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Vorsichtig zupfte ich den Kragen meines Mantels zurecht und auch den kuschligen Schal um meinen Hals ein wenig höher. Der Wind war eisig und peitschte nur so durch die schlecht beleuchteten Straßen der Stadt. Mich selbst zur Ruhe zwingend atmete ich aus. Gleich würde ich zu Hause sein.

Ich lenkte mich ab, konzentrierte mich auf das Gefühl des weichen Stoffes auf meiner Haut, als ich weiterhin einen Fuß vor den anderen setzte. Es war recht spät, die Straßen dieser Gegend waren beinahe menschenlehr. Verständlich.

Es war nicht das beste Viertel hier, bei weitem nicht. Doch komischerweise hatte ich deshalb noch nie Angst verspürt, oder war in irgendeiner Hinsicht beunruhigt gewesen, wie manche Menschen zu behaupten mochten. Ein scharfer Windhauch umfing mich und ließ die langen Enden meines Schals in der Luft tanzen. Ich meine erst Regentropfen zu spüren. Unbeirrt setzte ich meinen Weg fort, als etwas am Zipfel meines Mantels zog.

Ich seufzte, hielt aber dennoch zögernd an. Abschätzend glitt mein Blick zu Boden. Ein Mann, Mitte 40 vielleicht, bemühte sich um ein sanftes Lächeln und hielt mir einen Becher entgegen.

Ich stöhnte genervt, nicht gerade höflich, das wusste ich, aber ich hatte anderes zu tun, besseres.
Denn Zuhause wartete noch irgendein halb fertiger Aufsatz auf mich. Gott! Sogar das Thema war mir bereits wieder entfallen. Jedenfalls, sollte dieser morgen früh auf Ms. Wanderwolts Tisch liegen.

Diese Frau wünschte mir auch so schon die Pest an den Hals.

Doch wie von selbst, glitt meine Hand in eine der tiefen Manteltaschen. Wenn ich mich nicht irrte, und ich irrte mich oft, würde sich darin noch ein wenig Kleingeld befinden.

Die protestierende kleine Stimme in meinem Kopf ignorierte ich geflissentlich. Ich hatte selbst kaum etwas. Mein Briefkasten quellte über vor Rechnungen, unbezahlte versteht sich. Doch zu meinem Glück, verstand ich mich bestens darin, diese zu ebenfalls zu ignorieren.
Anders als ich, halten die Versandhändler allesamt viel zu sehr an Vergangenem fest. Hier eine Mahnung, dort eine Beschwerde.

Mit den Gedanken bereits fernab vom jetzigen Geschehen, ließ ich das Geld in den Becher gleiten. Es klimperte leise und ich meine vage ein gekrächztes 'Dankeschön' seitens des Mannes zu vernehmen.

Mit gehetzten Schritten, setzte ich meinen Weg fort, bog in eine kleine Seitenstraße ein und blieb vor einem der verfallenen Mietblocks stehen. Ich wollte noch nicht nach Hause, wollte nicht an den Aufsatz denken. Obwohl es mir eigentlich egal sein konnte. Niemand interessierte sich für mich, mein Leben.

Meine Eltern waren bei einem Unfall ums Leben gekommen. Stockend atmete ich weiter. Noch immer wagte ich es kaum diesen Satz auch nur zu denken.

Einen Moment, eine Sekunde hatte ich mir verdient. Zögernd schloss ich die Augen.

Verschiedenste Bilder und Szenarien schossen mir durch den Kopf. Belangloses. Meine Dad, der mich Morgenmuffel, wie fast jeden Morgen, aus dem Bett schmiss, meine Mum, die mir auch an meinen schlechtesten Tagen ein Lächeln schenkte. Dad, der in der Küche mir unbekannte Lieder pfiff und meine Mum, die leise mitsummte.

Wie ich bereits sagte, belangloses. Dinge, die mir früher selbstverständlich erschienen, denen ich keinerlei Bedeutung zurechnete. Heute sind sie umso wertvoller.

Der Einzige, der mir geblieben war, war Ferdinand unser Kater.
Das Vieh konnte mich nicht einmal leiden.
Meine Mundwinkel zuckten leicht bei diesem Gedanken, als das schrille Aufheulen einer Polizeisirene, mich zurück in die Wirklichkeit riss.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Aug 27, 2016 ⏰

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