auch etwas gutes.... vielleicht. Vielleicht bin ich eigenständiger und selbstbewusster als andere.
"Warum so hübsch heute?" fragt mich Lorena mit hochgezogener Augenbraue. Ich merke wie ich rot werde. "Amy und ich gehen nachher in die Disco". "Na dann schau dich mal schön nach paar heißen Typen um" sie zwinkert mir zu.
Ich liebe es an ihr. Wir haben den absolut selben Geschmack was Jungs betrifft. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass mir genau so ein perfekter junge über den Weg läuft und dann auch noch etwas von mir will, ist absolut gering. Trotzdem schadet ein bisschen umsehen nichts. Ich habe mit meinen verdammten 16 Jahren noch immer keine Beziehung gehabt außer eine Kindergartenbeziehung in der 6.Klasse. Nicht weil ich iwie verklemmt wäre (ok vielleicht bin ich das doch ein bisschen) aber ich finde, man soll die Liebe nicht missbrauchen, wie es heute einige tun. Ich weiß das klingt total bescheuert aber das ist nunmal meine Ansicht darüber.
Ich schnüre meine weißen Chucks und denke an den bevorstehenden Abend. Ich hoffe nur das sie nicht kommen. Es kotzt mich einfach nur noch an diese ständigen Vorurteile...
Ein letzter prüfenden Blick in den Spiegel - los gehts. Als ich das Haus verlasse schaue ich nocheinmal zu dem Küchenfenster.
Lorena winkt mir. Sie wirkt mini zwischen all den Glasscheiben die den Abendhimmel leicht widerspiegeln. Vielleicht wäre das der Traum vieler - ein großes Haus, viel Geld, eine Haushälterin und was zum Teufel alles. Ich persönlich habe es einfach nur noch satt. Aber ich glaube die Erfahrung muss man selber machen um das nachvollziehen zu können.
An der nächsten Bushaltestellen steige ich ein und fahre in Richtung Stadtzentrum zum Bahnhof.

Am Bahnhof sehe ich Amy auf den ersten Blick: Mit ihrer Zigarette in der Hand steht sie gut sichtbar vor dem Gebäude. Ich renne auf sie zu. Als sie mich sieht breitet sich das große Grinsen auf dem Gesicht aus,was ich so liebe. Sie drückt die Kippe aus und legt sie in einen Aschenbecher. Ich umarme sie heftig.
"Na Süße" meint sie "alles klar bei dir?" Während wir auf Gleis 8 laufen erzähle ich ihr von Lorena's Wunsch, dass ich einen Typen mal mit nach Hause schleppen sollte. Sie muss lachen. Der Zug kommt in 3 Minuten. Als sie anfängt mir von ihrem gestrigen Abend zu erzählen beobachte ich unser Umfeld.
Es ist und bleibt einfach so: Amy ist der Männermagnet schlechthin. Aber das kann man ihr auch kaum übel nehmen. Sie hat einen wahnsinns Körper, einen coolen Style, ein wunderschönes Gesicht mit dunklen Augen und blond gefärbten Haaren und zusätzlich noch einen Charakter der jeden einfach nahezu neidisch macht. Ich fühle mich häufig neben ihr total dumm und klein. Trotzdem möchte ich mit ihr doch nicht tauschen. Ihre Eltern sind wegen Abhängigkeit als Grund getrennt und für ihre Mutter ist es nicht einfach 3 Kinder zu erziehen weshalb es oft Streit gibt.
Im Zug bin ich mit meinen Gedanken kaum noch bei Amy Gespräch. "...und? Was hältst du davon?" Sie schaut mich ernst an. "Sorry... was?" "Was du davon hältst wenn ich versuchen würde dich zu verkuppeln?!", frägt sie nocheinmal. "Hast du das nicht schon 1000 mal versucht und bist jedesmal daran gescheitert?" Meine ich jetzt. Es stimmt, bei unendlich vielen Partys oder Abenden mit Freunden hat sie versucht mich zu verkuppeln - allerdings bisher ohne Erfolg. Entweder bin ich so abschreckend oder sie hat sich nicht genug Mühe gegeben.
Den Rest der Fahrt streiten wir darüber ob sie sich beim verkuppeln Mühe gegeben hat oder nicht.

Mit Dir Bis In Alle Ewigkeit - Weil Ich Ohne Dich Nicht Mehr KannWo Geschichten leben. Entdecke jetzt